Gemeinderat

Geplanter Solarpark in Neulußheim potenzielles Aufregerthema

Bei der Gemeinderatssitzung im Bürgersaal Neulußheim herrscht ein wahrer Besucheransturm. Trotz Widerstands sollen die Pläne zur Errichtung einer Photovoltaikanlage ohne Zwang zur Umsetzung weiterverfolgt werden.

Von 
Andreas Wühler
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Blick vom Friedhof in Richtung Biohof Merz – die Fläche im Vordergrund, die von Merz bewirtschaftet wird, ist als Gewerbegebiet ausgewiesen und als Standort für eine Freiflächen-Photovoltaikanlage im Gespräch. © Lenhardt

Neulußheim. Das Thema Solarpark hat das Potenzial, zum Aufregerthema schlechthin in der Gemeinde zu werden. Schon die mit der Ankündigung der Ratssitzung verbundene Veröffentlichung der Pläne, das als Gewerbegebiet ausgewiesene Gebiet am Friedhof für einen Solarpark zu nutzen, sorgte für Aufsehen, die eigentliche Sitzung dann am Donnerstag im Bürgersaal des Rathauses ließ dieses fast aus allen Nähten platzen, so groß war der Ansturm der Besucher. Was Bürgermeister Gunther Hoffmann am Ende der Debatte um die Photovoltaik zu der Erkenntnis brachte – wenn das Thema nochmals auf die Tagesordnung kommt, dann findet die Sitzung im Haus der Feuerwehr statt, wo genügend Platz vorhanden ist.

Und dass das Thema nochmals auf die Agenda kommt, dafür sorgte der Gemeinderat mit seinem Votum. Zwar konnten sich alle am Ratstisch nicht mit der Formulierung der Beschlussvorlage – „grundsätzlich für eine Realisierung“ – anfreunden, doch einigte man sich letztlich auf die Aussage „kann sich vorstellen“. Gleichzeitig wurde die Verwaltung beauftragt, von potenziellen Investoren Angebot einzuholen, auf deren Grundlage dann über eine Umsetzung – oder eben nicht – der Pläne diskutiert werden soll.

Umwelt-Zielkonflikt bei der Entscheidung zwischen Photovoltaik und Landwirtschaft

Solarstrom und Photovoltaik – Begriffe an denen sich niemand mehr stört, angesichts des Klimawandels und der Energiekrise genießt die Kraft der Sonne großen Zuspruch bei den Bürgern. Schwierig wird die Diskussion dann, wenn die umweltfreundliche Stromerzeugung zulasten eines anderen, für das Klima wichtigen Faktors geht – die ökologische Erzeugung von Lebensmitteln.

Genau dies ist in der Vier-Sterne-Gemeinde der Fall. Die Flächen des bisher nicht realisierten Gewerbegebiets werden von Biobauer Merz bewirtschaftet. Und dieser sieht mit der Verwirklichung der „Freiflächen-Photovoltaikanlage“ (FF-PVA) die Existenz seines Betriebs gefährdet. Würde der Anlage doch ein Fünftel seiner Anbaufläche zum Opfer fallen, was er nicht kompensieren könne.

Hubert Merz nutzte die Ratssitzung, um seine Sicht der Dinge zu schildern. Wie er betonte, wird die Fläche von seiner Familie seit 40 Jahren bestellt, mittlerweile ihm ökologischen Landbau, was nicht nur für Flora und Fauna, sondern auch für das Klima ideal sei. Wie der Biologe Hanspeter Rausch (SPD) später erläuterte, können ökologisch bearbeitete Böden beispielsweise mehr CO2 speichern als der Wald.

Neulußheimer Landwirt fordert die Nutzung einer alternativen Fläche

Merz sprach sich dafür aus, andere Fläche zu nutzen, entlang von Wegen, auf Müllhalden oder Dächern – in der Gemeinde seien weniger als zehn Prozent der Dächer mit einer Photovoltaikanlage bestückt. Doch ökologischen Landbau, seinen Betrieb mit 32 Arbeitsplätzen, dem Solarstrom zu opfern, sei auch für das Klima wenig hilfreich. Unter Photovoltaikanlagen wachse kein Gras mehr, der Boden könne kein Wasser mehr aufnehmen und das Mikroleben in ihm sterbe ab. Und, fügte er noch hinzu, werde das Gelände für die Photovoltaik genutzt, könne es nie mehr als Ackerland oder Gewerbegebiet ausgewiesen werden, bliebe es Grünfläche.

