Reilingen. Nicht nur beim Kämmerer und beim Bürgermeister schrillen die Alarmglocken, auch der Gemeinderat ist angesichts der tiefroten Zahlen des Haushaltsplans 2024 erschüttert, wie der beklemmenden Stimmung zu entnehmen war, die in der Aula der Schillerschule herrschte, als Bürgermeister Stefan Weisbrod das Zahlenwerk einbrachte. Ein negatives ordentliches Ergebnis im Gesamtergebnishaushalt von minus zwei Millionen Euro – um diesen Betrag übersteigen die laufenden Kosten die laufenden Einnahmen – zwingt zum Handeln. Zumal der Kämmerer in diesem Jahr mit einer Neuverschuldung von über neun Millionen Euro plant, auch wenn das Gros davon, 7,5 Millionen Euro, an die Eigenbetriebe KWG, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung weitergereicht wird.
Bis 2027 plant Reilingen nochmals 20 Millionen Euro an Kreditaufnahmen
In der Finanzplanung bis 2027 kommt es noch dicker, da wird mit einer weiteren Kreditaufnahme von 20 Millionen Euro kalkuliert, abzüglich der Weitergabe an die Eigenbetriebe. Dennoch, bis 2027 besteht ein Kreditbedarf von über 30 Millionen Euro.
Allerdings, das machte Bürgermeister Weisbrod deutlich, es handelt sich um einen Haushaltsplan – in der Realität soll es nicht so schlimm kommen. Bereits am Samstag, 13. Januar, habe eine Klausurtagung des Gemeinderates stattgefunden, bei der in einer ersten Runde der Rotstift angesetzt wurde. Und bis zur Verabschiedung des Haushaltsplans Mitte Februar werden weitere Runden folgen, so der Rathauschef.
Dem Zahlenwerk selbst konnte Weisbrod für die Bürger nur eine positive Botschaft entnehmen – es wird keine Anpassungen geben. „Weder bei den Steuern, noch bei den Abgaben und Gebühren sind Erhöhungen geplant“, betonte der Bürgermeister, der den Menschen auf kommunaler Ebene nicht noch mehr zumuten will, als ihnen schon von Bund und Land aufgebürdet werde.
Kommunen wie Reilingen bekommen immer mehr Aufgaben vom Land übertragen
Womit Weisbrod die Mitschuldigen an der Misere ausgemacht hatte – immer mehr Aufgaben würden den Kommunen übertragen, ohne dass es einen entsprechenden finanziellen Ausgleich gebe. Mit der Folge, dass es der Gemeinde erstmals nicht mehr gelinge, dass die laufenden Ausgaben von den laufenden Einnahmen gedeckt sind.
Wie der Bürgermeister hinzufügte, habe Reilingen zügig mit der Rechtsaufsichtsbehörde Kontakt aufgenommen, als feststand, dass man den Haushalt nicht ausgleichen kann. Wie ihm zurückgemeldet wurde, befindet sich die Gemeinde damit in großer Gesellschaft – gut drei Viertel der Kommunen im Kreis sind in der gleichen Lage.
Als Gründe für die Schieflage führte Weisbrod mehrere Punkte an, so die Inflation und die allgemeine Preissteigerung. Er verwies unter anderem auf die Tarifsteigerungen von rund zehn Prozent, die mit dazu führten, dass die Personalkosten um eine halbe Million Euro anstiegen, nun bei über sechs Millionen Euro liegen. Hinzu kämen Neueinstellungen und die Besetzung von Planstellen sowie die Lage am Arbeitsmarkt – Neueinstellungen würden teurer.
Die Tariferhöhungen sprach Weisbrod auch an, da sie die Gemeinde nicht nur direkt treffen – auch der Kreis sei betroffen, der deshalb und auch wegen der miserablen Situation der Krankenhäuser, die Kreisumlage kräftig angehoben habe. Fast 900 000 Euro mehr muss die Gemeinde aufwenden, die Umlage steigt auf 3,8 Millionen Euro. Zusammen mit der um über 400 000 Euro erhöhten Finanzausgleichsumlage gut 1,3 Millionen Euro, die der Gemeinde im Haushalt fehlen, ohne dass sie hierauf einen Einfluss hat, wie Weisbrod vorrechnete.
