Ketsch. Es ist eine der unendlichen Geschichten in der Region: Die geplante Sanierung des Rheinhochwasserdamms zwischen Altlußheim und Ketsch, auf dem auch die Kreisstraße 4250 verläuft. Obwohl bereits seit Mitte der Neunzigerjahre über eine Ertüchtigung diskutiert wird, wurden bislang keinerlei Umbaumaßnahmen begonnen – und auch für die Zukunft kann das Land nicht sagen, wann mit einer Umsetzung zu rechnen ist.
„Da die Kapazitäten für Dammertüchtigungen im Landesbetrieb Ge-wässer mit den aktuellen, höher priorisierten Vorhaben voll ausgeschöpft, sowie weitere höher priorisierte Vorhaben abzuarbeiten sind, kann derzeit kein konkreter Zeitraum genannt werden. Die Überplanung und Sanierung erfolgen in den kommenden Jahren entsprechend den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln und personellen Kapazitäten“, vertröstet das zuständige Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe auf Anfrage dieser Zeitung.
Kategorisierung von Hochwasserschutz: Ketscher Rheindamm in schlechtem Zustand
Das ist insofern erstaunlich, als dass das Schutzbauwerk zwischen Altlußheim und Ketsch offenbar in einem besonders schlechten Zustand ist. Von den vier absteigenden Zustandsklassen A, B, C1 und C2, nach denen das Land seit 2015 die Hochwasserdämme kategorisiert, wird es mit C2 am untersten Ende bewertet. „Die Einstufung des geotechnischen Zustands erfolgte im Jahr 2012, indem verschiedene Faktoren – wie zum Beispiel Aufbau, Geometrie und Untergrund – erhoben und bewertet wurden. Die geotechnische Bewertung ergab, dass der Damm nicht den heutigen Anforderungen der allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht“, heißt es aus Karlsruhe.
Zwölf Jahre später gibt es allerdings immer noch keine konkreten Pläne, wie die aus Sicht des Landes notwendigen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden könnten. Diese wären in jedem Fall sehr umfangreich: Um die Standsicherheit an heutige Erkenntnisse anzupassen, müsste der gesamte Damm laut RP abgeflacht und deutlich verbreitert werden.
Auf der Landseite würde eine sogenannte „Berme“ angelegt, also ein horizontales Teilstück, das die Tragfähigkeit des Damms erhöhen und als Drainagekörper dienen soll. Außerdem ist auf der „Berme“ ein Dammverteidigungsweg vorgesehen, welcher von Feuerwehren, THW und anderen Kräften bei Hochwasser genutzt werden kann. Beidseitig des Damms sollen größere baumfreie Zonen angelegt werden.
Die Kreisstraße beim Ketscher Rheindamm muss ebenfalls beachtet werden
Auch die heutige Kreisstraße auf der Dammkrone müsste in die Planungen aufgenommen werden. Ob sie künftig an dieser Stelle „gegebenenfalls“ erhalten bleiben und in das neue Konzept integriert werden kann, müsse laut RP erst noch „in der zukünftigen Überplanung behandelt und gemeinsam mit den verantwortlichen Behörden entschieden“ werden.
Denn schon ohne den Straßenverlauf ist der Umbau der Rheindämme eine organisatorische Mammutaufgabe: Durch die neue Bauweise verbreitert sich das Dammprofil nach Angaben des Landes je nach örtlichen Gegebenheiten auf mehr als das 1,5-fache. Hinzu kommen die rund zehn Meter breiten Schutzstreifen zu beiden Seiten, auf denen keine Bäume mehr stehen sollen. Neben zahlreichen betroffenen Grundstückseigentümern kommt dabei mitunter auch der Naturschutz in die Quere – wie zuletzt bei der bereits angelaufenen Planung zur Sanierung des Rheindamms bei Mannheim. Das alles führt zu zeitlichen Verzögerungen und bindet viele Mittel und Mitarbeiter beim Land, das nach eigenen Angaben zuletzt im Schnitt 19 Millionen Euro pro Jahr für Dammertüchtigungen zur Verfügung gestellt hat.
