Waldwirtschaft

„Kahlschlag“ auf Ketscher Rheininsel: Nabu konfrontiert Forst BW

Das forstwirtschaftliche Vorgehen auf der Ketscher Rheininsel heizt weiterhin Diskussionen an. Naturschützer und der Nabu Schwetzingen fordern seitens Forst BW mehr Transparenz und hinterfragen die getroffenen Maßnahmen.

Von 
Henrik Feth
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Der "Kahlschlag" auf der Rheininsel in Ketsch ist noch immer Zentrum von Diskussionen. © Martin

Ketsch. In den vergangenen Monaten ist die Ketscher Rheininsel zum Zentrum von einigen Diskussionen geworden. Grund dafür ist das forstwirtschaftliche Vorgehen der für dieses Gebiet zuständigen Verantwortlichen von Forst BW. Um dem Eschensterben auf der Insel Einhalt zu gebieten, hat der Forst in größerem Umfang Bäume gefällt, was vor allem bei örtlichen Naturschützern einige kritische Fragen aufgeworfen hat.

Nun schaltet sich auch der Naturschutzbund Schwetzingen und Umgebung in die Diskussion ein und konfrontiert Forst BW mit einigen getroffenen Aussagen hinsichtlich dieser Maßnahme und mit der häufig kritisierten öffentlichen Transparenz hinsichtlich des „Kahlschlags“. Gleichzeitig fordert der Nabu auch konkrete Aussagen zur weiteren Vorgehensweise auf der Ketscher Rheininsel.

Im SZ-Artikel „Seltene Bäume und Tiere sollen gefördert werden“ vom 14. April sprechen Sie von „in der Regel völlig unproblematischen Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden“ und über deren Einbindung. Zumindest beim Nabu Schwetzingen und Umgebung ist in den vergangenen Jahren noch keine Anfrage von Forst BW eingegangen. Welche Verbände meinen Sie in dieser Aussage konkret?

Forst BW: Bei der Erarbeitung und Weiterentwicklung der Waldnaturschutzkonzeption Baden-Württemberg, der sogenannten Waldentwicklungstypenrichtlinie, den vorsorgenden Artenschutzkonzepten für die Gelbbauchunke und den Heldbock sowie des Aktionsplans Auerhahn, dem „Feuerwehr-Programm“ Amphibienschutz, dem Monitoring-Programm für die Wildkatze wurden und werden diese eingebunden - der Forst und die Naturschutzverbände arbeiten hier eng zusammen. Auch im Forstbezirk Hardtwald arbeiten wir mit den lokalen Verbänden im direkten Austausch immer wieder zusammen, beispielsweise bei der Sanierung von Amphibiengewässer oder der Freilegung von Dünen in der Schwetzinger Hardt. Die Projektliste ist beispielhaft und nicht abschließend. Konkret sind es vor allem die Verbände Nabu, Bund, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und der Landesnaturschutzverband.

Auf Ihrer Webseite kann man sich die Urkunden der FSC- und PEFC-Zertifizierung von Forst BW herunterladen. Sie veröffentlichen auch den aktuellen Auditbericht. Das alles wird vom Nabu ausdrücklich begrüßt. Sie sind also schon ein großes Stück in Richtung naturverträglicher Waldwirtschaft gegangen. Gleichzeitig ist der Forstmann und Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle im Beirat von Forst BW. Wieso gehen Sie nicht weiter zum Nabu-Zertifikat „Naturwaldbetrieb“?

Forst BW: Dies ist eine strategische Frage für den gesamten Staatsforstbetrieb. Sie kann nicht vor Ort, sondern nur von der Betriebsleitung in Tübingen unter Einbindung des Ministeriums „Ländlicher Raum“ entschieden werden. Im Forstbezirk Hardtwald ist unbekannt, ob Johannes Enssle diesen Vorschlag schon in den Beirat von Forst BW eingebracht hat.

Der Forst hat sich bereits in der Gesamtkonzeption „Waldnaturschutz 2020“ das erstrebenswerte Ziel gesetzt, zehn Prozent Waldfläche aus der Nutzung zu nehmen. Wo steht Forst BW diesbezüglich momentan und wie sieht es auf der Ketscher Rheininsel aus, die zusätzlich Naturschutzgebiet (NGS) ist. In besagtem SZ-Artikel sprechen Sie von 54,1 Hektar, was bezogen auf die Naturschutzgebietsfläche durchaus mit elf Prozent über diesem Zielwert liegt. Wo liegen diese Flächen in Bezug auf die Hartholz- und Weichholzaue?

Forst BW: Im Jahr 2024 waren in Baden-Württemberg 27.368 Hektar Staatswald Prozessschutzfläche, also aus der Nutzung genommen - Stichwort „Urwald von morgen“. Dies entspricht zirka 8,25 Prozent des Waldes im Eigentum des Landes. Durch die weitere Ausweisung von sogenannten Habitatbaumgruppen und Waldrefugien steigt die Prozessschutzfläche kontinuierlich an, um den Zielwert von zehn Prozent zu erreichen. Die auf der Ketscher Insel aus der Nutzung genommenen Flächen befinden sich überwiegend in der Weichholzaue, vor allem auf der Halbinsel am nördlichen sowie am südlichen Baggersee. In der Hartholzaue wurden Habitatbaumgruppen aus der Nutzung genommen.

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Wie steht Forst BW zu der erweiterten Forderung aus der Kommunalpolitik zur Ausweisung eines Waldschutzgebiets mit Bann- und Schonwaldbereichen wie in der Schwetzinger Hardt, die ja überwiegend kein Naturschutzgebiet ist?

