Neulußheim. Im Zuge der Sanierung der Carl-Benz-Straße werden insgesamt sechs Bäume gepflanzt. Das entschied der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung. Im vorderen Bereich zwischen Altlußheimer Straße und Friedensstraße soll es drei Baumstandorte geben, im hinteren Abschnitt sollen sechs Bäume für Schatten sorgen. Im Mai vergangenen Jahres hatte das Gremium bereits die Gestaltung der Straße sowie das Thema Bäume diskutiert, im Oktober war dann entschieden worden, bei der Sanierung die Ausbauvariante mit versetzten Parkstreifen zu realisieren. Jetzt lag der Verwaltung allerdings eine Unterschriftenliste von Anwohnern vor, die sich überhaupt gegen das Pflanzen von Bäumen in der Carl-Benz-Straße aussprechen.
Die Unterschriftenliste entspreche zwar nicht der geforderten Form, so fehlten beispielsweise Namen von Grundstückseigentümern und Mietern sowie den eigentlichen Ansprechpartnern, meinte Bürgermeister Gunther Hoffmann. Nicht alle, die unterschrieben hätten, seien tatsächlich melderechtlich in der Carl-Benz-Straße bekannt. Dennoch sollte sich das Gremium mit dem Bürgerwunsch auseinandersetzen.
Pflanzen nehmen Platz weg
Eine Anwohnerin hatte schon zuvor bei den Anfragen die geplante Baumpflanzaktion kritisiert. Die Carl-Benz-Straße sei doch nur gut für eine Hundetoilette. Der Parkplatz im vorderen Bereich müsse grundsaniert werden, da nähmen Bäume nur Platz weg. Eine andere Anwohnerin aus dem zahlreich vertretenen Publikum monierte, dass es nur ungenügend Informationen gebe: „Man sollte den Leuten schon sagen, was gerade gemacht wird.“
Die Verwaltung präsentierte den Ratsmitgliedern zwei Vorschläge: Entweder bei der aktuellen Ausbauvariante mit den versetzten Parkstreifen an den bisherigen Beschlüssen des vergangenen Jahres unverändert festzuhalten oder auf sämtliche Baumstandorte zu verzichten. Alle Aufträge seien bereits erteilt. Einsparungen würden sich somit keine ergeben, die Kosten für die noch zu bestellenden Bäume würden aber entfallen. Das Gremium habe sich mehrheitlich für eine Variante entschieden, neue Erkenntnisse seien seitdem auch nicht hinzugekommen, meinte der Bürgermeister. Insgesamt 34 Bürger hatten unterschrieben. Der Rat diskutierte erneut ausgiebig die Vor- und Nachteile von Baumscheiben in der Straße.
Monika Schroth (Grüne) meinte, Betroffene sollten gehört werden. Sie habe selbst oft Bürgerbeteiligung eingefordert. Die Grünen fühlten sich aber auch dem Allgemeinwohl verpflichtet und dürften nicht nur die Interessen Einzelner vertreten. In der Gemeinde fehle es auch an entsprechenden Informationsveranstaltungen. Jeder Bürger hätte sich an die Gemeinderäte wenden können, aus der Carl-Benz-Straße habe sich aber niemand gemeldet, so Schroth: „Eine Unterschrift danach ist keine Bürgerbeteiligung, ohne Namen, Adresse und Zuordnung, sondern nur ein Wunsch auf Grundlage von Einzelinteressen.“ Sonst brauche der Gemeinderat keine Entscheidungen mehr zu treffen, wenn er den Beschluss jetzt neu fassen oder abändern müsse: „Das ist nicht demokratisch.“
„Es geht uns darum, dass Bäume und öffentliches Grün nicht als untergeordnetes Beiwerk angesehen werden. Vielmehr sind sie wichtiger Bestandteil im Ortsbild und somit bei künftigen Planungen ausreichend zu berücksichtigen“, meinte Ingeborg Bamberg (WfN). Sie habe sich Regelungen in den aktuell gültigen Bauordnungen und Bebauungsplänen angeschaut und festgestellt: „Tatsächlich werden diese Vorgaben in der Realität regelmäßig nicht umgesetzt.“ Es wäre besser und zielführender, „wenn die Baufamilien vonseiten der Gemeinde rechtzeitig über die Vorgaben informiert werden“. Aber auch als Gemeinde selbst könne man noch viel tun. „Nicht nur, indem wir Bäume erhalten oder ersetzen. Sondern auch, wenn wir unsere Grünflächen effizienter anlegen. Und zwar so, dass sie nicht nur pflegeleicht sind, sondern auch ökologisch und optisch überzeugen“, plädierte Bamberg für die Baumpflanzungen.
