Ketsch. Fast ein Jahr nach dem letzten öffentlichen Termin des Landratsamtes zum geplanten Kiesabbau im Gewann Entenpfuhl sind die Fronten weiter verhärtet – und eine Entscheidung oder gar eine Umsetzung des Projekts noch immer in weiter Ferne. An diesem Sonntag, 26. Juli, treffen sich der Vorstand der Bürgerinitiative „Rettet den Entenpfuhl!“ und die Vertreter der Arbeitsgruppen dieses Forums, um gemeinsam das weitere Vorgehen zu beraten.
Auf der einen Seite der Argumentation zum geplanten Kiesabbau steht das mittelständische Familienunternehmen Heinrich Krieger aus Neckarsteinach, das seit Langem in der Region mit dem Abbau, Transport und der Verarbeitung von Kies und Sand tätig ist. Es möchte in dem Gebiet südöstlich von Ketsch – auf Schwetzinger Gemarkung – über einen Zeitraum von 35 Jahren Baustoffe aus dem Boden fördern.
Auf der anderen Seite stehen Umweltschützer und die Bürgerinitiative (BI), aber auch Kommunen, Parteien und Lokalpolitiker. Der Zweckverband Wasserversorgung Kurpfalz (ZWK) hat in unserer Zeitung zudem bereits öffentlich gegen die Abbaupläne Stellung bezogen. Die Kritiker befürchten negative Auswirkungen auf das Grundwasser, die Landschaft und den Naturschutz.
Prüfung beim Landratsamt
Zwischen diesen beiden Positionen muss das Landratsamt Rhein-Neckar als zuständige Behörde die formalen Prüfungen durchführen – genauer gesagt das Wasserrechtsamt, dessen stellvertretender Leiter Dr. Markus Schuster wegen der komplexen Lage jede Hoffnung auf eine schnelle Entscheidung dämpft. „Wir können keinen verbindlichen Zeitplan nennen“, sagt Dr. Schuster im Gespräch mit unserer Zeitung.
Denn nach dem zweiten sogenannten Scoping-Termin im August vergangenen Jahres wurde die Firma Krieger verpflichtet, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. „Das Ergebnis liegt uns noch nicht vor“, erklärt Dr. Markus Schuster und verweist darauf, dass die Unterlagen nach der Vorlage zunächst intensiv von seiner Behörde geprüft werden müssten. Dann würden erneut die einzelnen Fachbehörden und die Öffentlichkeit informiert sowie die Pläne für die Allgemeinheit ausgelegt.
Derzeit noch Wasserschutzgebiet
„Die einzelnen Betroffenen können danach innerhalb eines Monats Einwände vorbringen und an einem Erörterungstermin teilnehmen. Im Anschluss werden wir erneut alle Informationen prüfen und nach der geltenden Rechtslage beurteilen – dabei suchen wir nach einer Lösung, bei der keiner der Beteiligten unverhältnismäßig belastet wird. Es kann also zu Planänderungen kommen, für die wiederum ergänzende Berechnungen, Prüfungen oder weitere Gutachten benötigt werden können. Spätestens hier wird ersichtlich, dass wir derzeit keine genauen zeitlichen Angaben machen können“, erklärt Schuster das langwierige Verfahren.
Eines macht das Wasserrechtsamt aber deutlich: Derzeit darf unter keinen Umständen eine Kiesgrube im Entenpfuhl angelegt werden, weil das Gebiet seit Anfang 2018 und noch bis Ende dieses Jahres ein vorläufig angeordnetes Wasserschutzgebiet ist. Grund ist das nahe Wasserwerk Schwetzinger Hardt, das die Versorgung großer Teile der Region sicherstellt. „Grundsätzlich kann der Abbau von Kies und Sand Einfluss auf die Fließrichtung sowie die chemischen und physikalischen Verhältnisse des Grundwassers haben“, erklärt der stellvertretende Leiter des Wasserrechtsamtes, Dr. Markus Schuster. Die möglichen Auswirkungen im Entenpfuhl müssten aber erst noch ermittelt werden.
Gleichzeitig hält hinter den Kulissen der Streit um zwei Gutachten zum Grundwasserschutz an. Das ZWK will mit seiner Expertenbegutachtung erreichen, dass der Entenpfuhl dauerhaft als Schutzgebiet ausgewiesen wird. Die Firma Krieger hingegen kam mit einem eigenen Gutachten zu dem Schluss, dass dies nicht notwendig sei. Rund um den zweiten Scoping-Termin kam der Vorschlag auf, ein drittes, neutrales Gutachten erstellen zu lassen. Doch darüber konnten sich die Beteiligten bislang nicht einigen.
Die Sorge um das Grundwasser teilt auch die BI. Für deren Sprecher Heinz Eppel aus Ketsch ist es allerdings ein grundsätzliches Unding, dass das Gebiet zum Abbau von Baustoffen verwendet werden könnte. „Wir haben weiterhin viele Bedenken: Wegen des Wasserschutzes, aber auch wegen der Belastung für Tiere und Pflanzen und nicht zuletzt uns Menschen. Überall in unserer Region muss der Hardtwald weichen: In Sandhausen für den Fußball, in Hockenheim für die Rastplätze an der Autobahn und in Sichtweite von Ketsch für den Kies. Das ballt sich einfach zu sehr“, sagt Eppel.
