Neulußheim. Behutsam hält sich Wolfgang Sinne das Glasröhrchen an den Mund und fast gleichzeitig halten die im evangelischen Gemeindehaus versammelten Grundschüler die Luft an. Denn sie werden nun Zeuge, wie aus einem Stück Glas einer Blume erblüht. Die Kunst von Sinne. Denn der Coburger versteht sich auf ein Handwerk, das hierzulande ein Nischendasein fristet – er ist Glasbläser.
Sinne, der in Coburg noch eine Glasbläserei betreibt, hat es sich zu seiner Aufgabe gemacht, Schülern sein Handwerk näherzubringen, sie mit alten Traditionen vertraut zu machen. Klar, Glasblumen oder mundgeblasene dekorative Tierfiguren, sind eher Augenfänger als wirklich nützliche Alltagsgegenstände, aber schon beim Trinkglas oder der Vase liegt der Nutzen auf der Hand. Und Funktion muss Schönheit ja nicht ausschließen.
Altes Handwerk stößt auf große Begeisterung bei den Neulußheimer Schülern
Eine Intention, die Daniel Ehmer, der Leiter der Markusschule, teilt. Altes Handwerk den Kindern näherzubringen, sie mit den Fertigkeiten der Altvorderen vertraut zu machen, ist auch ihm ein Anliegen. Weshalb an diesem Tag alle Klassen der Grundschule im Herzen der Gemeinde in den Genuss kommen, dem Glasbläser bei der Arbeit zuzuschauen.
Wie alt der Umgang mit dem Werkstoff Glas ist, verdeutlicht Sinne den Schülern mit wenigen Worten: Vor gut 4000 Jahren waren es die Ägypter, die als erste entdeckten, dass sich aus Quarzsand Glas herstellen lässt. Über Italien kam die Kunde nach Deutschland und heutzutage ist Glas aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken.
Hingegen das Handwerk des Glasbläsers schon. Doch egal, wofür das Glas verwendet wird, seinen Ursprung hat es im Quarzsand, der bei rund 1400 Grad Celsius schmilzt, wie Sinne den Kindern erklärt. Sinne hatte einige Glasröhrchen dabei, die er als Basis für sein Handwerk nutzt. Wobei er das Glas noch mit dem Mund bläst, technische Hilfsmittel, wie sie zum Teil in der Industrie verwendet werden, bei seinem Handwerk nicht genutzt werden.
Kinder aus Neulußheim zeigen Fantasie und Fertigkeit
Das Röhrchen, am unteren Ende geschlossen, wird an dieser Stelle über einer heißen Flamme erhitzt, dabei stetig gedreht, um die Hitze gleichmäßig zu verteilen. Dann bläst Sinne in das obere Ende, der Luftdruck formt das Gegenstück zur Kugel. Ist diese schön rund, saugt der Glasbläser die Luft in der Röhre an – es gibt eine Stülpung nach innen, der Boden bildet sich.
Nun kommt das Gebilde in eine Halterung, das obere Ende wird erhitzt und zur Vase gestaltet. Die Kinder kommen kaum aus dem Staunen heraus, wie schnell aus einem Glasröhrchen eine Vase geworden ist. Und anhand der in allen Farben leuchtenden Figuren, die der Glasbläser hergestellt und auf seinem Werktisch ausgebreitet hat, erkennen die Grundschüler schnell, dass nur die Fantasie seiner Arbeit Grenzen setzt.
Was er mit seinem zweiten Objekt schnell demonstriert. Ruckzuck wird aus dem Glas kein Entchen, sondern ein strahlender Schwan. Und als dann zwei Kinder nach vorne dürfen, um sich selbst als Glasbläser zu versuchen, kennt die Begeisterung keine Grenzen und wer weiß, vielleicht hat ja unter den Grundschülern einer seine Liebe zu einem alten Handwerk entdeckt.
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