Tiere am Altrhein

Ist der Ketscher Biber etwa weitergezogen?

Nachdem im Alb-Donau-Kreis zwei Biber getötet wurden, lässt sich das Ketscher Exemplar in diesem Jahr noch nicht blicken. Wir sind am Altrhein auf Spurensuche gegangen.

Von 
Henrik Feth
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Im Januar 2023 hat sich ein Biber – ähnlich wie auf diesem Symbolbild – am Altrhein bei Ketsch niedergelassen und den Bereich hinter der Kläranlage am „Spießpedel“ zu seinem Revier auserkoren. © DPA

Ketsch. „Letale Entnahme“ – ein Begriff, der sich zunächst wohl eher harmlos anhört, doch nichts anderes bedeutet, als die Freigabe zur Tötung von Wildtieren, die vermeintlich das Ökosystem stören. So erst vor kurzer Zeit im Alb-Donau-Kreis geschehen: Das Umweltministerium genehmigte die Tötung von zwei Bibern, da es angeblich keine andere Lösung für zunehmende Konflikte zwischen Mensch und Tier gab. Diese betrafen beispielsweise die Unterhöhlung von stark befahrenen Straßen oder Verkehrsunfälle aufgrund querender Tiere. Ergebnis: Zwei Bibern wurde das Leben genommen.

Anfang 2023 ließ sich auch in der Enderlegemeinde ein Biber nieder. Damals äußerte der Naturpädagoge Guido Moch den Verdacht, dass sich das Tier nur auf Durchreise befinden würde. Doch offensichtlich hat es sich der „Castor fiber“ – so der lateinische Name des europäischen Bibers – etwas länger am Altrhein gemütlich gemacht: Wie Biologe Uwe Heidenreich bestätigt, wurde der Biberbau im vergangenen Jahr genutzt, sodass der Nachweis für ein Bibervorkommen zum damaligen Zeitpunkt gemacht werden konnte.

Der Bau ist leer: Wo steckt der Ketscher Biber?

Doch wie ist die aktuelle Lage? Heidenreich begab sich im Februar auf die Spuren des Säugetiers, dessen Auftauchen ein klares Indiz für das gut funktionierende Ökosystem auf der Rheininsel und am Altrhein ist. Vorgefunden hat der Biologe jedoch nur die Überreste des biberschen Lebens in Ketsch: Ein verwaister Biberbau sowie einige stark abgenagte Baumstämme. „Daher kann ich keine direkte Aussage zu einem aktuellen Bibervorkommen machen“, so das Fazit von Heidenreich.

Warum lässt sich das Tier nicht mehr blicken? Ist es eventuell tatsächlich weitergezogen? Ketsch und sein Biber – ist diese vielversprechende Beziehung etwa schon vorbei? Weit entfernt von Gedanken an „Letale Entnahmen“ darf die Enderlegemeinde weiter hoffen, wie Heidenreich ankündigt: „Im März wissen wir mehr, sollte der Biber zurückkehren, ist es sogar möglich, dass es zu einer Familiengründung kommt – sofern sich ein Partner findet. Aber im Frühjahr geht es für gewöhnlich rund.“

Das sagen Ketscher zu ihrem Biber

Gerd Welker, Naturfreunde Ketsch: „Ich persönlich erfreue mich, wenn ich einen Biber sehe. Natürlich muss man hier beobachten, ob Schäden entstehen, die tatsächlich eine Gefahr darstellen würden, aber solange dies nicht der Fall ist, sollte ein Biber kein Problem sein.“

Matthias Ihrig, Umweltstammtisch Ketsch: „Egal, ob Bär, Wolf oder Biber, aus meiner Sicht hat jedes Tier ein Recht zu Leben. Ein Biber ist per se zunächst ja auch keine Gefahr für den Menschen, größere Probleme liegen in unseren Kulturlandschaften, auf denen 60 Prozent der Ackerfläche für den Anbau von Futtermittel für Tiere genutzt werden und nicht für die Ernährung des Menschen. Und dass durch den Biber in Ketsch eine ernste Gefahr entsteht, dies sehe ich nicht.“

Wolfgang Rohr, Lokale Agenda Ketsch: „Wenn ein Biber auftaucht, ist das im Zeichen der Artenvielfalt zunächst doch positiv und ein Zeichen, dass hier ein Ökosystem funktioniert. Man sollte den Biber nicht grundsätzlich bekämpfen und beobachten, ob Schäden entstehen, die wirklich ein Problem sind. Ansonsten kann der Biber ruhig bleiben.