Doch Merz ist nicht der einzige, der von der FF-PVA bedroht wird, auch Obstbauer Rainer Hoffmann, sieht sich bedroht. Mit ihm und Merz könnten die letzen Landwirte der Gemeinde durch die Pläne zum Aufgeben gezwungen werden.

Bürgermeister Hoffmann erinnerte an die Historie des Geländes, das vor über 20 Jahren zu einem Gewerbegebiet umgewidmet wurde und seitdem als solches im Flächennutzungsplan steht. „Es ist nichts Neues, das dort gebaut werden soll“, stellte er fest. Bisher habe man Gewerbeansiedlungen verhindert, da man den nahe gelegenen Friedhof respektiere. Doch nunmehr erlaube der Gesetzgeber die Errichtung von Photovoltaikanlagen, weshalb der dem Rat nun entsprechende Pläne unterbreite. Jeder brauche Strom, die Gemeinde wolle klimaneutral werden – man müsse handeln, so der Bürgermeister, der sich im allgemeine kein Sorgen um die Landwirtschaft macht, solange noch Golfrasen angebaut und gedüngt werde.

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Wie Hoffmann im weiteren Verlauf noch anmerkte, sei er verpflichtet, entsprechende Pläne aufzugreifen, den Rat entscheiden zu lassen. Immerhin habe dieser das Gewerbegebiet beschlossen. Wenn er dort kein Gewerbe mehr wolle, dann müsse er die Pläne ändern.

Soweit wollte Andreas Sturm (CDU) nicht gehen. Für ihn ist klar, entsprechende Pläne dürfen nicht zulasten von Merz gehen. Doch um über solche zu entscheiden, müssten sie erst vorliegen, weshalb der Rat das Thema weiterverfolgen solle. Sturm verwies auf neue Techniken, beispielsweise Agri-PVA, dabei werden die Module hochaufgeständert montiert, die für die Zukunft hoffen lassen. Monika Schroth (Grüne) störte sich schon am Begriff des „Solarparks“ – es sei eine 28 Fußballfelder große Anlage, über die sie nicht grundsätzlich entscheiden wolle. Wenn schon grundsätzlich, dann hinsichtlich der Frage, ob es sinnvoll sei, dort Strom zu erzeugen wo regionale Produkte biologisch produziert würden. Immerhin, warf sie in die Waagschale, Merz sei der größte Gewerbesteuerzahler der Gemeinde.

Gemeinderat Neulußheim zeigt Verständnis für den Protest der Landwirtschaft

Andere Gemeinden wären froh, einen Biolandwirt ihr eigen zu nennen, würden schon nicht mehr an konventionell wirtschaftende Landwirte verpachten, stellte Rausch für die SPD fest und wollte gleichfalls vorrangig andere Fläche in Betracht ziehen. Ingeborg Bamberg (WfN) verwies auf die geänderten Zeiten, regenerative Energien seien gefragt und von Solar- bis zur Windenergie müsse alles durchdacht werden. Doch wertvoller Ackerboden dürfe dabei nicht verlorengehen.

Sven Nitsche (FWV) sah den Punkt als nicht fundamental an, sondern als Mandat an die Verwaltung, weitere Überlegungen anzustellen. Deren Ergebnisse, mit fundierten Zahlen, sollten dann dem Rat zur Entscheidung vorgelegt werden.

Letztlich einigte sich der Rat auf diese Vorgehensweise, ersetzte den Grundsatz durch die Möglichkeit und stimmte der Vorlage mehrheitlich zu. Nicht ohne dass Sturm und Rausch an die Bürger appellierten, zu prüfen, wo sie selbst tätig werden können.

Redaktion Zuständig für die Verwaltungsgemeinschaf

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