Heraldik (Teil 3)

Wie der Enderle zur Ketscher Symbolfigur wurde

Im Gemeindewappen von Ketsch spielt der Enderle eine zentrale Rolle. Entdecken Sie, wie er vom Symbol der Gerechtigkeit zur unheimlichen Spukfigur wurde und was das für Ketsch bedeutet.

Von 
Loreen Apel
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Vor dem Ketscher Rauthaus steht symbolisch die Statue des Enderle. © Gehres

Ketsch. Jedes Gemeindewappen hat seine eigene Geschichte. Diese Reihe zeigt, welche Theorien die Symbole mitbringen und gibt Einblicke in die Wappenkunde, auch Heraldik genannt. In der Heraldik wird die detaillierte Beschreibung eines Wappens „Blasonierung“ genannt.

Die von Ketsch lautet: „In gespaltenem Schild vorn in Silber (Weiß) der grün gekleidete Enderle von Ketsch mit grünem Federhut, rotem Koller und Gürtel, umgehängter roter Ledertasche und schwarzen Stulpenstiefeln, in den Händen eine schwarze Axt mit rotem Stiel quer haltend, hinten in Blau ein goldener (gelber) Winkel (Triangel), aus dessen Scheitel ein goldenes (gelbes) Endrautenkreuz wächst, begleitet von vier goldenen (gelben) Sternen.“

Heraldische Regeln legen fest, welche Farben zulässig sind. Es wird zwischen „Metall“ und „Farbe“ unterschieden. Metalle sind Gold (Gelb) und Silber (Weiß), die Farben Rot, Blau, Grün und Schwarz. Andere Farbtöne sind in der Heraldik nicht vorgesehen, mit der Ausnahme von einer hellen Hautfarbe.

Personen wie der Ketscher Enderle zählen in der Heraldik als „gemeine Figuren“

Außerdem soll abwechselnd Metall auf Farbe und Farbe auf Metall gesetzt werden, was für Hintergründe relevant ist. Die Person als auch das Kreuz gehören zusammen mit allen Lebewesen und Gegenständen zu den „gemeinen Figuren“.

Geometrische Figuren, die bis an die Ränder reichen, heißen „Heroldsbilder“. Als weitere Regel wird in der Heraldik das Wappen stets aus der Sicht des Trägers beschrieben. Der Enderle von Ketsch hat auf der heraldisch rechten Seite durch seine Position die wichtigere Bedeutung.

Ketsch hat im Gegensatz zu seinen Nachbarn eine turbulente Vergangenheit. Schon 1150 wird die Gemeinde urkundlich erwähnt und gehörte bis 1802 zumindest die meiste Zeit zum Bistum Speyer. Denn je nach Vermögen verkaufte der Bischof das Dorf an Klöster wie Schönau oder Maulbronn und erwarb es in besseren Zeiten zurück.

Das Ketscher Wappen mit dem Enderle. © Gemeinde

Besonders wertvoll war die Ketscher Fähre - damals wie heute eine wichtige Verbindung für Handel und Reisende. 1525 verbot Speyer nach dem Bauernkrieg allen Gemeinden, ein Siegel zu tragen – ein klarer Rückschlag in Sachen Selbstbestimmung. Erst 200 Jahre später konnte Ketsch sein eigenes Siegel führen. Das älteste bekannte stammt aus dem Jahr 1715 und liegt heute im Generallandesarchiv Karlsruhe.

Das erste Gemeindewappen erschien wohl 1911. Ähnlich wie heute war auf einem hellblauen Hintergrund das Dreieck zu sehen, auf dessen Scheitel ein Kreuz thronte, begleitet von vier goldenen (gelben) Sternen. 1957 kam die Fahne mit einem leicht veränderten Wappen und einer nicht ganz neuen Figur hinzu: dem Enderle von Ketsch.

Ursprünglich war das Zeichen auf der linken Seite in den speyerischen Farben Blau und Silber (Weiß) gestaltet. Warum später auf Gold (Gelb) gewechselt wurde, weiß niemand so genau. Das Symbol war schon vor dem ersten Siegel das Fleckenzeichen der Gemeinde.

Ketscher Wappen: Kreuz erinnert an Zugehörigkeit zu Speyer

Fleckenzeichen waren einfache Symbole kleiner Siedlungen (Flecken), die oft auf Grenzsteinen eingemeißelt wurden. Das Kreuz erinnert an die Zugehörigkeit zu Speyer, das Dreieck könnte für die Dreifaltigkeit stehen oder einfach an das Dach einer Kapelle angelehnt sein. Über die Sterne gibt es kaum Theorien – vielleicht symbolisieren sie die vier Himmelsrichtungen. Oder einfacher: Es sieht ordentlich aus.

Der Enderle von Ketsch wiederum ist eine bekannte Figur. Dieter Rey vom Heimatverein Ketsch vermutet, dass Enderle 1957 dazukam, da zuvor das 800-Jahre-Jubiläum gefeiert wurde. Bei der Aufarbeitung der Geschichte stieß man auf den Enderle. Jemand, der für Gerechtigkeit steht und gegen die Obrigkeit kämpft, wurde in Anbetracht der Zeit als passend gesehen.

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Seine Geschichte in Kürze gefasst: Enderle, eine andere Schreibweise von Andreas, lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und arbeitete als Fährmann für den Bischof von Speyer. Bei den Nachbarn lebte der Pfalzgraf Otto Heinrich, auch Ottheinrich genannt, im Schwetzinger Schloss.

Peitschenschläge für die Bauern aus Ketsch

Bei seinen Jagden mit Gefolge wurden die Felder der Bauern von Ketsch durch das Getrampel der Reiter zerstört. Der Schultheiß Enderle ging mit den Bauern, um sich zu beschweren, doch zeigte sich der Pfalzgraf wenig interessiert und die Bauern wurden mit Peitschenschlägen vertrieben.

Zur Vergeltung ging Enderle selbst auf die Jagd – etwas, was nur dem Adel vorbehalten war. Das Geweih hing er an sein Scheunentor. In der Folge kam es zur Entführung und zum Tod seiner Tochter Eva, auch „Evchen“ genannt. An diesem Punkt wandelte sich der Enderle von einem Gerechtigkeitskämpfer zu einer Spukgestalt im Wald.

Der Überlieferung nach verfluchte er Ottheinrich – und tatsächlich starb der Kurfürst später kinderlos, wie auch Enderle selbst. Der Enderle von Ketsch lebte in der Frühen Neuzeit, doch wie viel von seiner Geschichte wahrhaftig ist, bleibt ungewiss. Fest steht: Für die Enderlegemeinde Ketsch ist er ein wichtiges Symbol.

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