Neulußheim. Mitte Dezember brachte Bürgermeister Gunther Hoffmann den letzten Haushaltsplan seiner Amtszeit für Neulußheim ein. Im Januar diskutierten die Fraktionen und fügten Anträge hinzu. Am Donnerstag wurde das Zahlenwerk für 2024 verabschiedet und auch die Wirtschaftspläne für die Eigenbetriebe Wasserversorgung und Abwasserentsorgung wurden auf den Weg gebracht.
Kosten steigen: Neulußheim muss wohl eine Million Euro an Kredit aufnehmen
Im aktuellen Haushaltsjahr kann Neulußheim die ordentlichen Aufwendungen mit ordentlichen Erträgen ausgleichen, was mit dem geplanten Ergebnis von 176 800 Euro zu Buche schlägt. Das liegt vor allem an sehr guten Zahlen des Finanzausgleichs. Bei den Schlüsselzuweisungen darf sich die Gemeinde auf 4,7 Millionen Euro freuen. Das ist deutlich mehr als 2023. Die Personalkosten sind gestiegen und eine Kreditaufnahme von einer Million Euro ist vorgesehen. Bei den Investitionen für den Eigenbetrieb Wasserversorgung wurde ein Pauschalbetrag von 120 000 Euro angesetzt. Konkrete Maßnahmen sind nicht geplant. Für den Eigenbetrieb Abwasserentsorgung wurden 70 000 Euro pauschal eingestellt und für die Tilgung von Darlehen 170 600 Euro veranschlagt.
Für Heinz Kuppinger (Freie Wähler) führen geringer werdende Überschüsse dazu, „dass wir Investitionen zur Verbesserung beziehungsweise Erhaltung der Infrastruktur einschränken müssen, wenn wir uns nicht immer weiter über Kredite verschulden wollen“. Jede Aufwendung und jede Investition müsse „auf Machbarkeit und Sinnhaftigkeit geprüft werden“. Neulußheim habe das bisher gut gemacht, müsse es aber „noch stringenter angehen“.
Kuppinger ging mit Bund und Land ins Gericht. Kommunen würden „quasi als Erfüllungsgehilfen“ immer mehr und neue Aufgaben aufgebürdet. Die Kosten der Kinderbetreuung seien durch immer neue Auflagen „explodiert“. Dauerhaft werde keine Kommune die zusätzlichen Belastungen schaffen können.
Er kritisierte die Abhängigkeitsverhältnisse zu Bund und Land. Es sei besser, Kommunen direkt mehr finanzielle Einnahmemöglichkeiten zu geben, „statt erst zu geben und sich dann fast den gleichen Betrag zurückzahlen zu lassen“. Wenn man den Zuweisungen und dem Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer die Kosten für die Pflichtaufgaben gegenüberstelle, bliebe für selbstbestimmte innovative Investitionen nur ein sehr geringer Spielraum.
Der erhöhte Finanzbedarf dürfe nicht über drastisch höhere Grundsteuereinnahmen zulasten der Bürger gedeckt werden, forderte er, „noch 2024 eine deutliche Absenkung des Grundsteuer-Hebesatzes vorzunehmen“. Zwei notwendig erachtete Anträge seien berücksichtigt worden: Für öffentliche Gebäude werden Defibrillatoren beschafft und die Rundlaufbahn am Sportplatz wird erneuert. Neulußheim sei finanziell „noch gut aufgestellt“. Es gebe keinen Sanierungs- oder Investitionsstau bei öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen, dazu habe man ein vorbildliches Angebot bei der Kinderbetreuung. Bei der Abwasserentsorgung plädierte er für eine Erhöhung der Abwassergebühren, um 82 000 Euro Defizit auszugleichen. Dank ging an Kämmerer Andy Strittmatter und Bürgermeister Hoffmann, der es stets habe, „durch gutes Wirtschaften positive Haushaltszahlen zu präsentieren“.
Thomas Birkenmaier (CDU) rechnete mit der Bundespolitik ab: „Deutschland treibt in die Rezession, während alle Länder um uns herum nicht diese Probleme haben.“ Zeiten „sprudelnder Steuereinnahmen“ seien vorbei, auch hier. Der Kreis müsse Schulden im Kernhaushalt erhöhen und Kommunen über die Kreisumlage stärker zur Kasse bitten. Trotz handfester Auswirkungen könne Neulußheim seinen Ressourcenverbrauch voraussichtlich voll erwirtschaften, obwohl die Personalkosten und ordentlichen Aufwendungen stiegen und die geplanten Steuereinnahmen „auf Talfahrt“ seien. Trotz drohender Rezession investiere man vor Ort 3,3 Millionen Euro in größtenteils mehr oder weniger nachhaltige Maßnahmen. Davon entfielen allein auf die Flüchtlingsunterkunft 750 000 Euro, dafür gebe es auch keine Alternativen. Wenn die Gemeinde allerdings Häuser aufgekauft hätte, „wäre das ein fatales Signal an die Bürger gewesen, die sich zum großen Teil trotz Arbeit kein Haus leisten können“. Birkenmaier: „Dieses Land läuft komplett in die Rezession, aber die Politik weiß offensichtlich gar nicht, was das ist, und hat deshalb auch keine Bedenken, geschweige denn Einsicht in ihr falsches Handeln.“
Neulußheim hat sich an keinen ideologischen Projekten beteiligt
Neulußheim stehe recht gut da, „weil in den letzten zehn bis 15 Jahren gut gewirtschaftet wurde“. Die Personaldecke in der Kernverwaltung sei nicht aufgebläht und man habe sich „nicht an ideologischen Projekten wie die Gemeinschaftsschule beteiligt“.