Fledermäuse nachgewiesen
Trotz seiner Nähe zur Autobahn A 6 beherberge der Entenpfuhl viele Tierarten – zuletzt seien dort geschützte Fledermäuse nachgewiesen worden. Gleichzeitig schirme der Wald den Lärm der Autobahn in Richtung Ketsch ab. Sollte stattdessen der Kiesabbau kommen, würden zusätzlich Staub und Lärm entstehen, von den – laut Firma Krieger – rund 50 Lastwagen pro Tag für den Abtransport ganz zu schweigen.
Aus Sicht der BI gibt es für den Kiesabbau gute Alternativen in der Region, teils allerdings erst in Südhessen und der Vorderpfalz. So seien im Regionalplan weitere mögliche Standorte vorhanden, die umweltverträglicher genutzt werden könnten. „Dort gibt es keinen Wald und keine Probleme“, so Eppel. „Der Entenpfuhl wäre für die Firma Krieger aber eben wirtschaftlich optimal: Das Areal kann gepachtet und muss nicht gekauft werden. Das lohnt sich natürlich mehr.“
Mit einem großen Plakat im Ortsgebiet und Führungen für Interessierte wollen die Mitglieder der BI den Druck in naher Zukunft noch erhöhen. Seit zahlreiche Bürger und Umweltschützer wegen der Pläne aufgeschreckt worden seien, habe es bereits viel Zuspruch gegeben. „Wir sind völlig überrascht worden, wie groß das Interesse bei Parteien und Politikern in der Region ist. Auch Bürgermeister Jürgen Kappenstein unterstützt uns nach Kräften“, sagt BI-Sprecher Eppel.
Kappenstein sieht gute Chancen
Der so Gelobte bestätigt im Gespräch mit unserer Zeitung seine Ablehnung für das Kiesabbau-Projekt. „Wir als Gemeinde Ketsch haben doch überhaupt nichts davon, außer neue Probleme“, sagt Bürgermeister Jürgen Kappenstein. „Ich sehe deshalb gute Chancen, dass die Planungen verhindert werden können.“
Dagegen stemmt sich allerdings weiterhin die Firma Krieger. Aus ihrer Sicht ist der Kiesabbau dringend notwendig: In der Region Mannheim/Heidelberg gebe es eine zunehmende Rohstoffknappheit und bereits heute Lieferengpässe. „Das liegt an einer stetigen Zunahme genehmigungs-, privat- und umweltrechtlicher Restriktionen“, so ein Sprecher des Unternehmens im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe habe bereits 2018 und noch einmal im März auf die Sand- und Kiesknappheit im Großraum aufmerksam gemacht.
Gleichzeitig gebe es in der Region einen anhaltend hohen Bedarf an Wohn- und Gewerbebauten – und die würden nun einmal aus Beton und anderen Baustoffen errichtet, die aus Kies und Sand hergestellt werden. Nicht zuletzt aus diesen Gründen sei das Gewann Entenpfuhl im Regionalplan als Vorranggebiet für den Rohstoffabbau ausgewiesen worden. Gleichzeitig sei die Qualität im Entenpfuhl in der gesamten Region einmalig – und andere amtlich ausgewiesene Vorranggebiete könnten in der Realität gar nicht genutzt werden, weil dort Straßen, Stromtrassen oder andere Nutzungen geplant seien.
„Der Entenpfuhl ist auch für den Transport ideal: Über die L 722 könnten die Lastwagen direkt auf die Bundesstraße und die Autobahn auffahren – es gäbe kaum Verkehr durch Ortschaften“, erklärt der Unternehmenssprecher. Eine Anlieferung zum firmeneigenen Kieswerk im Hafen von Rheinhausen soll es nicht geben – dort würden ausschließlich Sande und Kiese aus anderen Regionen mit dem Schiff angeliefert, um sie für Bauvorhaben in der Region zu verarbeiten.
Bei den Themen Grundwasser und Umweltschutz verweist das Unternehmen auf die noch laufenden Untersuchungen. Man habe aber zahlreiche Fragen aus der Bevölkerung und von Parteien im Sinne eines engen Bürgerdialogs im Internet zusammengefasst: Unter www.dialog-krieger.de könnten sich Interessierte jederzeit informieren.
Nähe bedeutet Umweltschutz
Der Vorschlag, den Bedarf durch umweltfreundliches Recyceln von Bauschutt zu decken, hält Krieger weiterhin für illusorisch. „Bereits jetzt werden in Baden-Württemberg 90 Prozent des anfallenden Bauschutts und Straßenaufbruchs recycelt – beim Rest ist das technisch nicht möglich. Daraus werden rund zehn Millionen Tonnen neuer Baustoff pro Jahr gewonnen. Gleichzeitig werden im Land derzeit rund 80 Millionen Tonnen pro Jahr benötigt, davon viel hochreines Material, das durch eine Wiederverwertung grundsätzlich nicht gewonnen werden kann. Die Bauwirtschaft benötigt also trotz aller Bemühungen einen großen Abbau von Sand und Kies: Und der kann entweder umweltschonend in der Nähe erfolgen oder wir müssen das schwere Material über weite Strecken transportieren“, so ein Krieger-Unternehmenssprecher.
„Aus unserer Sicht gibt es in der Region schlichtweg keine Alternative zum Entenpfuhl.“
Info: Weitere Bilder gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de
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