Forst BW: Die Landesverwaltung lehnt die mehrfache Unterschutzstellung ein und derselben Fläche ab, da viele unterschiedliche Verordnungen für ein Gebiet keinen Mehrwert für die Erreichung der naturschutzfachlichen Ziele bedeuten. Eine Mehrfachunterschutzstellung birgt vielmehr die Gefahr von widersprüchlichen Regelungen und erschwert die Umsetzung im Alltag, da die Gebietsbetreuer stets eine Vielzahl an Verordnungen gleichzeitig berücksichtigen müssten. Diese Vorbehalte der Landesverwaltung teilt Forst BW. Da die Ketscher Insel schon durch eine Naturschutzgebietsverordnung geschützt ist, steht Forst BW der zusätzlichen Ausweisung als Bann- oder Schonwald skeptisch gegenüber. Wir gehen nicht davon aus, dass das Umweltministerium und das Ministerium „Ländlicher Raum“ einen Prozess für eine weitere Verordnung beginnen werden. Zudem ist die Insel als sehr intensiv genutztes Erholungsgebiet mit einer sehr guten Erschließung mit Wegen auch grundsätzlich schlecht geeignet für die Ausweisung eines Bannwalds. Das Totholz würde die Waldbesucher gefährden.

In der NSG-Verordnung zur Ketscher Rheininsel steht, dass die ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Nutzung auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen Forstverwaltung und Naturschutzverwaltung erfolgt. Gibt es diese Vereinbarungen und wo sind diese einsehbar? Wer genehmigt die Zehn-Jahres-Pläne und die jährlichen Hiebpläne?

Forst BW: Die ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Nutzung wird in der mittelfristigen Forstplanung für die Ketscher Insel, dem sogenannte Forsteinrichtungswerk, niedergelegt. Das Planwerk wurde von der Forstdirektion unter Berücksichtigung der Naturschutzgebietsverordnung und des Pflege- und Entwicklungsplans erarbeitet und mit der Naturschutzverwaltung abgestimmt. Es kann nach Voranmeldung bei der Forstbezirkszentrale eingesehen werden. Genehmigungsbehörde sowohl für die Zehn-Jahres-Pläne als auch für die jährlichen Hiebpläne von ist die oberste Forstbehörde, das Ministerium „Ländlicher Raum“.

Ebenso kann man in der Gesamtkonzeption Waldnaturschutz 2020 als Ziel lesen, dass die Transparenz und Kommunikation verbessert werden soll. Dort ist sogar von Information, Partizipation und Mitbestimmung die Rede. Auch jüngste Bürgeranfragen an den Nabu zu einem Hieb entlang der B291 im Hardtwald zeigen, dass weder Gemeinde (Oftersheim) noch die Öffentlichkeit informiert wurden. Wie sieht das bei der Ketscher Rheininsel aus? Hätten nicht wenigstens Informationsveranstaltungen im Vorfeld stattfinden können?

Forst BW: 2024 hat eine gemeinsame Exkursion vom Umweltstammtisch Ketsch und Forst BW auf der Ketscher Insel stattgefunden. Bei dieser Exkursion wurden die Planungen für die Ernte des Eschenbestandes und die Durchführung der Pflanzung eines Eichen-Mischwaldes vorgestellt. Im Jahr 2025 fand eine erneute Exkursion auf die Insel statt.

Die Ketscher Rheininsel ist Natura 2000-Gebiet und unterliegt dem Managementplan 6616-441 Rheinniederung Altlußheim-Mannheim. Dort wird für den eigenen Lebensraumtyp „Auenwälder mit Erle, Esche, Weide“ von Bedrohungen durch invasive Arten wie Eschen-Ahorn, Indischem Springkraut und Japanischem Stauden-Knöterich gesprochen. Wie sieht es diesbezüglich auf der Ketscher Rheininsel aus, wo Sie gerade großflächig Lichtkorridore für den Eichenaufwuchs schaffen?

Forst BW: Diese invasiven Arten sind auch auf der Insel vorhanden. In den Flächen, in denen Eiche gepflanzt wurde, werden wir die Konkurrenzvegetation durch den Einsatz von Waldarbeitern zurückdrängen, sodass die Setzlinge gut gedeihen und größer werden können. Sobald die Eichen so groß sind, dass sich ihre Zweige berühren und der Bestand sich schließt, werden andere Pflanzen, auch Eschen-Ahorn, Indisches Springkraut und Japanischer Stauden-Knöterich, durch Lichtmangel ausgedunkelt.

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Die Entnahme von großen Mengen an noch verwertbaren Eschen ist betriebswirtschaftlich durchaus nachvollziehbar. Sind einzelne kräftige Exemplare als Totholz verblieben? Wird es 2025/26 eine Fortsetzung geben? Sind weitere größere Eingriffe geplant?

Forst BW: Die Ernte der durch das aus Ostasien stammende Eschentriebsterben abgestorbenen und absterbenden Eschen war sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Das wertvolle Holz konnte dadurch noch einer sinnvollen Verwendung als Säge- oder Brennholz zugeführt werden und kann so andere, häufig energieintensive oder fossile Materialien ersetzen. Für die Holznutzung in diesem Winter wurden die zu nutzenden Eschen sorgfältig ausgesucht und gesunde Eschen sowie die in den Habitatbaumgruppen und den Waldrefugien stehenden Exemplare belassen. Ob im Jahr 2025 ein weiterer Eschenbestand so stark absterben wird, kann heute noch nicht gesagt werden. Ende August und Anfang September, dem Zeitpunkt, zu dem man die Belaubung und den Gesundheitszustand der Eschen am besten einschätzen kann, wird erneut geprüft werden, ob ein weiterer Einschlag von Eschen erforderlich ist.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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