Ortsentwicklung

Ketsch setzt auf Nachverdichtung statt Neubaugebiete

Acht Jahre nach dem Start sind 60 von 200 Grundstücken im Ketscher Neubaugebiet Fünfvierteläcker unbebaut. Woran liegt der Stillstand und was bedeutet das für die Gemeinde?

Von 
Benjamin Jungbluth
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Das Ketscher Neubaugebiet Fünfvierteläcker ist auch bald acht Jahre nach dem Baustart der ersten Gebäude noch nicht komplett: Lediglich bei den ehemals gemeindeeigenen Grundstücken bestand die Pflicht, zeitnah zu bauen. Entsprechend sind bis heute freie Lücken zu finden. © Benjamin Jungbluth

Ketsch. Am nördlichen Ortsausgang von Ketsch in Richtung Brühl haben inzwischen viele Familien ihr Zuhause gefunden: Das Neubaugebiet Fünfvierteläcker hat sich zu einem etablierten Teil der Enderlegemeinde entwickelt. Einfamilien- und Doppelhäuser in unterschiedlichen Formen und Stilen prägen das Areal, vereinzelt gibt es zudem Mehrparteienhäuser.

Allerdings sind auch bald acht Jahre nach dem Baustart der ersten Gebäude immer noch nicht alle der insgesamt zirka 200 Grundstücke bebaut: Rund 60 lagen Stand 2023 laut Gemeinde zuletzt noch brach, inzwischen sollen es etwas weniger sein.

Ketscher Neubaugebiet Fünfvierteläcker: Entwicklung und Herausforderungen

Teilweise liegen mitten im Wohngebiet deshalb gleich mehrere Wiesen nebeneinander. An anderen Stellen verraten die typischen fensterlosen Außenwände bestehender Gebäude, dass hier eigentlich noch eine zweite Haushälfte angebaut werden soll. Doch gab es zu Beginn der öffentlichen Vergabe der Grundstücke nicht die Pflicht, dass die Käufer innerhalb von drei Jahren ein Haus errichten mussten, das sie auch noch selbst für mindestens zehn Jahre bewohnen werden? Dadurch sollte Bodenspekulationen die Grundlage entzogen werden, hieß es seinerzeit aus dem Rathaus.

„Eine solche Vorgabe der Gemeinde gibt es tatsächlich, aber sie bezieht sich ausschließlich auf die etwa 75 ehemals gemeindeeigenen Grundstücke“, erklärt Bauamtsleiter Marc Schneider auf Nachfrage unserer Zeitung. „Rein rechtlich konnten wir als Kommune solche Bestimmungen nämlich nur bei unserem eigenen Boden erlassen. Die von Beginn an privaten Grundstücke waren davon nicht betroffen.“

Beim Fünfvierteläcker gehörte nämlich der Großteil des Bodens schon lange vor der Erschließung als Neubaugebiet nicht der Kommune, sondern Ketscher Bürgern. Darunter beispielsweise auch örtliche Landwirte, die die Wiesen zuvor nutzten und pflegten.

Teilweise gibt es gleich mehrere nebeneinander liegende freie Grundstücke, die aktuell nicht genutzt werden. --- Das Ketscher Neubaugebiet Fünfvierteläcker ist auch bald acht Jahre nach dem Baustart der ersten Gebäude noch nicht komplett: Lediglich bei den ehemals gemeindeeigenen Grundstücken bestand die Pflicht, zeitnah zu bauen. Entsprechend sind bis heute freie Lücken zu finden. © Benjamin Jungbluth

Durch die Umwidmung in Baugrund kam es dann zu einem Umlageverfahren: Das Gebiet wurde neu aufgeteilt und die bisherigen Privatbesitzer erhielten Grundstücke, die in das neue Raster aus Straßenzügen und Wohnbebauung passten.

Die gemeindeeigenen Flächen wurden ebenfalls nach diesem System umgelegt und schließlich separat vermarktet. Hier – und eben nur hier – griff damit sowohl das seinerzeit durchaus umstrittene öffentliche Vergabeverfahren nach Höchstgebot als auch die Vorgaben zur baldigen Bebauung.

Ortsentwicklung: Keine neuen Baugebiete in Ketsch geplant

„Diese Verpflichtungen sind von den neuen Eigentümern allesamt erfüllt worden, weshalb wir auf die weitere Entwicklung des Neubaugebiets und die Bebauung der restlichen Grundstücke keinen Einfluss mehr nehmen können“, bestätigt Schneider.

Somit ist die Ortsentwicklung hier inzwischen abgeschlossen – und weitere Neubaugebiete sind in Ketsch ebenfalls nicht geplant, heißt es aus dem Rathaus. Einer Erweiterung der Wohnbebauung auf die Flächen nördlich der Mannheimer Straße erteilt Bürgermeister Timo Wangler nämlich eine klare Absage. Anders als zu Beginn der Planungen, als die dortigen Felder als „Fünfvierteläcker II“ ins Gespräch gebracht wurden, sieht Wangler dafür bis auf Weiteres keine Notwendigkeit.

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„Ein Teil dieses Geländes ist zwar im Flächennutzungsplan bereits als potenzielles Wohngebiet erfasst, aber wir haben als Gemeinde derzeit schlicht keinen Bedarf und auch keine Mittel. Natürlich ist zusätzlicher Wohnraum immer gut und eine Kommune profitiert schon rein steuerlich von einer steigenden Bevölkerungszahl. Aber gleichzeitig muss dann auch die Infrastruktur mitwachsen, was hohe Kosten verursacht. Und die könnten wir bekanntlich derzeit nicht stemmen“, sagt Wangler.

Von Straßen bis Schulen: Infrastruktur und Kapazitätsgrenzen in Ketsch

Straßen, Kanalisation, Kitas und Schulen, Feuerwehr und Gemeindeverwaltung – alle kommunalen Bereiche und Institutionen müssten bei zusätzlichen Einwohnern im Zweifel vergrößert werden. Doch schon mit dem Fünfvierteläcker sowie dem zeitgleichen Anstieg der Kinderzahlen durch eine verstärkte Zuwanderung und eine erhöhte Geburtenrate kamen insbesondere die Kitas und Schulen in der Enderlegemeinde in den vergangenen Jahren mitunter an Kapazitätsgrenzen.

„Diese zusätzlichen treibenden Faktoren waren zuvor so nicht prognostiziert worden, dieses Problem gab es in ganz Deutschland. Hinzu kommen immer wieder neue Vorgaben von Bund und Land, wie beispielsweise der Rechtsanspruch für die Ganztagsbetreuung von Grundschülern ab dem nächsten Jahr. All das bringt uns Kommunen ohnehin schon an Belastungsgrenzen“, erläutert Bürgermeister Wangler. Ein zusätzliches Neubaugebiet sei da nicht zu stemmen.

Stattdessen gebe es innerhalb des Ortsgebiets noch kleinere Flächen für eine Nachverdichtung, was aus Sicht der Nachhaltigkeit inzwischen sogar präferiert würde. Und das bereits als Neubaugebiet ausgewiesene Areal nördlich der Mannheimer Straße bleibe für Ketsch dadurch noch als letzter Trumpf erhalten.

„So haben wir immerhin eine Reservefläche, falls wir als Kommune künftig doch einmal etwas neu bauen müssen. Würden wir diese Flächen jetzt verkaufen, wären sie endgültig weg“, argumentiert Bürgermeister Timo Wangler.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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