Reanimation

Nach Herzstillstand: Ketscherin rettet einer Tanzfreundin das Leben

Bei einem Tanzevent der Ketscher Tanzfreunde erleidet eine Teilnehmerin einen plötzlichen Herzstillstand. Eine andere Teilnehmerin, Monika Lopp, beginnt sofort mit der Reanimation und ein Defibrillator wird organisiert.

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Henrik Feth
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Während einer Tanzveranstaltung vor ein paar Wochen erleidet Julsima Rittlinger (l.) einen Herzstillstand. Die sofortige und fachkundige Reaktion durch Monika Lopp und weiteren Ersthelfern rettet ihr das Leben. © Gans

Ketsch. Es sind Bilder, die 2021 um die Welt gingen: Bei warmen Temperaturen im Juni ist die Fußball-Europameisterschaft gerade gestartet, in Kopenhagen läuft das erste Gruppenspiel zwischen Dänemark und Finnland. Kurz vor der Halbzeitpause hat der dänische Superstar und Spielmacher Christian Eriksen den Ball, spielt diesen in den Strafraum. Was sich in den Sekunden danach ereignet, bleibt wohl jedem Fußballfan im Gedächtnis: Ohne Fremdeinwirkung sackt der Däne zusammen, bleibt regungslos liegen.

Herzstillstand – sofort eilen Sanitäter und Ärzte auf den Platz, die Spieler sind geschockt, haben zum Teil Tränen in den Augen. Eriksen kämpft vor einem Millionenpublikum um sein Leben, seine Mannschaftskameraden bilden einen Sichtschutz, währen die Reanimation läuft. Nach Minuten des Zitterns und Bangens wird Eriksen vom Platz getragen – wiederbelebt, heute spielt er wieder. Ein Fall, der zeigt, dass es beim Sport auch im kardiologischen Bereich zu Notfällen kommen kann.

Bei den Ketscher Tanzfreunden fängt der Nachmittag mit guter Stimmung an

Drei Jahre später, über 900 Kilometer entfernt und abseits von Fernsehkameras wird bei den Ketscher Tanzfreunden das beliebte Tanzen für alle sieben Linedance-Gruppen des Vereins in der Rheinhallengaststätte abgehalten – es herrscht eine frohe Stimmung, auch Angehörige und Freunde sind zugegen. So auch Monika Lopp, die seit neun Jahren bei den Tanzfreunden aktiv ist und den Nachmittag sichtlich genießt.

Wenige Meter von ihr entfernt übt Julsima Rittlinger einige Line-Dance-Schritte. „Ich hab während dem Tanzen kurz auf Julsima geschaut und gesehen, dass sie plötzlich ganz große Augen bekommen hat“, berichtet Lopp. Und dann ist ein Schlag zu hören: Wie aus dem Nichts kippt Rittlinger um, schlägt sich den Kopf auf dem harten Boden blutig.

„Bis zu diesem Zeitpunkt war es eine tolle und fröhliche Veranstaltung“, erinnert sich der Tanzfreunde-Vorsitzende Günther Klefenz. Denn der Sturz der 66-jährigen Rittlinger ist mehr, als es zunächst den Anschein macht, wie Lopp beschreibt: „Mir war sofort klar, dass hier etwas Schlimmes passiert ist. Ich bin zu Julsima gerannt und habe gemerkt, dass sie nicht mehr atmet.“

Die Ketscherin Monika Lopp beginnt sofort mit der Reanimation

Die Altlußheimerin hat einen Herzstillstand erlitten und nun ist das richtige Handeln gefragt. Monika Lopp, die vor etwas mehr als sechs Jahren ihren letzten Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat, ging sofort an die Reanimation: „Ich habe direkt angefangen zu pumpen und habe von meiner Umgebung nichts mehr mitbekommen. Ich war förmlich in einem Tunnel“, beschreibt die 68-Jährige.

In der Rheinhallengaststätte war nun Ruhe und Besonnenheit gefordert. Viele der Teilnehmer sind in einem Schockzustand, während Lopp, bei der lebensrettenden Maßnahme unterstützt von Monika Gottselig, um Julsima Rittlingers Leben kämpft. Zur gleichen Zeit behalten weitere Tanzfreunde ebenfalls einen ruhigen Kopf: Sabine Salamon verständigt umgehend den Rettungsdienst, während weitere Teilnehmer versuchen, einen Defibrillator zu organisieren.

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Hierbei kommt ein Problem auf: Zwar gibt es einen solchen in der Rheinhalle, jedoch auf einer anderen Etage, zu der der Verein keinen Zugang hat. Doch das Glück ist den Tänzern an diesem Tag auch etwas wohlgesonnen: Jugendleiterin Petra Oswald arbeitet im wenige Meter entfernten Schwimmbad, das zu dieser Zeit bereits geschlossen hatte, wo sich jedoch ein weiterer Defibrillator befindet. Sie nimmt sofort Kontakt zu Bäderleiter Armin Luksch auf, der im Gebäude nebenan wohnt und das lebensrettende Gerät so schnell wie möglich zur leblosen Julsima Rittlinger bringt.