Dieter Rey, Heimatmuseum: „Auf gar keinen Fall sollte man einen Biber töten, der sich in seinem natürlichen Lebensraum zeigt. Früher gab es noch viel mehr Biber und die Rheininsel steht offensichtlich immer noch. Ich persönlich finde die Schäden, die durch Forstwirtschaft entstehen, weitaus bedenklicher, als die eines Bibers.“ csc

 

Seit der Tötung der beiden Tiere im Alb-Donau-Kreis kursiert zudem der Begriff des „Problembibers“ immer öfter in den Medien und nimmt Bezug auf das für die Tiere typische aktive Gestalten des eigenen Lebensraums. Burgen und Dämme werden gebaut, aber eben auch Unterhöhlungen wie im Fall aus dem Alb-Donau-Kreis. Zum „Problem“ wird das Ganze dann jedoch erst, wenn sich mehrere Biber einen Lebensraum teilen und die angesprochenen Vorkommnisse für Konflikte mit Menschen sorgen.

Ein vernünftiges Bibermanagement verhindert die Tötung der Tiere

Für Uwe Heidenreich wie auch für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) jedoch in keiner Weise ein Grund, um die Tier „zum Abschuss“ freizugeben. „Die potenziellen Probleme mit Bibern sind auch lösbar, ohne die Tiere zu töten. In Ladenburg wird beispielsweise ein gezieltes Bibermanagement eingesetzt“, gibt der Biologe ein positives Beispiel.

Bibermanagement, das beinhaltet sogar buchbare Führungen durch das Revier der Tiere. Statt Konflikten wird hier also auf ein Miteinander gesetzt – man ist stolz auf seine Biber. Ein Gedanke, der – sollte das Ketscher Exemplar sich wieder blicken lassen – auch von der Gemeinde in Betracht gezogen werden könnte.

Bisher gibt es nur Indizien wie diesen Biberbaum, die darauf schließen lassen, dass der Biber noch immer in Ketsch beheimatet ist. © Heidenreich

Wie Günther Martin beim Auftauchen des Bibers in Ketsch erwähnte, haben sich die Tiere „vielerorts zu einem Qualitätsmerkmal für Erholungslandschaften entwickelt“. Während die Nagetiere im Alb-Donau-Kreis also quasi „zum Abschuss“ freigegeben sind, ist man in der Enderlegemeinde, wie die Umfrage im Artikel bestätigt, dem Biber wohlgesonnen.

Der Biber bringt auch in Ketsch einige ökologische Vorteile

Denn das Nagetier bereitete im vergangenen Jahr keinerlei Probleme und sorgt mit seinen Dämmen auch, wie Heidenreich betont, für „begrüßenswerten Wasserrückhalt“. Mit den nun wärmer werdenden Temperaturen kann sich der Ketscher Biber, sollte er tatsächlich noch da sein, aus seinem Bau wagen und muss nicht befürchten, dass man ihm „ans Fell“ will.

Und sollte es doch zu den angesprochenen Problemen bezüglich des Bibervorkommens ins Ketsch kommen, liefert der BUND Lösungen, die keine Tiertötungen beinhalten. In seinem Positionspapier „Biber und Gewässerstreifen in Baden-Württemberg“ stellen die Naturschützer nicht nur die Bedeutung des Bibers in Zeiten der Klimakrise heraus, sondern fordern auch eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz für die Tiere.

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Hier kommt wieder das Stichwort Bibermanagement ins Spiel: Konfliktlösungen unter Berücksichtigung der Lebensraumansprüche der Biber wären beispielsweise Drahthosen, Schutzgeflechte für Weiherdämme oder Vollsickerrohre für Dammdrainagen. Lösungen, die auch im Alb-Donau-Kreis zwei Biberleben hätten retten können.

So heißt es in der Enderlegemeinde nun vorerst abwarten. Der Artenvielfalt auf der Rheininsel und am Altrhein kann ein Bibervorkommen nur gütlich sein. Und in Ketsch ist eines sicher: Von „letaler Entnahme“ oder ähnlichen schockierenden Maßnahmen wird nicht die Rede sein, denn der Biber wird mit offenen Armen wilkommen sein, sollte er sich in nächster Zeit aus seinem Bau wagen.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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