Volkstrauertag

Ketsch: Timo Wangler erinnert daran, die Hoffnung auf Frieden nie zu verlieren

Am Vorabend des Gedenktags am Sonntag erinnern Vertreter der Gemeinde - darunter Bürgermeister Wangler - sowie Schüler und Sänger an die Gefallenen und Opfer der Kriege.

Von 
Volker Widdrat
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Bürgermeister Timo Wangler bei seiner Ansprache in der Trauerhalle auf dem Ketscher Friedhof. © Lenhardt

Ketsch. Bei der Gedenkstunde am Vorabend des Volkstrauertages erinnerten der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Sozialverband VdK und die Gemeinde auf dem Friedhof an die Kriegstoten und die Opfer von Gewaltherrschaft. Die Feier in der Trauerhalle wurde begleitet vom Musikverein 1929 und vom Chor „Cantiamo“.

Die Schüler Giovanni, Joshua, Collin, Denada und Shahd der Klassen 9a und 9b der Neurott-Gemeinschaftsschule hatten sich unter Anleitung ihrer Lehrerinnen Nancy Humbert-Klein und Jennifer Schnurbusch mit dem Gedichtband „#Antikriegslyrik Gedichte für den Frieden“ befasst. Die darin gesammelten Texte von jungen Menschen erzählen von Ängsten, Hoffnungen und dem unerschütterlichen Glauben an den Frieden.

„Ich kenne keinen Krieg. Ich kenne nur Geschichtsbuchkapitel mit Schaubildern und einem spannenden Titel, mit Fakten und Daten und Zahlen und Quoten: Erster Weltkrieg 1914-18 mit 17 Millionen und Zweiter Weltkrieg 1939-45 mit 80 Millionen Toten“, heißt es da. Die Schüler trugen weiter vor: „Ich kenne keinen Krieg, ich kenne nur Nachrichtenbilder, Explosionen in Städten und weinende Kinder, daneben der Sprecher, der sachlich erklärt: Am sechsten Tag der Invasion in der Ukraine haben die russischen Truppen ihre Angriffe verstärkt.“ Die jungen Menschen teilten mit: „Ich kann seine Schrecken nur benennen, doch andere müssen den Krieg durchleben. Ich wünschte, ich wär nicht so machtlos dagegen. Ich wünschte, ein jeder würd ihn wie ich nur noch vom Hörensagen kennen.“

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Der Chor „Cantiamo“ unter der Leitung von Bernhard Sommer sang „Wirf dein Anliegen auf den Herrn“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy und das Kirchenlied „Nun ruhen alle Wälder“ von Paul Gerhardt.

„Es ist schön, in Frieden zu ruhen, aber es ist besser, in Frieden zu leben.“ Bürgermeister Timo Wangler begann seine Ansprache an die Bürgerinnen und Bürger, unter ihnen auch Vertreter des Gemeinderats, mit einem Eintrag, der im Besucherbuch einer Kriegsgräberstätte auf Sizilien zu finden ist. „Am Vorabend des Volkstrauertages möchten wir an jene Menschen erinnern, die gerne länger und vor allem in Frieden gelebt hätten, die aber Krieg und Gewaltherrschaft zum Opfer fielen. Wir gedenken der Toten aus Ketsch und der Toten aus vielen anderen Orten, wir fühlen uns mit den Menschen verbunden, die heute, wie wir, trauern und die Erinnerung an dunkle Kapitel der Geschichte wachhalten wollen.“

Man erinnere an die Soldaten, die in zwei Weltkriegen fielen oder in Kriegsgefangenschaft starben, und an die Zivilisten, die die Bombardierungen ihrer Städte oder die Flucht nicht überlebten. Man gedenke der Frauen, Männer und Kinder, die wegen ihrer politischen oder religiösen Überzeugungen oder wegen ihrer Herkunft in Konzentrationslagern und Gestapo-Gefängnissen ermordet wurden. Aber man erinnere auch an die Opfer von Krieg und Gewalt in unseren Tagen.

Die Feuerwehrkameraden tragen die Gedenkkränze über den Friedhof. © Norbert Lenhardt

Bis vor wenigen Monaten hätten sich die meisten Menschen in Europa nicht vorstellen können, dass in ihrer Nähe noch einmal so ein brutaler Krieg ausbrechen könnte. „Der Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, dass Frieden auch im 21. Jahrhundert ein wertvolles Gut ist, für das es keine Garantie gibt und für dessen Erhalt wir uns alle immer wieder aufs Neue einsetzen müssen“, sagte Wangler. Tod und Trauma seien Themen, die in Deutschland immer wieder gerne verdrängt würden. Für ein Land, dessen Name in Verbindung mit unendlichem Leid stehe, sei dieses Unbehagen verständlich.

Dunkle Seiten nicht vergessen

„Wir müssen jedoch die Erinnerungskultur lebendig halten und die Sprachlosigkeit immer wieder überwinden. Die dunklen Seiten unserer Geschichte können wir nicht abstreifen oder vergessen“, meinte der Bürgermeister. Mit dem Volkstrauertag gedenke man all der Opfer und auch der Millionen getöteter deutscher Soldaten, „allen, die durch Kriege ihre Angehörigen, ihre Heimat und auch ihre Zukunftsperspektive verloren haben, auch jenen Menschen, die heldenhaft Widerstand geleistet und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben“.

Der Volkstrauertag sei aber auch ein Tag des Appells: „Er muss ein Tag der Hoffnung sein. Unsere Hoffnung auf Frieden dürfen wir nie verlieren. Wir vertrauen darauf, dass wir den Herausforderungen gemeinsam und friedlich begegnen werden und einen Weg zur Verständigung finden können.“ Wangler appellierte an die Menschen in der Trauerhalle, „uns mit aller Kraft in Deutschland für Demokratie und Toleranz und in unseren Auslandsbeziehungen für Versöhnung und Verständigung einzusetzen. Unsere europäischen Nachbarn haben uns vor langer Zeit die Hand zur Versöhnung gereicht. Das ist ein wertvolles Geschenk der Geschichte, das es zu bewahren gilt. Dafür ist es notwendig, dass wir das zugefügte Leid nicht vergessen“.

Schüler der Neurott-Gemeinschaftsschule lesen aus einem Antikriegs-Gedichtband. © Norbert Lenhardt

Der Musikverein spielte das Stück „Abide with me“. Zum Lied „Remember“ sprach Nina Zorn Worte des Gedenkens und der Trauer um die Opfer. Unter den Klängen des Trauermarsches begaben sich die Teilnehmer zum Ehrenmal. Der Weg von der Totenhalle bis zur Gedenkstätte wurde von Fackelträgern der Freiwilligen Feuerwehr beleuchtet. Der Musikverein spielte das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“. Bürgermeister Timo Wangler und der VdK-Vorsitzende Willi Dörr legten Kränze nieder und verneigten sich in stillem Gedenken.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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