Ketsch. Klar, die Welt geht nicht unter, wenn der Jugendbeirat wegen Mitgliedermangel aufgibt. Aber, und daran lässt der Haupt- und Ordnungsamtsleiter Ulrich Knörzer keinen Zweifel aufkommen, für die Gemeinde wäre es ein herber Verlust. Zum einen würde ganz praktisch eine Perspektive wegfallen, was sich in Demokratien immer nachteilig auswirke, und zum anderen würde, vorsichtig formuliert, der Abstand zwischen Bürgern und demokratisch gewählter Politik nicht kleiner.
Auch in den Augen der Sprecherin des Jungendbeirates, Alexandra Rohr, ist die Institution eines Jugendbeirates bei allen praktischen Erwägungen auch eine Art Schule der Demokratie. Dabei würden Kinder und Jugendliche die Bedeutung der Verantwortung und die Notwendigkeit von Kompromissen für ein gelingendes Gemeinwesen hautnah zu spüren bekommen. Und so sind sich die beiden Protagonisten völlig einig darin, dass das Sein oder Nichtsein eines Jugendbeirates einen Unterschied mache. Und zwar bezüglich des Nichtseins klar zum Negativen hin. Die Rechnung ist in den Augen Rohrs ganz einfach, je mehr sich beteiligen und je mehr sich zum Wohle des Gemeinwesens kompromissbereit zeigen, desto stärker ist die Demokratie.
Knörzer betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Gemeinde ein hohes Interesse daran habe, Kinder und Jugendliche in Entscheidungsprozesse einzubinden. Schon der Paragraf 41 der Gemeindeordnung fordere eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Und das sei, so Knörzer, kein „nice to have“, sondern wichtig.
Perspektive der Jugend ist ein maßgebliches Korrektiv für Planung von Projekten in Ketsch
Ohne die Perspektive der Jugend würde im Rahmen der Planung und Umsetzung von Projekten ein maßgebliches Korrektiv fehlen. Das heißt in diesem Fall: Die Belange von Kindern und Jugendlichen werden zu wenig oder gar nicht berücksichtigt. Wovon in der Enderlegemeinde nicht gesprochen werden könne. Im Gegenteil, die Bilanz des Jugendbeirates sieht beeindruckend aus. Die heute 22-jährige Rohr, die seit rund sechs Jahren dabei ist und mittlerweile in Heidelberg Soziale Arbeit studiert, sieht denn auch durchaus mit stolz auf das Erreichte.
Auf der Habenseite verbucht Rohr neben diversen Veranstaltungen wie Fußballturnieren, Kinoveranstaltungen in Kooperation mit dem Central Kino, Teilnahme am Fastnachtsumzug, öffentlichem Wlan an neun Stationen und dem legendären Arschbombenbattle im Ketscher Freibad auch Großprojekte wie die Verwirklichung zweier Pavillons, Neugestaltung des Multifunktionsspielfeldes in der Walldorfer Straße und das gerade laufende Bauprojekt Calisthenic-Anlage in der Nähe des Parkplatzes der Sportvereinigung 06. Und Großprojekt, so Knörzer, sei da wörtlich zu verstehen.
Der Pavillon am Hohwiesenweg kostete 20 000 Euro und die Neugestaltung des Multifunktionsspielfeldes samt eines weiteren Pavillons schlug mit 180 000 Euro zu Buche. Viel Geld, das auch freigegeben wurde, weil die Jugend gemeinsam auftrat und damit zu überzeugen verstand. Ohne das konzertierte Engagement der Jugend, da waren sich Rohr und Knörzer einig, wäre vieles von dem, was angesprochen wurde, nicht Wirklichkeit. Gemeinsam ist man stark, gilt eben nicht nur im Sport. Hinzu käme dann auch noch der Spaß. Zu sehen, wie Ideen Gestalt annehmen und sich die Dinge zum Besseren verändern, mache sehr zufrieden.
Umso trauriger stimme es, dass die Zukunft des Jugendbeirates, mit aktuell sechs Mitgliedern, mindestens ungewiss ist. Immer mehr amtierende Jugendbeiräte sind mittlerweile eher junge Erwachsene denn Jugendliche oder gar Kinder. Und die Lebenswege entfernen sich teils auch von Ketsch. Einer der Jugendbeiräte studiere in Berlin und sei nur noch auf dem Papier ein Mitglied.
Ende des Jugenbeirats ist für Ketscher keine Option
Nun kommt diese Entwicklung nicht überraschend. Schon seit einiger Zeit sei der Jugendbeirat in Sachen Akquise aktiv. Von Facebook über Instagramm bis zu Flyern und persönlicher Ansprache habe man schon einiges lanciert. Doch bis dato, so Rohr, mit mäßigem Erfolg.
Aber, das betonte auch Knörzer, man bleibe am Ball. Im Plan sei eine Veranstaltung im Central Kino, wo neben einem Film auch die Arbeit des Jugendbeirates in Rampenlicht gestellt werden soll. Die Institution Jugendbeirat sei für die Gemeinde, aber vor allem auch für die Jugendlichen selbst, einfach zu wichtig, als dass ein Einschlafen eine vertretbare Option sei.
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