Neulußheim. Angesichts des Tagesordnungspunktes „Gewerbepark B 36 – Solarpark / Gewerbe“ der Gemeinderatssitzung am Donnerstag, 9. November, kann Landwirt Hubert Merz nur den Kopf schütteln. Schon im Frühjahr, als erstmals Pläne bekanntwurden, das Gelände östlich des Friedhofs und entlang der Landstraße Richtung Reilingen, sowie ein Stück nördlich des Friedhofs, mit einem Solarpark zu bestücken, die Rede war damals von einer Größenordnung von gut 20 Hektar, brachte er seine Einwände vor, sprach er von einem falschen Signal für die Landwirtschaft. Wertvoller Ackerboden dürfe nicht der Erzeugung von Strom geopfert werden. Doch nun, acht Monate später, hat sich kaum etwas an den Plänen geändert, trotz Diskussionen im Rat, an den Plänen soll festgehalten werden.
Und liest man die Sitzungsvorlage, so hat es anscheinend Bewegung gegeben, die ausgewiesene Fläche für den Solarpark hat sich halbiert, im Plan stehen noch 9,4 Hektar. Dafür soll im Gegenzug entlang der Landstraße ein Gewerbegebiet ausgewiesen, auf dem aktuell nur ein kleiner Teil für die Ansiedlung einer Firma realisiert werden soll. Die Rede ist dabei von gut zwei Hektar, wie Merz anhand der Pläne ausgerechnet hat.
Dem Neulußheimer Landwirt geht es um die Natur und den Klimaschutz
Was in der Summe für den Biobauern keine Verbesserung der ursprünglichen Pläne darstellt. Im Gegenteil, langfristig sei mit gravierenden Folgen zu rechnen. Wobei er weniger seinen Betrieb im Sinn hat, auch wenn er die Entwicklung für diesen als bedrohlich empfindet. Nein, ihm geht es vordringlich um die Natur und damit letztlich um den Klimaschutz.
Klar, räumt er ein, die mögliche Entwicklung sei ihm „bereits seit vielen Jahren bekannt“, wie es in der Sitzungsvorlage formuliert ist, dennoch habe er an eine Realisierung der Pläne nicht geglaubt. Und, fügte er am Rande hinzu, Möglichkeiten und Alternativen seien ihm keine aufgezeigt worden.
Fakt ist, die fragliche Fläche wurde in den 1990er Jahren im Flächennutzungsplan der Verwaltungsgemeinschaft Hockenheim als Gewerbegebiet ausgewiesen. Doch dass diese Pläne fast ein Vierteljahrhundert später in einer Welt, die unter Naturzerstörung und Klimawandel leidet, noch umgesetzt werden sollen, das hätte sich der Landwirt nicht träumen lassen. Zumal das „Interkommunale Gewerbegebiet“ längst kein solches mehr ist, die Nachbargemeinde Reilingen verfolgt entsprechende Ziel nicht mehr.
Wie soll landesweit das Ziel der Netto-Null beim Flächenverbrauch erreicht werden, wenn in Baden-Württemberg täglich sechs Hektar Fläche versiegelt werden – deutschlandweit sind es täglich 80 Hektar – weist Merz auf die Endlichkeit der Natur hin.
Noch mehr schmerzt ihn, dass die von ihm bewirtschafteten Böden seit Jahren nach ökologischen Gesichtspunkten bestellt werden. Die Felder des Biobetriebs können nicht nur mehr CO2 speichern als vergleichbare Waldböden, sie können auch mehr Regen aufnehmen, da sie durch den Humusaufbau über ein zigfach größeres Porenvolumen verfügen. Dieser Faktor wird durch eine Versiegelung vernichtet und auch eine Photovoltaikanlage verschlechtert die Situation, da der Regenabfluss auf einer geringeren Fläche erfolgt, sich die Oberfläche in diesem Bereich verdichtet, das Wasser oberirdisch abfließt. Wohin das führen kann, habe man dieser Tage anschaulich in der Toskana, im Gebiet um Florenz sehen können, wo die Böden nicht in der Lage waren, den Starkregen aufzunehmen.
Auch hierzulande nehmen Stark-regenereignisse zu, so Merz, in dessen Augen es mit Vernichtung der Böden so nicht weitergehen kann. Das es auch anders gehen kann, zeigt Merz das Beispiel der Gemeinde Plankstadt. Deren Gemeinderat hat bewusst auf Freiflächenphotovoltaikanlagen zugunsten der Landwirtschaft verzichtet. Diesem Beispiel können Neulußheim folgen, die Pläne für ein Gewerbegebiet und den Solarpark können aufgegeben werden.
Zumal sich dies in den Augen von Merz nicht rechnen. Aktuell sei laut Statistik bei Freiluftphotovoltaikanlagen mit einem Pachtzins zwischen 3000 und 4000 Euro pro Hektar zu rechen, woher der im Raum stehende sechsstellige Eurobetrag an Einnahmen kommen soll erschließt sich dem Landwirt nicht. Und die prognostizierten Erschließungskosten von gut 600 000 Euro für das Gewerbegebiet hält er gleichermaßen für zu billig kalkuliert. Kurzum, das Projekt macht für ihn aus ökonomischer Sicht keinen Sinn.
Merz: In Neulußheim gibt es genügend Alternativflächen für den Solarpark
Doch das ist nicht der Ansatzpunkt von Merz, ihm geht es um die Ökologie. In der Gemeinde gebe es so viele geeignete und ungenutzte Flächen für Photovoltaikanlagen, vom Rewe-Parkplatz – hier wären die Pkw im Sommer obendrein beschattet – über den geplanten Parkplatz bei der Olympia bis hin zu den Hallendächern und den Dächern überhaupt, dass es keiner weiteren Versieglung für eine Freiflächenphotovoltaikanlage bedürfte.
Nein, bei den vorliegenden Plänen sieht Merz eher den monetären Gedanken im Vordergrund – „wenn man an nachhaltigen Energieformen interessiert ist, hätte man schon längst handeln müssen“. Zumal andere ins Spiel gebrachte Ideen, Windkraft, nicht weiter verfolgt worden seien. Dabei, rechnet Merz vor, könne ein Windrad auf einer Fläche von 300 Quadratmetern soviel Strom erzeugen wie auf der gesamten Fläche des Solarparks geplant.
Ungeachtet der Lage für seinen Betrieb und ungeachtet des Umstands, das niemand mit ihm, der schon sei Jahren mit seinem Betrieb im Ort präsent ist, Kontakt aufgenommen hat, sorgt sich Biolandwirt mehr mehr um die Zukunft der Landwirtschaft. „Billiger Strom ist nicht alles“, ohne Flächen für den Anbau von Nahrung könne man nicht leben. Und über die Folgen der weiteren Bodenversiegelung vor dem Hintergrund des Klimawandels mache man sich viel zu wenig Gedanken.
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