Monika Schroth (Grüne) verwies auf den Finanzhaushalt, der trotz weniger Einnahmen schwarze Zahlen schreibe, „aber nur durch den Verkauf eines letzten Baugrundstücks der Gemeinde, das wird zukünftig nicht mehr möglich sein“. Die mittelfristige Finanzplanung sehe deutlich schlechter aus: „Das macht schon ein bisschen Angst.“ Die stets betonte „schlanke Verwaltung“ im Rathaus führe zu einer „manchmal gefühlt zu dünnen Personaldecke“ für bestimmte Aufgaben, auf Dauer werde man wohl nicht ohne Klimaschutzmanager auskommen. Der Klimawandel sei nicht nur eine Krise, „sondern ein Dauerzustand, dem mit aller Kraft entgegengewirkt werden muss“. Schroth kritisierte die Verkehrs- und Parksituation und plädierte für eine Aufstockung im Ordnungsamt. Der Antrag der Fraktion, das Programm zur Förderung von Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz auf dem Gemeindegebiet fortzusetzen, habe keine Mehrheit gefunden. Für dringend benötigte Schulsozialarbeit sei die Aufstockung um eine halbe Stelle „Einstieg in ein drängendes Thema“. Vor allem sei wichtig, Investitionen dieses Jahr auch umzusetzen. Ihre Fraktion stimme dem Haushaltsplan „mit Bauchschmerzen zu – wegen fehlender weiterer Investitionen im Klimaschutz“.
Ingeborg Bamberg (Wir für Neulußheim) zollte Hoffmann Respekt, insbesondere im Baubereich. Er habe die finanziell starken Jahre genutzt, um die Renovierung der öffentlichen Gebäude voranzutreiben und die Infrastruktur zu ertüchtigen. Mit dem Bau der Heidemann-Halle habe er besonderen Mut gezeigt. Die Steuereinnahmen gingen zwar nicht zurück, aber steigende Kosten verkleinerten finanziellen Spielräume.
Mit Photovoltaik und Co.: Energiekosten sollen sukzessive gesenkt werden
Für die Herausforderungen der nächsten Jahre forderte Bamberg „Tempo bei energetischen Optimierungen, um die Energiekosten zu senken, schon aus Eigeninteresse“. Dass man es nicht geschafft habe, eigene Gebäude mit bedarfsorientierten Photovoltaikanlagen auszustatten, sei kein Ruhmesblatt.
Auch eine Gemeindeverwaltung müsse künftig mehr wie ein Familienunternehmen denken. Herausforderungen müsse man mit innovativen Konzepten begegnen und langfristig optimale Ergebnisse erzielen: „Diese Fähigkeit habe ich in den letzten Jahren vermisst.“ Ebenso fehle eine erkennbare Strategie.
Hanspeter Rausch (SPD) sprach von einem Krisenmodus, „in dem vieles nicht rundläuft und auf allen Entscheidungsebenen auch Fehler gemacht werden“. Es könne aber nicht sein, „dass aus dieser Krisensituation mit populistischen Phrasen und ausschließlich destruktiver Kritik politisches Kapital geschlagen wird“, warnte er davor, „dass wir zuschauen, wie Rechtsradikale mit menschenverachtender Gesinnung unsere Demokratie infrage stellen beziehungsweise abschaffen wollen“. Der Gemeinderat zeige in jeder öffentlichen Sitzung, dass und wie Demokratie funktioniert.
Das Flüchtlingsthema kommt in Neulußheim auch wieder auf
Rausch ging auf für die SPD-Fraktion wichtige Projekte ein: Die Aufstockung der Containeranlage im Sandbuckel zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen gefalle seiner Fraktion nicht: „Wir hätten es begrüßt, wenn die Gemeinde dezentral Wohnraum angemietet oder gekauft hätte.“ Die Flutlichtanlage am Sportplatz sollte auf energiesparende LED-Technik umgestellt und der Platz zwischen Hardthalle und Heidemann-Halle optisch aufgewertet werden. Ein besonderer Punkt, den die Fraktion seit Jahren verfolge, sei die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. „Bisher ohne Erfolg“, bedauerte Rausch und dankte Hoffmann für die Realisierung vieler Ziele der SPD, „auch wenn hin und wieder Ihre und unsere Vorstellungen um den richtigen Weg weit auseinander lagen“.
Das Gremium war einstimmig für den Haushaltsplanentwurf sowie die Wirtschaftspläne für Eigenbetriebe Wasserversorgung und Abwasserentsorgung.
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