Vorgärten begrünen
Auch bei ihm und seinen Fraktionskollegen sei niemand vorstellig geworden, erklärte Thorsten Jakobi (CDU). Ein Problem seien die Hundebesitzer, „die sich danebenbenehmen und deshalb keine Bäume wollen“. Ein geänderter Beschluss würde das Pferd von der falschen Seite aufzäumen. Die Anwohner sollten lieber für ihre Autos die Einfahrten nutzen und ihre Vorgärten mehr begrünen.
Hanspeter Rausch (SPD) bezeichnete die Carl-Benz-Straße als „eine der wichtigsten Verbindungsachsen“ im Ort. Man habe sich lange Gedanken gemacht und sei auf die aktuelle Ausbauvariante als einen „Kompromiss von vielen Vorteilen“ gekommen. Die Schattenwirkung von Bäumen sei enorm, meinte der Biologe: „Wir müssen zugunsten der Umwelt Richtung Grün gehen.“ Der Wohnwert in Straßen mit Bäumen sei hoch. Seine Fraktion werde von dem ursprünglichen Beschluss nicht abrücken. Er könne nicht verstehen, warum sich keiner der Anwohner rechtzeitig gemeldet habe: „Allgemeinwohl geht über Einzelwohl.“
Man mache keinen Unterschied zwischen Grundstückseigentümern, Mietern oder „Baumscheibenanliegern“, denn alle benötigten einen Parkplatz in einem Areal, „das von der Grundfläche schon nicht den gesamten Bedarf decken kann“, führte Sven Nitsche (FWV) aus. Seine Fraktion hätte in den Beratungen zuvor angeregt, angesichts des grünen Erscheinungsbildes der Straße durch die Vorgärten auf Bäume ganz zu verzichten. Das hätte aber keine Mehrheit im Rat gefunden. Die meisten Grundstücke hätten Vorgärten, eine „grüne Lunge“ sei sowohl fürs Klima als auch für die Optik vorhanden. Mit Bäumen werde es weniger Parkraum geben als vor der Sanierung. Eine einzelne Baumscheibe habe zwar nicht die Dimension eines Parkplatzes, der Wegfall von Bäumen bringe aber für den Einfahrtsbereich trotzdem Platz. Viele Anwohner könnten auch gar nicht in den hinteren Grundstücksbereich einfahren. „In der Abwägung zwischen Verkehrssituation, Anliegerbedürfnissen und Baumscheiben sind wir der Meinung, dass wir hier auf die sechs Baumscheiben verzichten können“, bekräftigte Nitsche.
Thomas Birkenmaier (CDU) befürwortete die Anpflanzung von Bäumen. Man habe sich bei einer Radtour mit der Fraktion ein Bild von der Carl-Benz-Straße gemacht und die möglichen Baumstandorte in Augenschein genommen. Höchstens drei, eher nur zwei Stellplätze in der Straße würden verlorengehen: „Wir leben in einer Demokratie. Die Bürger sind zu spät dran mit ihren Unterschriften.“
Der bisherige Beschlussvorschlag, im hinteren Bereich der Carl-Benz-Straße sechs Baumstandorte anzulegen, ging bei fünf Gegenstimmen der FWV-Fraktion mehrheitlich durch.
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