Ketsch. Im Vorfeld der Eröffnung des russischen Restaurants Kalina erinnerten Kritiker an eine Veranstaltungsreihe, die in den 1990er-Jahren für reichlich Ärger in Ketsch gesorgt hat: Die Rede ist von der sogenannten „Russen-Disko“. Der ehemalige Bürgermeister und Hauptamtsleiter der Enderlegemeinde, Jürgen Kappenstein, erzählt im Interview von den damalgien Ereignissen rund um die Rheinhalle.
Herr Kappenstein, das neue russische Restaurant in Ketsch sorgte zuletzt für einige Diskussionen. Im Zuge dessen kam auch das Thema der sogenannten „Russen-Disko“ in der Rheinhalle wieder zur Sprache. Können Sie sich daran noch erinnern?
Jürgen Kappenstein: Ja, klar. Das war Anfang bis Mitte der 1990er Jahre. Die Discoabende wurden von einem russischstämmigen Veranstalter organisiert und fanden in der Rheinhalle statt. Es kamen viele Besucher, eigentlich von überall her. Nicht nur aus Mannheim oder der Rhein-Neckar-Region, sondern auch Autokennzeichen aus Pforzheim, Karlsruhe und der weiteren Umgebung habe ich gesehen.
Waren die Besucher überwiegend russischer Herkunft?
Kappenstein: Ja, ein Großteil auf jeden Fall. Die Veranstaltungen waren aber offen für alle. Es kamen viele Menschen zusammen, die Tickets wurden verkauft und die Partys waren gut besucht.
Wurden diese Partys regelmäßig veranstaltet?
Kappenstein: Wenn ich mich richtig erinnere, fanden sie ungefähr einmal im Monat statt, meistens am Samstagabend.
Wie war das für die Gemeinde? Gab es da Bedenken?
Kappenstein: Anfangs lief alles gut und reibungslos. Die Veranstalter haben die Halle ordnungsgemäß gemietet und wirklich gut bezahlt, das war eine sichere Einnahmequelle für die Gemeinde. Klar, die Parkplätze waren voll, die Umgebung war belebt, es gab auch mal Beschwerden wegen Lärmbelästigung. Es war wohl auch reichlich Alkohol im Spiel. Aber das war alles kein großes Problem – zumindest zu Beginn.
Und irgendwann gab es dann Probleme?
Kappenstein: Leider ja. Nach einigen Jahren hat sich das Publikum irgendwie verändert. Es kam zu Vandalismus – zum Beispiel wurden Urinale von der Wand geschlagen und es gab erhebliche Verschmutzungen. Wir mussten nach den Veranstaltungen regelmäßig einen Bautrupp in die Rheinhalle schicken, um alles wieder instand zu setzen.
Wurden dann von Seite der Gemeinde sofort Konsequenzen gezogen?
Kappenstein: Nein, wir haben zuerst versucht, mit den Veranstaltern ins Gespräch zu kommen. Wir haben gemeinsam überlegt, wie man die Situation verbessern könnte, etwa durch strengere Aufsicht oder geschlossene Fenster, um den Lärm zu reduzieren. Aber trotz aller Bemühungen blieb es nicht bei einmaligen Vorfällen.
Wie lange liefen die Partys insgesamt?
Kappenstein: Das ging schon über mehrere Jahre. Ich wurde 1993 Hauptamtsleiter und da liefen die Partys bereits einige Zeit. Als ich das Amt übernommen habe, häuften sich die Probleme bereits.
Es soll auch Schießereien gegeben haben?
Kappenstein: Die Polizei war zum Ende tatsächlich regelmäßig vor Ort gewesen sein. Auch von Schusswaffen wurde Gebrauch gemacht. Rund um die „Russen-Disko“ wurde es also immer wilder.
Wurden dabei Menschen verletzt?
Kappenstein: Nein, nicht dass ich wüsste. Also Bürger aus Ketsch auf keinen Fall. Ob Party-Besucher bei Prügeleien verletzt wurden, kann ich nicht sagen.
Wie war denn angesichts der turbulenten Ereignisse die Stimmung in der Gemeinde?
Kappenstein: Die Anwohner waren zunehmend genervt – vor allem wegen des Lärms und des Verhaltens mancher Besucher beim Heimgehen. Das war schon ziemlich chaotisch. Uns war wichtig, dass die Anwohner nicht über Gebühr belastet werden und dass die Halle nicht weiter beschädigt wird.
Wie wurde das Ganze beendet?
Kappenstein: Nachdem wir verschiedene Maßnahmen ausprobiert hatten und sich dennoch keine Besserung eingestellt hatte, haben wir schließlich entschieden, keine weiteren Veranstaltungen dieser Art mehr zuzulassen. Das haben die Veranstalter dann auch akzeptiert.
Gab es danach noch Diskussionen oder Beschwerden der Veranstalter? Es soll Drohungen gegeben haben.
Kappenstein: Nein, nach unserer Entscheidung war das Thema erledigt. Die Veranstalter haben das akzeptiert.
Können Sie verstehen, dass die negativen Erinnerungen bei einigen Ketschern mit der Eröffnung des russischen Restaurants wieder hochkamen?
Kappenstein: Ich muss zugeben, dass mir der Gedanke auch sofort kam, als ich von dem russischen Restaurant hörte. Aber das ist ja von der Räumlichkeit schon mal überhaupt nicht zu vergleichen. Und bisher habe ich auch nur Gutes vom Kalina gehört. Ich werde jedenfalls demnächst auch mal hingehen.
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