Defibrilator ist da: Leblose Altlußheimerin hat wieder eine bessere Überlebenschance

Parallel dazu betreibt Lopp weiterhin die Wiederbelebung, inzwischen unter telefonischer Anleitung eines Sanitäters. Noch vor dem Eintreffen des Rettungswagens samt Notarzt kommt Armin Luksch mit dem Defibrillator in die Rheinhallengaststätte und muss diesen sofort zum Einsatz bringen. Kurz darauf trafen auch schon die benachrichtigten Johanniter ein. „Sofort sind alle Beteiligten auf Abstand gegangen, um nicht im Weg zu stehen“, berichtet Lopp.

Dann das Signal, welches die Anspannung im Raum lockert: „Wir haben sie wieder“.

Auch für Lopp eine Erleichterung: „Dann ist es von mir abgefallen und ich habe meine Umgebung wieder bewusster wahrgenommen.“ Für Julsima Rittlinger, die nun wieder ins Leben zurückgekehrt ist, geht der Kampf weiter: Im Rettungswagen wird sie noch zweimal mit dem Defibrillator „geschockt“, bevor es auf die Intensivstation im Speyerer Diakonissenkrankenhaus geht.

„Die Stimmung war danach natürlich sehr bedrückt, einige Teilnehmer konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Doch es ist alles gut ausgegangen und wir sind erleichtert“, so Helga Klefenz von den Tanzfreunden, die ebenfalls vor Ort war und zu den Ersthelfern zählte.

Der Ehemann der Altlußheimerin kann es zunächst nicht glauben

Die Beisitzerin bei den Tanzfreunden informierte auch den Ehemann von Julsima Rittlinger. „Ich konnte es zunächst nicht glauben, dachte, sie hatte einen Kreislaufkollaps. Doch mit dem Fortgang des Telefonats wurde mir klar, dass es ernst ist“, berichtet Klaus Rittlinger von der Hiobsbotschaft.

Sofort verständigt er seine Tochter und gemeinsam fahren sie von Altlußheim nach Ketsch, ändern jedoch währenddessen das Ziel Richtung Speyer. Im Diakonissenkrankenhaus wird Julsima Rittlinger in der Zwischenzeit stabilisiert, erhält via Herzkatheter drei Gefäßstützen – sogenannte Stents – und wird in ein künstliches Koma versetzt, aus dem sie zwei Tage später zur Freude ihrer Angehörigen erwacht.

Dass die 66-Jährige etwas mehr als zwei Wochen nach diesem Notfall wieder das blühende Leben ist und sogar den ein oder anderen Tanzschritt wagt, grenzt an ein Wunder. „Ich bin so dankbar, dass so besonnen und gut reagiert wurde. Von Monika Lopp, aber auch allen anderen, die mir praktisch im Verbund das Leben gerettet haben. Wir waren auch schon bei der Johanniter-Rettungswache und haben uns persönlich bei den Sanitätern bedankt“, berichtet Rittlinger, die sich aktuell in ambulanter Reha in Ludwigshafen befindet und Tag für Tag Fortschritte macht.

Die Erinnerungen an die unmittelbare Zeit vor dem Herzstillstand in Ketsch sind weg

Erinnern kann sie sich an das Ganze nicht: „Ich weiß nur noch, wie ich von Altlußheim nach Ketsch zum Tanzen gefahren bin.“ Alles andere sei weg. Und dass sie sich bei dem Sturz eine Platzwunde eingefangen hat und bei der Reanimation zwei Rippen gebrochen wurden, sieht die Altlußheimerin als kleines Übel – es hätte noch viel schlimmer ausgehen können.

Dieser glimpfliche Ausgang fußt dabei auf mehreren Fügungen: Monika Lopps gute Erinnerungen an den Erste-Hilfe-Kurs vor einigen Jahren, der ruhigen und besonnenen Reaktion einiger Tanzfreunde sowie dem schnellen Beschaffen des Defibrillators. Vonseiten der Sanitäter gibt es Lob, wie Helga Klefenz berichtet: „Die Johanniter haben von einer vorbildlichen Rettungskette gesprochen.“

Nichtsdestotrotz sehen die Tanzfreunde den Vorfall als einen Weckruf, nicht nur für sich selbst, sondern für alle Ketscher Vereine. „Wir werden bei unserer nächsten Versammlung über ein Notfallkonzept sprechen, damit in einer solchen Notlage in Zukunft jeder weiß, was zu tun ist. Ich denke, dass auch die anderen Vereine so etwas in Erwägung ziehen sollten“, zieht Günther Klefenz ein Fazit. Mit der Gemeinde seien die Tanzfreunde bereits in Kontakt getreten, um in der Rheinhallengaststätte einen weiteren, für alle zugänglichen Defibrillator zu installieren.

Risiko bei Sport besteht zwar, doch Tanzen birgt auch in Ketsch keine Gefahr

Wie eingangs beschrieben, birgt jeder Sport auch ein gewisses Risiko – ob Fußball oder Tanzen. Dies bedeutet jedoch nicht gleichzeitig, dass eine Gefahr davon ausgeht. „Man hat keine Gewalt über so etwas. Julsima war zuvor nicht herzkrank. Der Herzstillstand hätte in ganze anderen Situationen passieren können und dann wären eventuell keine Helfer vor Ort gewesen“, resümiert Klaus Rittlinger.

„Ich bin einfach nur froh, dass Julsima noch da ist“, erzählt Monika Lopp emotional und möchte gleichzeitig darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, seine Ersthelfer-Kenntnisse in einer gewissen Regelmäßigkeit aufzufrischen, um in solchen Situationen handlungsfähig zu sein. Denn dank diesen ist Julsima Rittlinger noch am Leben.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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