Ketsch. In dieser Woche verstarb Frank Farian im Alter von 82 Jahren in Miami. Er war einer der erfolgreichsten deutschen Pop-Musikproduzenten, die es jemals gab. Doch nicht nur bekannte und prägende Welthits, die der aus Kirn bei Bad Kreuznach stammende Wahlamerikaner zu manchen Zeiten wie am Fließband – unter anderem mit der Band „Boney M.“ (Daddy Cool) – produzierte, bleiben in Erinnerung.
Der Skandal um die Band "Milli Vanilli" wird in einem aktuellen Kinofilm aufgegriffen
Auch mit diversen Skandalen, man denkt an den stimmlichen Betrug mit Pop-Duo „Milli Vanilli“, deren Geschichte aktuell in den Kinos zu sehen ist, bleibt der Name Farians unwiederbringlich verknüpft. In Ketsch lebt und arbeitet Alexander Hönig (kleines Bild), der selbst ein erfolgreicher und erfahrener Musikproduzent und Gitarrist ist. Wir haben ihn zu seiner Meinung über Frank Farian, das Musikgeschäft im Allgemeinen und über die Entwicklung der Branche befragt.
Hallo Herr Hönig, Sie sind selbst Musikproduzent. Haben Sie je Frank Farian getroffen? Wie stehen Sie zu dem kürzlich Verstorbenen?
Alexander Hönig: Persönlich getroffen habe ich ihn nie, doch sicher habe ich eine ganz eigene Meinung zu Frank Farian, besonders was die Geschichte und die Geschehnisse rund um die Band „Milli Vanilli“ betrifft. Als dieses wirkliche Drama passierte und alles ans Licht gekommen ist, habe ich persönlich gedanklich mit Farian abgeschlossen. Mit dieser Geschichte wurde bei mir eine Grenze überschritten und ein Zurück gab es dann nicht mehr.
Können Sie dies näher erläutern? Wieso war hier bei Ihnen die Grenze überschritten?
Hönig: „Gerne – „Milli Vanilli“, also Robert Pilatus und Fabrice Morvan waren wirklich beides exzellente Musiker und ich kenne die Arbeit, welche die beiden selbst machten. Sie haben einen Verlag gesucht, der ihre Musik produziert und kamen so zu Frank Farian. Er versprach den beiden einen Produktionsvertrag, wenn sie davor ein Projekt von ihm umsetzen. Dies war dann der spätere Skandal, denn Charles Shaw, der in Mannheim lebt, war die echte Stimme von „Milli Vanilli“. Die Jungs selbst waren sozusagen bei diesem Projekt nur die „Perfomer“, was völlig schade war, denn beide waren wie gesagt selbst erstklassige Musiker, die durch Verträge in eine Schiene rutschten, die alles andere als gut war. Wie tragisch das Ganze ausging, ist bekannt.
Wie hat sich die Musik und die Branche entwickelt. Welche Rolle spielt die Vermarktung?
Hönig: Früher zeichneten sich Musiker allgemein mehr durch die Inhalte ihrer Texte aus, was vielleicht daran lag, dass durch die Musik und stellenweise nur durch die Kunst und Musik eine Art Protest gegen die Gesellschaft oder Politik möglich war. Die künstlerische Freiheit eben. Ob dabei ein Sänger besonders gut aussah, toll tanzen oder performen konnte, war oft nicht wichtig. Dies hat sich geändert.
Inwiefern hat sich das Ganze denn geändert?
Hönig: Heute spielt die Vermarktung oft eine große Rolle und dies liegt dann wieder an den Hörern, die Songs in die Charts wählen. Hier muss das „Komplettpaket“ stimmen, also der ganze Mix aus Stimme, guter Musik, Optik und Bühnenpräsenz eines Sängers oder einer Gruppe. Damit wird Geld verdient, denn es muss Massen begeistern. Mir persönlich ist allerdings nach wie vor die echte Musik mit sinnvollen Inhalten wichtig. Allerdings habe ich auch den Vorteil, dass ich als Produzent natürlich gerne erfolgreich bin, aber nicht davon leben muss. Somit kann ich ganz anders an Projekte herangehen.
Sind die Produzenten also erfolgsgetrieben und denken nur an die monetäre Seite? Passieren dadurch die immer wieder auftauchenden Skandale?
Hönig: Darüber hat jeder seine eigene Auffassung und seine persönliche Herangehensweise. Dieter Bohlen als Musikproduzent beispielsweise würde ich auch als durchaus erfolgsgetrieben einordnen. Allerdings hat er meines Erachtens nicht so viele Leichen im Keller. Schlussendlich sind es eben die Hörer von Musik, die den Markt bestimmen und leider oft nicht die Qualität der Musik oder Texte.
Die technischen Möglichkeiten haben sich weiterentwickelt. Was bedeutet dies aus Ihrer Sicht für die Musik?
Hönig: Mit einem modernen Tonstudio ist natürlich vieles machbar, doch ich würde sagen, bis vor Kurzem musste eine stimmliche Grundqualität bei jedem Sänger da sein. Durch Künstliche Intelligenz (KI) ändert sich hier allerdings einiges. Um es vielleicht so zu benennen: Die KI schafft hier Möglichkeiten für Betrug und dies dann auch noch quasi legitim. Ich stehe dieser Entwicklung mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Musikbranche? Was sollte dabei eine wichtige Rolle spielen?
Hönig: Jede Menge echte und gute Musiker und ein Publikum, was den Wert von ehrlicher Musik mit guten Texten zu schätzen weiß.
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