TSG Ketsch

Kinder in Ketsch lernen sich zu behaupten: „Ich gehe nie mit Fremden mit“

In Kooperation mit der Hockenheimer Wing-Tsun-Schule lernen 50 Mädchen und Jungen wichtiges Verhalten und Selbstverteidigung, nachdem Fremde Kinder vor der Schule angesprochen haben sollen.

Von 
Marco Montalbano
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Wing-Tsun-Trainer Andreas Klostermann bringt den Kindern bei, sich selbst zu verteidigen und sich allgemein zu behaupten. © Montalbano

Ketsch/Hockenheim. Das gesellschaftliche Klima scheint unaufhörlich auch außerhalb der großen Städte rauer zu werden, vorsichtig ausgedrückt, was besonders für die Schwächsten wie unsere Kinder gefährlich ist. Egal, ob auf dem Schulhof oder außerhalb davon – es ist wichtig, die Jüngsten zu stärken und ihnen zu zeigen, wie sie mit verbalen und physischen Formen des Übergriffs umgehen. Die TSG traf mit ihrer neuen Kooperation mit der Wing-Tsun-Schule Hockenheim für Kinder von sechs bis 14 Jahren, in der sie lernen, sich selbst zu behaupten, einen Nerv. Schon für den ersten mehrstündigen Workshop letzte Woche hatten sich 50 junge Mitglieder angemeldet. Auch neueste Ereignisse in Ketsch zeigen, wie wichtig ein solches Angebot ist.

„Ich gehe nie mit Fremden mit!“ schreit die Kindergruppe in der TSG-Halle vor Sifu (in etwa „Meister“) Andreas Klostermann. Schon über eine Stunde hat der Schulleiter und Headcoach, der unter anderem auch Fachtrainer für Gewaltprävention, Kinder- und Frauen-Selbstverteidigung ist, mit ihnen gearbeitet. Nun trauen sie sich, laut und selbstbewusst zu sein und laut „nein“ zu sagen. Er setzt sich auf eine Bank und Lehrerin Julia Mergenthaler lässt sie nacheinander an ihm vorbeilaufen. Er spricht sie an, mal sofort aggressiv, mal listig, spielt er vor, er hätte Schmerzen, mal lädt er sie ein, seine tollen Puppen zu sehen.

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Dem Zuschauer wird mulmig. Doch die Kinder scheinen ihre Lektion gelernt zu haben. „Nein, ich habe keine Zeit“ oder „Nein, ich will nicht“, sagen sie bestimmt. Dann wird er zudringlich, packt sie am Arm. Sie reißen sich los. Er und seine Co-Trainerin laufen ihnen hinterher. Sie rennen weg. „Hattet ihr Angst?“, fragt er danach und ergänzt: „Ich hatte welche, vor mir selbst.“

Im Einzeltraining steht die kleine Mayra vor dem großen Mann – er fordert Geld. Es ist eine Schulhofsituation. „Ich bin jetzt zwölf Jahre alt und mehrere Klassen über dir“, sagt der Sifu. Doch Mayra weiß, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten muss. Laut lehnt sie ab und schaut grimmig. „Ich rufe die Lehrerin“, schreit sie ihn an. Der Aggressor hat keine Chance. „Gut gemacht“, lobt der Schulleiter. Danach darf wieder gespielt werden. Die Kinder rennen. Sie sind stolz auf sich.

Angebot findet in Ketsch sofort Anklang

Mit etwas Abstand beobachtet Evelyn Biemer zufrieden das Training. Bei der TSG Ketsch ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Die Idee für die Zusammenarbeit stammt von Übungsleiterin Uschi Mühlinghaus“, sagt sie. Das Angebot habe sofort bei ihr und dem Vorstand Anklang gefunden, danach auch bei den Mitgliedern. „50 Anmeldungen sind es für den Selbstverteidigungskurs, bei dem es vor allem um Selbstbehauptung geht. In zwei Gruppen sind es jeweils Kinder von sechs bis acht und von neun bis 14 Jahren, die zusammen trainieren. Toll finde ich die große Bandbreite. So werden eine ganze Reihe von Situationen durchgespielt, von der Belästigung und Erpressung von kleineren Kindern durch Schüler aus höheren Klassen auf dem Schulhof bis hin zur Ansprache und Belästigung durch erwachsene Männer auf der Straße.“

Sifu Andreas Klostermann bringt den Kindern bei, wie sie sich am besten in kritischen Situationen verhalten. © Marco Montalbano

Wie aktuell und vor allem nötig ein solcher Kurs zu sein scheint, zeigten die neusten Ereignisse: „In den sozialen Medien ist die Rede davon, dass vor Kurzem unbekannte Männer kleine Kinder vor Schulen in Ketsch angesprochen haben. Aus dem Auto heraus.“ Ein Mädchen aus der Trainingsgruppe bekommt dies mit und bestätigt spontan: „Das stimmt, das war meine Freundin, die angesprochen wurde.“

Die große Resonanz auf das neuste Angebot des größten Vereins der Enderlegemeinde mit weit über 1200 Mitgliedern zeige, dass der Bedarf vorhanden sei. Die Fortsetzung der Kooperation sei daher sehr wahrscheinlich: „Angedacht ist ein weiterer Kurs im Frühjahr. In welcher Frequenz das Angebot danach stattfindet, steht noch nicht fest. Das hängt auch von der zukünftigen Nachfrage ab.“

Freier Autor Freier Journalist. Davor Pressereferent. Studium der Politikwissenschaft.

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