Ketsch. Dass die Vergangenheit und die Gegenwart Parallelen zeigt und dies vielleicht nicht ganz ungefährlich werden kann, damit wurden die Kinobesucher am vergangenen Freitag im Ketscher Central Kino spätestens in der bewegenden Podiumsdiskussion im Anschluss des Filmes „Sie nannten uns die Krauts“, gedanklich konfrontiert.
Der Film, der als „Oral-History“-Produktion von der aus der Region stammenden Schauspielerin und Regisseurin Sina Seiler gedreht wurde, nimmt die Zuschauer mit auf eine Zeitreise der besonderen Art. Protagonist des 22-minütigen Films ist der 1929 geborene Bernhard Fuchs aus Hockenheim, der als Zeitzeuge authentisch, ehrlich und eindringlich von seiner Jugend erzählt, in der er bereits im Alter von zehn Jahren zunächst zum Jungvolk und danach zu Hitlerjugend kam.
Kurzfilm in Ketsch: Tabakscheune und Sauerkrautherstellung
Kulisse des Ganzen ist nicht, wie es in vielen Zeitzeugenverfilmungen der Fall ist, die graue Wand, sondern ein 1837 errichtete Tabakscheune, in welcher der ehemalige langjährige CDU-Gemeinderat und engagierte Hockenheimer der traditionellen Sauerkrautherstellung nachgeht. Untermalt wird der Film von einer eigens für die Produktion komponierten Filmmusik, in der das dumpfe Geräusch des Sauerkrautstampfens immer wieder eingearbeitet ist.
Fuchs indes erzählt im Film von seinen Erinnerungen an diese Zeit, auch davon, wie groß die Begeisterung gerade in der Jugend für die von den Nationalsozialisten initiierten Gruppen und deren Aktivitäten waren.
„Ich kam 1939 zum Jungvolk und jeder wollte dabei sein. Wir lebten in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise 1930 bedeutete über fünf Millionen Arbeitslose. Hunger und Hoffnungslosigkeit waren die großen Themen. Viele waren erstmal nicht von der Hitlerpartei überzeugt, doch es gab unter anderem durch den Autobahnbau Arbeit und somit Lohn“, berichtet Fuchs.
"Wir marschierten durch Hockenheim und alle jubelten uns zu"
„Wir Jugendlichen trafen uns beim Jungvolk und es wurden Spiele gemacht, und Wanderungen und erst im Nachhinein wurde mir viel später klar, dass hier schon erste Vorübungen für das Soldatenleben gemacht wurden. Wir marschierten singend durch Hockenheim und alle jubelten uns zu“, so Fuchs.
Seine Eltern, insbesondere seine Mutter, haben ihm jedoch immer gesagt: „Sei nicht zu forsch, halte dich zurück“, was ihn sehr prägte. „Zehn Tage vor Kriegsende bekam ich den Stellungsbefehl, jedoch mein Vater erlaubte es nicht, dass ich mich in Heidelberg meldete“, berichtet Fuchs in der Podiumsdiskussion nach dem Film, die von Doris Steinbeißer moderiert wurde.
Auch Regisseurin Sina Seiler, Dr. Oliver Langewitz vom Filmboard Karlsruhe und Dr. Harald Stockert vom Marchivum nahmen auf dem Podium Platz und gaben interessante Einblick in ihre Eindrücke und Perspektiven.
Auch im Ketscher Kino: Zeitzeugen bauen Brücken in die Vergangenheit
„Es ist besonders wertvoll, wenn Zeitzeugen erzählen, denn sie bauen Brücken in die Vergangenheit voller Emotionen“, so Stockert. Bernhard Fuchs schildert sichtlich bewegt: „Manche schlimmen Szenen und Vorkommnisse, die ich im Alter von erst vier Jahren erlebte, sind tief in meinen Gedanken, dies verliert man zeitlebens nie und ich warne an dieser Stelle: Die aktuelle politische Entwicklung im Osten ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung. Ich sehe Parallelen zu den politischen Entwicklungen 1933. Und auch heute gelingt offensichtlich die Einflussnahme auf die Jugend so wie damals.“
Noch lange nach dem Film beteiligte sich das Publikum mit Fragen ganz intensiv an der Diskussion. „Wie lässt sich, was in der Vergangenheit war, für die Zukunft vermeiden? Wie erreicht man die Jugend? Vielleicht sei dabei ein genaues Betrachten der Umstände damals genauso wichtig wie eine Ansprache der folgenden Generationen abgestimmt auf deren Bedürfnisse.
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