Ketsch. Natürlich erscheint die frischgebackene Kammer-, Landes-, und Bundessiegerin des Ausbildungsberufes Modistin nicht ohne ein entscheidendes, modisches Accessoire zum Interview: einem schmucken Filzhut. „Für mich gehört ein Hut zu einem Outfit und es macht unglaublich viel Spaß, einen Hut oder eine andere Kopfbedeckung zu designen. Wenn dann am Ende das gefertigte Stück optimal zum Träger passt, dann ist das einfach fantastisch“, berichtet die 22-jährige Ketscherin.
Die Ketscherin bekommt jetzt auch ein Stipendium und macht den Meisterbrief
Ihre Gesellenprüfung hat Laura Marie Bette im Juli mit großem Erfolg bestanden und räumte eigentlich alles an Preisen ab, was man erreichen kann. „Für mich ist das alles noch etwas surreal, aber natürlich freue ich mich sehr über den Erfolg. Mit dem Bundessieg, bei dem ich einige Konkurrenten hatte, geht nun auch ein Stipendium einher, was mir nun die Türen öffnet, vielleicht den Meisterbrief zu machen“, ergänzt sie glücklich.
Doch was bewegt einen jungen Menschen, das traditionelle Handwerk des Modisten, also des Hutmachers, zu erlernen? Die sympathische Ketscherin erklärt es gerne: „Obwohl ich nach meinem Abitur zunächst dachte, Lehrerin werden zu wollen, habe ich mich für eine Ausbildung entschieden. Nach einem FSJ in einem Hort war mir klar, zeitweise macht mir das Spaß, aber Lehrerin werde ich nicht. So überlegte ich, was mir eigentlich besonders gut liegt. Ich bin schon immer kreativ und auch handwerklich begabt. Zunächst überlegte ich, eine Ausbildung zur Schneiderin oder Bühnenmalerin zu machen, und dann tatsächlich fand meine Mutter eine Stellenanzeige von Hut Konrad in Mannheim. Dort wurde eine Ausbildung zur Modistin angeboten und ich machte ein Praktikum dort. Sofort spürte ich, die Modisterei ist meine Liebe.“
Auch die Familie und ihre Freunde sind sich einig: Laura Marie und dieser Beruf – das „matched“. In der dreijährigen Ausbildung musste sie immer einmal wöchentlich zur Berufsschule nach Stuttgart und war dort im Jahrgang die einzige Modistin. Bei Hut Konrad gäbe es derzeit drei Auszubildende und Inhalte der Ausbildung seien unter anderem das Wissen um Hutmodelle, deren Herstellung, die Kenntnis von Materialien wie Stoff, Stroh und Filz und deren Verarbeitung, aber auch Wirtschaft und Mathematik sei gefragt.
„Hüte sind wieder im Trend und die Kunden kommen auch mit ganz klaren Vorstellungen zu uns, die wir dann in Handarbeit umsetzen. Fascinator für Bräute oder besondere Anlässe sind genauso gefragt wie Hüte für jeden Tag. Frauen und Männer tragen gleichermaßen Hut, und je nach Saison ändern sich die Materialien und Farben.“
Die individuelle Betreuung der Kunden sei sehr wichtig und es mache viel Spaß, in einem schönen Atlier zu arbeiten, bekräftigt die frisch ausgebildete Modistin. Stammkunden kämen genauso in den Laden wie Spontankäufer oder Kunden, die von weiterher kommen, denn klassische Hutgeschäfte mit Modellen, die eben nicht maschinell gefertigt, also quasi „von der Stange“ sind, wären mittlerweile rar.
Stroh, Stoff, Filz: Die Hutvariationen der Ketscherin sind vielseitig
Oft dauere es Tage bis Wochen, je nach Material und Aufwand, bis ein Hut fertiggestellt sei, dafür habe man anschließend ein Unikat und oft ein Accessiore für eine lange Zeit, denn nicht selten würden Hüte auch umgestaltet. „Für die Gesellenprüfung mussten wir im praktischen Teil drei Hüte anfertigen. Einen Strohhut und einen Stoffhut nach eigenem Design und ein Filzhut musste nachgearbeitet werden. Für diese drei Werkstücke hatten wir drei Tage Zeit. In der schriftlichen Prüfung ging es dann um Wirtschaft und Mathe sowie Gestaltung und Technologie“, sagt die junge Handwerkerin.
In beiden Bereichen konnte Laura Marie Bette mit Bestleistungen überzeugen. „Bei der Vergabe des Bundessieges in Berlin war es sehr spannnend, sich mit anderen Preisträgern zu unterhalten, die auch ganz heute vielleicht nicht mehr so gängige Ausbildungen absolviert haben wie Sattler oder Instrumentenbauer. Ich kann allen, die gerade vor der Berufswahl stehen, auf alle Fälle nur raten, sich mit einem Praktikum einen Überblick zu verschaffen, ob ein Beruf zu einem passt. Auch wenn man im Gymnasium nicht selten viel mehr auf Studiengänge hingewiesen wird als auf die Vielfalt der Ausbildungsberufe, sollte man als Abiturient auch diese Optionen genau für sich prüfen. In einem Beruf zu arbeiten, der einem Freude bringt und liegt, ist etwas richtig Schönes“, so die Bundessiegerin.
Wie für sie persönlich der Weg nun weitergeht, sei derzeit offen. „Es gibt viele Ideen. Vielleicht wird es der Meisterbrief, vielleicht setzte ich noch eine weitere Ausbildung beispielsweise als Schuhmacherin auf, oder ich sammle als Modistin noch mehr Erfahrungen. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten. Jetzt nutze ich erst mal die Feiertage, um über alles nachzudenken“, schließt die Modistin das Gespräch und nimmt ihren Hut – übrigens einer von über 20, die sie in ihrem privaten Kleiderschrank hat.
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