Doch der Punkt, an dem sich die Kommune am meisten im Stich gelassen fühlt, ist der Bereich der Kinderbetreuung. In diesem Jahr, so Weisbrod, werde der Zuschussbedarf, sprich der Anteil der Gemeinde, an den Betreuungseinrichtungen auf fast vier Millionen Euro steigen – vor zehn Jahren lag der ungedeckte Aufwand noch bei 880 000 Euro.
Oder, wie es Bürgermeister Weisbrod formulierte, für jeden Betreuungsplatz müsse die Gemeinde und damit der Bürger 10 000 Euro aufbringen. Ein enormer Anstieg, der von erhöhten Standards und größeren Anforderungen ausgelöst wurde, ohne dass die Gemeinde dafür eine Gegenleistung erhalte.
Der Eigenbetrieb Wasserversorgung bringt Reilingen wohl Gewinn
Kämmerer Christian Bickle hatte dem wenig hinzuzufügen, er lenkte den Blick auf die anstehenden Investitionen mit einem Volumen von gut elf Millionen Euro, von denen die Eigenbetriebe 7,5 Millionen übernehmen. Im Eigenbetrieb Wasserversorgung wird mit einem Gewinn kalkuliert, bei der Abwasserbeseitigung muss der Umbau des Alten Klärwerks gestemmt werden – 3,7 Millionen Euro sind veranschlagt. Und die KWG plant in der Zeppelinstraße den Bau von zwei Mehrfamilienhäusern, wofür ihr von der Gemeinde ein Darlehen gewährt wird.
Sabine Petzold (FW) riet zu einem bewussten Umgang mit der Verschuldung und warnte vor einer Kreditaufnahme in exorbitanter Höhe. Zumal im Dorf über einen Schulneubau, einen neuen Kindergarten spekuliert werde. Hier erhofft sie sich mehr Infos der Verwaltung an die Bürger. „Wir haben den Rotstift angesetzt, müssen den Gürtel enger schnallen“, betonte sie.
Peter Kneis (CDU) verwies auf die vielen vom Gesetzgeber vorgegebenen Ausgaben, auf die die Gemeinde keinen Einfluss habe. Kredite, die an die Eigenbetriebe weitergereicht würden, seien nicht das Problem, da sie rentierlich seien, zuckte Kneis vor der prognostizierten Schuldenhöhe nicht zurück. Und, betonte er, geplante Investitionen seien noch keine Ausgaben, hier habe der Rat das letzte Wort.
Reilinger SPD-Ratsmitglied rät zu einer Budgetierung
Dr. Stefan Reschke (FDP) kritisierte die Übertragung von Aufgaben an die Gemeinden ohne Ausgleich und Peter Geng (FW) verurteilte angesichts der anstehenden Investitionen in die Schule die hohen Anforderungen, die in seinen Augen zum Teil überzogen sind. Dieter Rösch (SPD) wollte diese Kritik so nicht stehen lassen – „bei Fußball und Bildung sind alle Experten“ – und riet zu einer Budgetierung.
Bevor der Haushaltsplan im Februar verabschiedet wird, werde noch der Rotstift angesetzt, erläuterte Weisbrod im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Finanzplanung bis 2027 sei eine Vorgabe, die jedoch viele Unschärfen enthalte und deren Inhalte nicht gänzlich umgesetzt würden.
Allerdings, die gesetzlichen Vorgaben für die Ganztagsbetreuung an der Grundschule müssten umgesetzt und von der Gemeinde bezahlt werden. Die im Raum stehenden acht Millionen Euro seien von der Gemeinde jedoch nicht zu stemmen, eben so wenig wie die vier Millionen Euro für das „Haus der kleinen Sterne“. Hier müssten jetzt Alternativen gefunden werden.
Grundsätzlich gelte, so der Bürgermeister, wie auf der Klausurtagung besprochen: streichen, reduzieren, abspecken und verschieben. „Die fetten Jahre sind vorbei, es gibt keine heiligen Kühe mehr.“ Dazu zählt für ihn beispielsweise das geplante Vordach bei der Aussegnungshalle – nicht mehr finanzierbar. Auch der Straßen- und Wegeunterhalt komme auf den Prüfstand, die Vergabe von Fremdleistungen müsse reduziert werden.
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