Ketsch/Brühl. Dass auch die katholische Kirche unter Personalmangel leidet, ist keine ganz neue Nachricht. Auf allen Ebenen – weit über das Pfarramt hinaus – fehlen der Kirche Mitarbeiter. Neu ist dagegen, dass in Sachen Struktur jetzt massiv eingegriffen wird. Und massiv ist in diesem Zusammenhang das richtige Adverb. Denn von den derzeit 1050 Pfarrgemeinden im Bereich der Erzdiözese Freiburg sollen bis 2026 lediglich 36 übrig bleiben.
Das ist ein Schritt, der in den Augen von Pfarrer Erwin Bertsch aus verwaltungstechnischer Sicht durchaus dazu geeignet ist, vor die Welle vieler Probleme zu kommen. Leider, so Bertsch, entferne sich die Kirche damit aber auch ein Stück weit von den Menschen. Es sei eine fast logische Folge, in immer größer werdenden Strukturen leide der unmittelbare Kontakt zu den Menschen.
Kirchengemeinde Mittlere Kurpfalz kommt 2026 – „Ganz sicher nicht befriedigend“
Es sei jedenfalls so, dass auf einen Pfarrer mehr Verwaltungsarbeit zukäme, was zur Folge habe, dass weniger Zeit für den Menschen bleibe. „Geweiht wurden wir alle aber klar für Letzteres.“ Bertsch machte im Gespräch mit unserer Zeitung kein Geheimnis daraus, dass er der Strukturreform eher skeptisch gegenüberstehe. „Notwendig vielleicht, aber ganz sicher unbefriedigend“, so sein Urteil über den Zusammenschluss der Pfarreien.
Wobei er das gleich auch wieder einschränkt. In Gedanken spielte er kurz durch, dass es doch auch möglich gewesen wäre, die im Kirchenrecht verankerte Pflicht, dass eine Pfarrgemeinde zwingend von einem geweihten Pfarrer geleitet werden muss, aufgeweicht werden könne.
Neun Gemeinden werden 2026 zur Großgemeinde Mittlere Kurpfalz – Formalitäten zu klären
Den ganzen Verwaltungskomplex könnte doch auch ein nicht geweihter Mensch machen. So würde den Priestern wieder mehr Zeit für ihre originäre Aufgabe bleiben. Und diese sei stets nah am Menschen zu finden. Doch möglicherweise ist dieses Kirchenrechtsbrett noch dicker als das Brett dieser Zusammenlegung – und auch in der Kirche scheint man beim Bohren die dünnen Bretter den dicken vorzuziehen.
So finden sich ab 2026 die neun Gemeinden Schwetzingen, Hockenheim, Brühl, Oftersheim, Plankstadt, Ketsch, Reilingen, Alt- und Neulußheim in einer einzigen großen Pfarrgemeinde wieder. Ziemlich groß, aber weit weg von der Spitze. Bei den dann 36 Pfarrgemeinden in der Erzdiözese Freiburg belegt diese neue, in der auch Brühl und Ketsch liegen werden, den Platz 34. An der Spitze befinde sich die künftige Pfarrgemeinde Bruchsal.
Positiv bewertete Bertsch, dass die Reform dazu führt, dass Kirchengemeinde (staatspolitischer Begriff) und Pfarrgemeinde (kircheninterner Begriff) räumlich gesehen deckungsgleich würden. Doch im täglichen Leben der Menschen und der Kirche käme dem letztlich dann doch keine so überragende Bedeutung zu. Das Projekt ist trotz Zweifel einiger in und vor der Kirche eingetütet.
Auch der Name der neuen Kirchgemeinde steht schon fest. In Zukunft wird sie römisch-katholische Kirchengemeinde Mittlere Kurpfalz heißen. Bertsch zeigt sich enttäuscht, dass man sich nicht auf die sogenannte Patronatskirche, also die Hauptkirche der Großgemeinde, einigen konnte.
Auch Ketsch ist noch im Rennen als Patronatskirche für die Kirchengemeinde Mittlere Kurpfalz
Im Rennen sind laut Bertsch die Kirchen St. Pankratius in Schwetzingen, St. Georg in Hockenheim und St. Sebastian in Ketsch – die Brühler Schutzengelkirche steht nicht auf der Liste. Dass die Entscheidung nun nicht vor Ort getroffen wird, bedauert Bertsch. „Das wäre besser gewesen.“ Gerade auch weil der Entscheid für eine Kirche als Patronatskirche nicht heißt, dass die anderen Kirchen im Schatten stünden. Nun muss eben der Erzbischof in Freiburg entscheiden.
Bis Ende des Jahres, so der Plan, stünde auch fest, welcher Pfarrer an der Spitze der neuen Pfarrgemeinde steht. Das Bewerbungsverfahren für die 36 Pfarrgemeinden liefe und Bertsch ist gespannt, ob sich genügend Aspiranten finden.
Für ihn selbst spielt das alles nicht mehr wirklich eine Rolle. Er sei bald in Pension – da müssten andere die Verantwortung übernehmen. Und diese Verantwortung werde nicht kleiner. Bertsch weiß, dass die Kirche eine funktionierende Struktur brauche. Aber darüber dürfe die Institution Kirche nicht in eine Selbstbeschäftigungsspirale geraten, über die hinweg sie den Menschen aus den Augen verliert. „Kirche ist am Menschen oder sie ist nicht.
Die Kraft der Kirche speist sich aus genau einer einzigen Quelle, dem Menschen.“ Hoffnung mache da die Projektplanung Kirchenentwicklung vor Ort. Vom „Einsatz für Menschen“ bis zu „Gemeinsam Glauben feiern“ wurden sieben Themen identifiziert, mit denen die neue Kirchenstruktur mit Leben gefüllt werden soll.
Für diese Kirche von morgen gibt es am Donnerstag, 28. September, um 19.30 Uhr, im Pfarrheim Ketsch eine Auftaktveranstaltung, zu der Interessierte eingeladen sind. In den Augen Bertschs ein wichtiger Termin, denn so könne die Strukturreform auch inhaltlich unterfüttert werden. Und nichts sei für die Zukunft der Kirche wichtiger. „Der Inhalt ist das Fundament, nicht die Struktur.“
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