Ketsch. Es war ein Schock, der die ganze Nation – und vor allem die Freunde des Fußballs – in ein tiefes Tal der Trauer versetzte: Die Lichtgestalt des deutschen Nationalsports, der Kaiser des rollenden Balles, Franz Beckenbauer ist verstorben. Auch ein Ketscher Junge, der der Talentschmiede der Spvgg 06 Ketsch entsprang und in den 1980er Jahren zum Bundesligaspieler wurde, trauert um einen seiner Wegbegleiter. Denn Oliver Kreuzer spielte von 1991 bis 1997 für Bayern München und Beckenbauer war dort zeitweise sogar sein Trainer. In Gedenken an den legendären Kaiser berichtet der heute 59-Jährige über seine Zeit mit dem Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft.
1996: Der Kaiser Franz Beckenbauer übernimmt zum zweiten Mal das Traineramt bei Bayern
Einprägsam ist für den ehemaligen Bundesligaspieler und jetzigen Fußballfunktionär vor allem das Jahr 1996. „Damals standen wir in der Tabelle knapp hinter Bayer Leverkusen. Die Vereinsführung war jedoch überzeugt, dass unser Trainer Otto Rehhagel nicht mehr der richtige Mann für den Gewinn der Meisterschaft ist“, so Kreuzer.
Das Team der Bayern, gespickt mit großartigen Fußballern wie Lothar Matthäus oder Jürgen Klinsmann, hatte auch mit der Boulevardpresse zu kämpfen. Die teilweise schwierigen Charaktere innerhalb der Mannschaft gaben den Medien Anlass, den Verein in den „FC Hollywood“ umzubenennen. Mittendrin war der Verteidiger Oliver Kreuzer, der 1991 vom Karlsruher SC an die Säbener Straße gewechselt ist. Er erinnert sich: „Wir waren im Halbfinale des Uefa-Cups, haben dort den FC Barcelona geschlagen. Trotzdem musste Rehhagel gehen und es kam dazu, dass Franz Beckenbauer die Mannschaft übernahm.“
Das Team mit etlichen Weltmeistern und internationalen Starspielern galt aufgrund der Individualität als schwer trainierbar. Doch mit dem Trainer Franz Beckenbauer wurde alles anders, wie Kreuzer beschreibt: „Als er von Rehhagel übernommen hat, ging ein Ruck durch die Mannschaft. Für uns war er ’der große Franz’, eine absolute Respektsperson, auch für Spieler wie Lothar Mattäus. Wenn der Kaiser zur Spielbesprechung kam, hat man ihm alles abgenommen – er hat uns mitgerissen.“
Die nonchalante Art Beckenbauers bleibt Kreuzer in guter Erinnerung
Wie einfach und doch effizient dies manchmal ging, beschreibt Kreuzer anhand einer Anekdote aus einem Trainingslager am Tegernsee, wo der FC Bayern ein Testspiel gegen Bayer Uerdingen bestritten hatte. Beckenbauer, der viele der Spieler schon von seiner Trainertätigkeit bei der deutschen Nationalmannschaft kannte, zeigte dem Team die Aufstellung der Uerdinger und sprach Klaus Augenthaler an: „Klaus, kennst du da einen?“ – Augenthaler verneinte dies verdutzt, worauf Beckenbauer antwortete: „Ich auch nicht! Also gehts raus und spielt.“ Mehr war nicht nötig, die Art und Weise des Kaisers reichte aus.
„Franz kam in jedem Training in die Kabine und begrüßte jeden von uns – ob Kreuzer, Sternkopf oder Klinsmann – per Handschlag“, erinnert sich Kreuzer. Das gesamte Team, auch die Starspieler, hätten gern unter ihm gearbeitet. Denn Beckenbauer hatte als Trainer laut Kreuzer das Motto „dass es Spaß machen muss“. „Doch gleichzeitig war das Ganze auch mit harter Arbeit verbunden“, so Kreuzer weiter. Bei besagtem Trainingslager am Tegernsee setzte der Kaiser drei Einheiten pro Tag an, was der „FC Hollywood“ ohne Beschwerde mitmachte.
„Wir marschierten wie die Hunde für Franz. Mit seiner nonchalanten Art hat er uns abgeholt, hat Spaß und Ernsthaftigkeit mit unglaublicher Überzeugungskraft vermittelt“, erinnert sich der ehemalige Verteidiger. Dass man als Spieler des FC Bayern durchaus mal weniger an sich arbeiten muss, mit diesem Denken räumte der Kaiser auf und führte den Rekordmeister im Jahr 1996 damit auch zu doppeltem Erfolg.
Dank Beckenbauer: Bayern gewinnt Meisterschaft und Uefa-Pokal
Bayer Leverkusen wurde noch „eingefangen“ und die Münchner wurden Deutscher Meister. Gleichzeitig füllte sich auch die Liste der internationalen Erfolge: Im Finale des Uefa-Cups schlugen die Bayern das französische Überraschungsteam Girondins Bordeaux – damals angeführt von einem jungen Zinedine Zidane – mit 2:0 vor heimischer Kulisse im Olympiastadion und mit 3:1 in Frankreich. Oliver Kreuzer lief dabei im Hinspiel von Beginn an auf.
Zwar bestätigte der Erfolg den damaligen Eindruck, dass alles, was Franz Beckenbauer anfasst, zu Gold wird, doch Kreuzer möchte mit diesem Credo aufräumen: „Bei Franz sah alles immer so einfach aus und es entstand schnell der Eindruck, dass ihm alles ’zugeflogen’ kommt – doch so war es nicht. Er war ein Arbeiter, schon als Spieler – trotz seines herausragenden Talents. Die Erfolge, ob Weltmeister 1974 oder 1990 als Trainer, dahinter steckte immer harte Arbeit. Franz war zu meiner Zeit in München der Erste, der morgens an die Säbener Straße kam, und der Letzte, der abends ging. Er war detailbesessen und immer unvergleichlich gut vorbereitet“.
Auch zu dem Vorschlag, den DFB-Pokal – ähnlich wie in den Niederlanden, wo die Meisterschaftstrophäe den Namen Johan Cruyffs trägt – nach Franz Beckenbauer zu benennen, hat Kreuzer eine klare Meinung: „Das ist eine der Möglichkeiten. Eines ist sicher: Es muss etwas passieren, denn der Name Franz Beckenbauer darf niemals auch nur ansatzweise in Vergessenheit geraten. Er war eine Lichtgestalt, eine einzigartige Person, die es so nicht mehr geben wird. Es war mir eine unvergleichbare Ehre, unter ihm spielen zu dürfen.“
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