Ketsch. Wer braucht schon einen Kabarettisten oder eine Motorradstuntshow bei seinem Neujahrsempfang, wenn man einen lyrisch talentierten Bürgermeister hat? Während andere Kommunen zu ihrer Jahresauftaktveranstaltung voll auf externe Unterhaltungshilfe setzten, bewies Timo Wangler zum Auftakt seiner Neujahrsansprache sein dichterisches Talent und entlocke den Besuchern in der voll besetzten Rheinhalle beim Ketscher Neujahrsempfang einige Schmunzler.
Zu Beginn der Traditionsveranstaltung, bei der sich nicht nur die beiden Ehrenbürger Helena Moser und Jürgen Kappenstein einfanden, sondern zahlreiche Gemeinderäte, Vereinsvertreter sowie praktisch alles, was in Ketsch „Rang und Namen“ hat, begrüßte der Bürgermeister gemeinsam mit einem glücksbringenden Schornsteinfeger jeden Besucher persönlich per Handschlag und wünscht ein frohes neues Jahr - die Nähe zu seinen Bürgern war und ist dem Gemeindeoberhaupt stets ein wichtiges Anliegen.
Vor dem offiziellen Teil mit instrumentaler Umrahmung des Musikvereins 1929 durften sich die Bewohner der Enderlegemeinde zunächst von Mitgliedern der Verwaltung mit Getränken und Snacks versorgen lassen. In heiterer Runde wurden Hände geschüttelt, Neujahrsgrüße verteilt und ein Schwätzchen mit alten Freunden gehalten.
Zahlreiche Amtsträger begrüßt
Sobald das klangvolle Spiel des Musikvereinsorchesters die Halle erfüllte, begaben sich noch die letzten stehenden Gäste auf ihre Plätze und Bürgermeister Timo Wangler - selbstverständlich mit umhängender Amtskette - machte sich auf den Weg auf die Bühne und zum Rednerpult.
„Es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie zu Beginn des Jahres empfangen zu dürfen. Ich hoffe, Sie hatten eine besinnliche Weihnachtszeit und ein paar erholsame Tage zwischen den Jahren“, so das Gemeindeoberhaupt, das anschließend noch einige besondere Gäste wie die beiden Ehrenbürger, SPD-Landtagsvizepräsident Daniel Born, den ehemaligen Finanzminister Gerhard Stratthaus oder seinen Oftersheimer Amtskollegen Pascal Seidel willkommen hieß.
Ebenfalls grüßte Wangler die Vereinsvertreter, seine Gemeinderäte sowie die anwesenden Institutionen. Sein Dank galt zudem allen Helfern, die mit ihrem Einsatz - ob beim Ausschank oder als Teil des Programms - zu dem Gelingen der Veranstaltung beitrugen.
Gedicht eröffnet Ausführungen des Bürgermeisters
„In diesem Jahr möchte ich meine Ausführungen mit einem kleinen Gedicht beginnen - es handelt von einem kleinen aber feinem Projekt, das vielen Bürgern am Herzen lag und Ende des Jahres erfolgreich begonnen werden konnte“, so Wangler. Der Titel „Das Weihnachtslicht“ ließ schon erahnen, um welches Projekt es sich hierbei handelte: die Spendenaktion zur Weihnachtsbeleuchtung.
Kurz um: Der „Praktikant im Weihnachtswunderland“ Ignatius kommt nach zuerst nach Schwetzingen: „Da schaffen dicht an dicht, Engelsflügel ein wundervolles Licht“. Dann nach Hockenheim: „Hier glänzt Stern und Baum, manches defekt, doch merkt mans kaum“. Als er in die Enderlegemeinde kommt, stellt er geschockt fest, dass Dunkelheit herrscht.
Durch ein Fenster lauscht Ignatius der Gemeinderatssitzung und „dem ohne Haar“: „So sehr uns Weihnachtslicht gefällt, wir habe doch dafür gar kein Geld“. Doch er vernimmt den Geistesblitz eines Rates: Leute macht euch keine Sorgen, die Ketscher werden uns was borgen“. Da hört er den Haarlosen sagen: „Wieso nur borgen? Besser schenken - wir müssen auch an morgen denken!“. Gesagt - getan, die Spendenaktion für die Weihnachtsbeleuchtung war ins Leben gerufen und Ignatius zieht dank der großen Resonanz aus der Enderlegemeinde ein Fazit: „Und die Moral von der Geschicht: Aus Ketscher Herzen, da kommt Licht“.
Ein Einstieg nach Maß, nicht nur bewies Wangler sein lyrisches Talent, er rückte auch einen wichtigen Aspekt im Ketscher Gemeindeleben in den Fokus: der Zusammenhalt zwischen Bürgern, Vereinen und Verwaltung. Die Spendenaktion, bei der 10 000 Euro zusammengekommen sind, war ein voller Erfolg und der Bürgermeister verkündete: „Kommende Weihnachtszeit wird es in Ketsch also ab der Hockenheimer Straße vor der Kirche, über die Schwetzinger Straße bis zum Marktplatz hell leuchten wie im Weihnachtswunderland.“
Haushaltsdefizit konnte verringert werden
„Dieses Gedicht spiegelt aber auch die finanzielle Situation unserer Gemeinde wider. Doch wenn es hart auf hart kommt, halten wir in Ketsch doch immer zusammen“, leitete Wangler dann elegant zu seinen weiteren Ausführungen über. Zu den erwähnten finanziellen Nöte berichtete Wangler, dass es 2024 gelungen sei, das geplante Haushaltsdefizit auf rund zwei Millionen Euro zu verringern und dass der Finanzhaushalt sogar eine schwarze Null ergibt.
