Friedhof (mit Fotostrecke)

Ketsch bekämpft Ameisen mit 24.000 Litern heißem Wasser

Die erste Bekämpfung der Ameisenart „Tapinoma magnum“, die sich auf dem Friedhof ausgebreitet hat, ist aus Sicht der Gemeinde ein Erfolg, denn der Bestand sei sichtbar eingedämmt worden.

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Benjamin Jungbluth
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In einem Seitenbereich werden derzeit neue Urnengräber angelegt: Ameisen der invasiven Art „Tapinoma magnum“ haben sich rund um den Friedhof in Ketsch massenweise ausgebreitet. Eine erste Bekämpfungsaktion mit Heißwasser-Schaum war jetzt aber laut Experte und Schädlingsbekämpfer Björn Kleinlogel sowie der Gemeinde erfolgreich, auch wenn die Tiere nur eingedämmt, nicht aber ausgerottet werden können. © Jungbluth

Ketsch. Der Aufwand, den Diplom-Biologe und Schädlingsbekämpfer Björn Kleinlogel mit seinem Team in den letzten Wochen auf dem Ketscher Friedhof betrieben hat, ist groß: Mit einem speziellen Heißwasser-Schaum haben die Experten aus Darmstadt die Ameisenart „Tapinoma magnum“ attackiert, die sich in der Vergangenheit in Massen rund um die Ketscher Ruhestätte ausgebreitet und für reichlich Ärger gesorgt hat (wir berichteten mehrfach).

Jeweils 600 Liter Wasser waren in dem Tank, den das Team mitsamt den technischen Gerätschaften auf einem Anhänger montiert hatte. 40 Tankfüllungen kamen auf dem Friedhof und in der Nachbarschaft zum Einsatz – das macht stolze 24 000 Liter Heißwasser, mit denen die invasive Ameisenart reduziert werden sollte.

„Ein erster Versuch“

Und tatsächlich: Sowohl Schädlingsbekämpfer Björn Kleinlogel als auch die Gemeinde sehen in dem ersten Einsatz der neuartigen Methode einen großen Erfolg. „Das war auch für uns ein erster Versuch, denn die Methode ist in diesem Maße zuvor noch nicht angewendet worden. Aber bei den Kontrollen einige Tage später konnten wir große Mengen an toten Tieren feststellen, die aus den Bauten herausgebracht worden sind. Seitdem ist die Population merklich geringer und weniger aktiv“, fasst Björn Kleinlogel die Aktion zusammen.

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Sein Team fügte dabei den jeweils 600 Litern Wasser natürliche Proteine hinzu, die aus der Kokosnuss gewonnen werden. Die Tenside verringern dabei die Oberflächenspannung des Wassers, so dass es besser in enge Gänge und Ritzen laufen kann. Dieses Gemisch brachten die Experten mit einer Art mobilem Durchlauferhitzer zum Kochen. Schließlich wurde der so entstandene Heißwasser-Schaum mit nur wenig Druck möglichst zielgenau auf die Nester und Schlupfwinkel der Ameisen gegossen.

„Das Gemisch ist völlig ungiftig, das ist der ganz große Vorteil dieser Methode. Allerdings können durch das sehr heiße Wasser Pflanzen geschädigt werden, weshalb wir beim Aufbringen besonders vorsichtig waren und selbstverständlich die Gräber nicht direkt bearbeitet haben. Die meisten Ameisen gab es ohnehin in den sonnigen und kargen Bereichen, also auf Wegen und zwischen Pflastersteinen“, erklärt Diplom-Biologe Björn Kleinlogel.

Vereinzelt haben Friedhofsbesucher Köderboxen ausgelegt, um ihre Gräber von den Insekten möglichst freizuhalten. © Benjamin Jungbluth

Tatsächlich finden sich an solchen Stellen auch noch nach der Aktion Spuren der Ameisenkolonien: Neben einzelnen Tieren und Nestern sind überall auf dem Ketscher Friedhof kleine Sandhaufen zu sehen. Dort sind wohl weiterhin Tiere aktiv und graben im Untergrund ihre weitverzweigten Gänge.

Gewaltige Superkolonien

Kein Wunder, denn die aus dem Mittelmeerraum eingewanderte Art „Tapinoma magnum“ baut sogenannte Superkolonien, die gewaltige Ausmaße annehmen können. Entsprechend war allen Beteiligten von Anfang an klar, dass es nicht darum gehen könne, die invasiven Ameisen in Ketsch auszurotten. „Wir wollen den Bestand aber sichtbar eingrenzen und verhindern, dass sich die Tiere im Übermaß ausbreiten“, erklärt Bauamtsliter Marc Schneider. „Das scheint uns nach dem ersten Einsatz auch gelungen zu sein. Jetzt müssen wir schauen, ob und wann wir erneut gegen die Ameisen vorgehen, denn von Dauer ist der jetzige Zustand natürlich nicht. Das muss aber der Gemeinderat entscheiden“, betont der Bauamtsleiter.

Eine große Rolle dürften dabei wohl die nicht unerheblichen Kosten spielen: Bislang hat der Einsatz rund 30 000 Euro gekostet, wobei neben dem Friedhof auch zahlreiche benachbarte Privatgrundstücke behandelt wurden.

Spuren der Kolonien: In einzelnen Bereichen des Friedhofs sind noch Sandhaufen und kleine Nester der Ameisen zu sehen. © Benjamin Jungbluth

Wie lange damit die Tiere auf einem vertretbaren Niveau gehalten werden können, muss sich unterdessen erst noch zeigen.

Die nun erprobte Methode sieht Experte Björn Kleinlogel aber als die beste Lösung auch für die Zukunft an. „Wir haben parallel in zwei abgegrenzten Bereichen noch den Gegentest gemacht: Zunächst mit dem Insektizid Permethrin, das jedoch auch für andere Tiere tödlich sein kann – und das bei unserem Feldversuch einen deutlich geringeren Erfolg bei den Ameisen gezeigt hat. Und zum anderen mit einer größeren Menge klassischer Ameisen-Köder, wie es sie für den Hausgebrauch gibt. Aber das würde auf den ganzen Friedhof hochgerechnet viel zu teuer werden – das könnte niemand bezahlen“, erklärt Björn Kleinlogel, der die Heißwasser-Schaum-Methode damit als eindeutigen Sieger des Versuchs ansieht.

Überzeugungsarbeit ist gefragt

Einige Friedhofsbesucher scheinen allerdings noch nicht so ganz von dem nachhaltigen Erfolg der Methode überzeugt zu sein.

Vereinzelt haben sie an ihren Gräbern Köderboxen für die Ameisen aufgestellt, wohl um den jeweiligen Bereich gänzlich von den Insekten freizuhalten. Dazwischen sind immer wieder einzelne Nester und vor allem Sandhaufen zwischen den Ritzen der Wegsteine auf der Freidhofsanlage zu sehen.

Die Ketscher werden also notgedrungen lernen müssen, mit der Ameisenart „Tapinoma magnum“ zu leben – und sich wohl auch daran gewöhnen müssen, dass ihr Friedhof künftig immer mal wieder mit Heißwasser-Schaum behandelt wird.

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Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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