Doch warum wird ein Damm der schlechtesten Zustandskategorie nicht trotzdem schneller angegangen? Das liegt laut Umweltministerium an der einheitlichen Priorisierung, die 2015 eingeführt wurde. Dabei wird die Zustandsklasse der Bauwerke mit einer Schutzklasse kombiniert: Je höher die Besiedelung und überregionale Bedeutung der Flächen hinter dem Damm ist, desto höher ist aus Sicht des Landes die Dringlichkeit einer Sanierung.
Kernkraftwerke und Raffinerien: Andere Projekte haben Vorrang
Höchste Priorität genießen Sonderobjekte, wie beispielsweise Kernkraftwerke oder konventionelle Kraftwerke und Raffinerien mit überregionaler Bedeutung, sowie Betriebe, bei denen bei Überflutungen große Umweltschäden zu erwarten sind.
Den Bereich zwischen Altlußheim und Ketsch ordnen die Behörden hingegen in eine geringere Schutzklasse ein als bei anderen Dämmen, die ebenfalls die schlechteste Zustandsklasse haben – so ergibt sich die recht spitzfindige Formulierung des Landes, der Ketscher Damm sei zwar trotz seines schlechten Zustands in einer hohen Priorität, aber eben nicht in der höchsten Priorität eingeordnet.
Außerdem verweist das RP darauf, dass er trotz seiner starken Sanierungsbedürftigkeit „grundsätzlich als sicher anzusehen“ sei. Mindestens zweimal jährlich kontrolliere der Landesbetrieb Gewässer das Bauwerk, außerdem werde alle zwei Jahre eine Dammschau durchgeführt, zu der die Kommunen und das Landratsamt sowie weitere Anlieger eingeladen würden – letztmals im November 2023.
Die Behörden vertrauen bezüglich des Hochwasser auf die Feuerwehren der Region
Und bei Hochwasser gebe es darüber hinaus noch die akuten Dammwachen der örtlichen Feuerwehren. „In diesem Dammabschnitt wurden dabei in den letzten Jahren keine besonderen Auffälligkeiten festgestellt“, betont das RP.
Entgegen anderslautenden Behauptungen weise der Damm außerdem in den Bereichen der Rheinhalle sowie des Flugplatzes Herrenteich keine besonderen Mängel auf. Die bei länger anhaltendem Hochwasser oft auftretenden Durchsickerungen und Wasseraustritte seien normal. „Die in Baden-Württemberg vorherrschenden und mit der erforderlichen Sorgfalt angewandten Bauweisen sehen keinen ’dichten’ Damm im Sinne einer Oberflächen- oder Innendichtung vor. Der Damm erfüllt dabei trotzdem seine Schutzfunktion“, heißt es aus dem RP. Somit würden diese Durchsickerungen auch nach einer Sanierung oder gar einem kompletten Neubau noch auftreten.
Und auch bei einer weiteren Sorge will das Land beruhigen: Entgegen der weitläufigen Meinung und anders als bei Überschwemmungen durch plötzlichen Starkregen werde der Klimawandel keine größeren Auswirkungen auf die regelmäßigen Rheinhochwasser haben. Das geht zumindest aus der Antwort des Landesumweltministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Andre Baumann hervor, die dieser auf Bitte des Grünen-Gemeinderats Günther Martin gestellt hatte. Und auch das RP betont, dass die notwendige Ertüchtigung der Hochwasserdämme im Land „unabhängig von den Auswirkungen der Klimaveränderungen erforderlich“ sei.
Es gibt zirka 1000 Kilometer an sanierungsbedürftigen Dämmen in Baden-Württemberg
Das Problem ist also schlicht der mangelhafte Zustand der Hochwasserdämme, sowie ihre oftmals veraltete Bauweise. Von den insgesamt rund 1000 Kilometern in ganz Baden-Württemberg müssen laut geotechnischer Bewertung 439 Kilometer kurzfristig, 75 mittelfristig und 243 langfristig saniert werden.
Nur ein Viertel erfüllt somit die heutigen Vorgaben. Und so müssen die Ketscher – wie auch viele anderen Anwohner von Dämmen der schlechtesten Zustandsklasse – wohl noch längere Zeit darauf vertrauen, dass die in die Jahre gekommenen Schutzbauwerke ihre Funktion auch weiterhin erfüllen können.
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