„Ein Teilerfolg“, so Wangler, der jedoch dazu aufrief, auch weiterhin der stringenten Finanzpolitik zu folgen und Geduld walten zu lassen. Obwohl bei Investitionen genausten abgewägt werden müsse, wurden einige Projekte erfolgreich abgeschlossen - wie die Brandschutzsanierung der Alten Schule - oder begonnen (Kanalerneuerung Enderlestraße).
Rückblick zu Weinfest und Dorfpride
Dann gab er einen Überblick zu verschiedenen Ereignissen im Jahr 2024. Von dem Umbruch nach den Kommunalwahlen im Gemeinderat mit zehn neuen Mitgliedern über erfolgreiche Veranstaltungen wie die Dorfpride oder das erste Ketscher Weinfest bis hin zur Gründung neuer Vereine. Natürlich ließ es der ehemalige Skispringer auch in diesem Jahr nicht aus, einen kleinen wintersportlichen Vergleich zu ziehen: „Der Bundestrainer der Skilanglaufnationalmannschaft Peter Schlickenrieder wies bei einem Interview einst darauf hin, den Fokus auf das zu richten, was gut laufe und die Stärken weiter auszubauen.“
Für Wangler etwas, das auch in der Enderlegemeinde umsetzbar ist: „Ich finde, wir haben in Ketsch eine herausragende Dorfgemeinschaft, die es zu erhalten und zu stärken gilt.“ Paradebeispiel für die kulturellen Besonderheiten in Ketsch ist unter anderem das Central-Kino: „Wer in den umliegenden Gemeinden hat noch ein Kino? Wir haben das Central, weil es Menschen gibt, die sich leidenschaftlich und mit Erfolg um dieses Kino kümmern.“
Weiter ging er auf zwei Kämpfe ein, die die Gemeinde wohl auch in den kommenden Jahren zu bestreiten hat: Es gilt weiterhin, der Tigermücke und der Tapinoma-Ameise Einhalt zu gebieten - und auch hier sei die Zusammenarbeit aller gefragt.
Brandschutzsanierung des Rathauses muss verschoben werden
Den Ausblick auf das Jahr 2025 begann Wangler mit einer Darlegung der finanziellen Situation: Diese ist auch weiterhin das große Sorgenkind. „Wir brauchen hier eine Zeitenwende in der Politik, wie man mit der untersten staatlichen Ebene umgeht“, wies der Bürgermeister auf den Ausgangspunkt der Haushaltslöcher in etlichen Gemeinden hin. Die Rahmenbedingungen seien auch für 2025 äußerst schlecht und der Bund sei in der Bringschuld. „Die Kommunen tragen mehr als 25 Prozent des öffentlichen Gesamthaushaltes, erhalten aber nur 14 Prozent des Steueraufkommens. Diese Rechnung geht nicht auf.“
Die Verwaltung habe inzwischen eine Liste zur Reduzierung der Ausgaben erarbeitet, diese werde bei kommenden Sitzungen thematisiert. „Aufgrund des hohen Defizits im Ergebnishaushalt (vier Millionen Euro) und den fehlenden Ersatzdeckungsmitteln, sind auch 2025 nur wenige Investitionen möglich“, warf Wangler hinsichtlich des Haushaltes 2025 voraus.
Anstehende Projekte wie beispielsweise die Brandschutzsanierung des Rathauses müssen daher verschoben werden - gleiches gilt für die Sanierung des Feuerwehrgerätehauses. Zur Erweiterung des Kindergartens „Regenbogen“ sei man gemeinsam mit dem katholischen Träger in Planung.
Die Entwicklung im Industriegebiet Süd sei immerhin erfreulich: Die neue Gewerbeimmobilie auf dem ehemaligen „BorgWarner“-Gelände soll 2025 fertiggestellt werden und das Objekt befinde sich bereits in der Vermarktung. Auch der Glasfaserausbau stehe 2025 nach der kürzlich erfolgten Vorvermarktung in den Startlöchern. Damit schloss Wangler seine Neujahrsrede mit positiven Nachrichten sowie den Worten „Bleiben Sie positiv, Glück auf!“ und gab die Bühne für ein kurzweiliges Programm frei.
Engelsstimmen und Paragraphen der Prinzessin
Verkleidet als die Heiligen Drei Könige entzückten die Sternsinger die Besucher des Neujahrsempfangs dann dank ihrer Engelsstimmen. Es folgte unter kräftigen „Ahoi“-Rufen der Einmarsch der Narrhalla-Streitmacht, angeführt von Prinzessin Miriam I, die ihre Paragraphen zum Besten gab und anschließend fleißig die neuen Narrhalla-Orden verteilte, bevor die Minigarde des Vereins einen entzückenden Seemannstanz präsentierte.
Und dann beendete eine liebgewonnene Tradition den offiziellen Teil des Neujahrsempfangs: Zu den Klängen des Musikvereins 1929 wurde gemeinsam und leidenschaftlich das Badner Lied gesungen. Bei einem Gläschen Sekt und zahlreichen Gesprächen endete der Mittag in trauter Runde und mit dem Fazit: Ketsch ist gewappnet für das Jahr 2025.
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