Neulußheim. „Ich hab ihm g’sagt, ihr seid ä tolles Publikum – isch verlass mich uff Euch“, so humorvoll übergab die Neulußheimer Kulturamtschefin Alexandra Özkalay den „Alten Bahnhof“ an den Stuttgarter Kabarettisten Olaf Bossi zur Vorpremiere seines neusten Programms „Generation XY: Die 80er, die 90er und das Leben heute“. Nach einem kumpelhaften „N‘ Abend“ folgten zwei Stunden Programm, die den zum größten Teil selbst diesen mystischen „Zwischengenerationen“ „X“ oder „Y“, nämlich die „zwischen den Boomern, die in Rente gehen und der ‚Generation Z‘, die keine Lust hat, mit der Arbeit anzufangen“, angehörenden Gästen im Dauerfeuer ein „Genau so isses“ abverlangten.
Von Eurodance über den Quatsch Comedy Club nach Neulußheim
Seine „Versuchskaninchen“ bespaßte der deutsch-italienische Tausendsassa, der auf eine beeindruckende Musik-Karriere zurückblickt, die ihm in den 1990er-Jahren mehrere Chartplatzierungen mit dem Eurodance Projekten „The Free“ und „Das Modul“, mehrere Goldene Schallplatten und eine Nominierung für den „Echo“ einbrachte, mit spürbarer Freude und größtmöglicher Publikumsnähe.
Der charismatische Bossi war bis in die 2010er-Jahre regelmäßig in Formaten wie dem „Quatsch Comedy Club“, dem „WDR Fun(k)haus“ oder bei „NightWash“ zu sehen. Nach dieser ersten, rund zehnjährigen Kabarett-Phase wandte er sich wieder verstärkt der Musik zu. Seit er, wie er selbst sagt, „angefangen hat, sich unbeliebt zu machen“, wird er immer wieder auf seine frappierende Ähnlichkeit mit Tesla-Chef Elon Musk angesprochen – mit dem er übrigens im selben Jahr geboren wurde. Wie er verriet, hat er sogar schon witzige Live-Acts in Grünheide durchdacht.
Olaf Bossi: Direkt, subversiv und immer etwas nostalgisch
Das ist der Humor des Stuttgarters: Unverhohlen, direkt und mit leicht subversiver Grundstimmung – wie er den Generationen XY innewohnt. Die hatten auch ihre Probleme: Waldsterben, Ost-West-Konflikt, 2000er-Computerbug. „Und was kam? Windows XP!“
Generationen, die – in einer lebenslangen Mutprobe unangeschnallt im Auto, ohne Fahrradhelm und draußen spielend, ohne dass die Eltern wussten, wo man war – gelernt haben: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Was von der Generation Z mit „Ist das vegan?“ gekontert wird.
Zwei Stunden lang plauderte Bossi sich mit seinem Publikum durch einen Abend voller „Kenn ich!“-Effekte irgendwo zwischen Tamagotchi-Trauma und „Glück als Abwesenheit von Scheiße“, immer mit einer nostalgischen Basisnote, wenn er sich erinnert, wie er sich früher zu Hause weggeschlichen hat, um heimlich auf Partys zu gehen – „heute muss ich mich heimlich von Partys wegschleichen, um nach Hause zu gehen“: „Heute heißen ‚Nächte durchmachen mit Gleichaltrigen‘ einfach ‚Elternabend‘“.
Alltagssatire mit Tiefgang sorgt für Lacher
Dabei ist Olaf Bossi, der „gefühlt Mitte 30“ ist aber „mit 20 Jahren Erfahrung“, auf der Bühne ganz alleine mit sich, seiner wortgewaltigen Präsenz und seinem Publikum, allenfalls punktuell sekundiert von seinem Schlaftagebuch, aus dem er ab und an zitiert: „Ich bin aufgewacht, weil etwas von mir eingeschlafen ist“, notiert er mit taubem Gefühl im Arm.
Seine Masche ist, abwechselnd eine Reihe von Kurzwitzen zu bringen, um dazwischen Pointen filigran und manchmal auch aufwändig mit Geschichten aufzubauen, bevor er seine Raketen zündet. Das produziert – bei einer Vorpremiere absolut üblich – bisweilen Längen, die in den letzten beiden Previews vor der Premiere am kommenden Samstag noch ausgemerzt werden dürften. So die Story über den Crosstrainer, mit dem er „regelmäßig“ trainiert hat, „zwei bis drei Mal“ und der nun als Kleiderständer dient, die zum Arzt überleitet, der mit einem „Für ihr Alter ist alles in Ordnung“ Angst und Schrecken verbreitet oder bei der Erzählung über einen Yoga-Schnupperkurs, wenn sein Körper als Al Bundy unter den Teilnehmerinnen sagt: „Lauf, Forrest!“
Dabei ist Bossi eigentlich absolut spontan, wenn er beispielsweise ein Handyklingeln im Publikum wie einstudiert in seinen Redefluss einflicht. Und er kann erzählen – auch lange, ohne dass es langweilig wird: Wenn er unter Johlen des Publikums berichtet, wie er beim EMS-Training gewandet wie Brisko Schneider konstatiert: „Ich bin hergekommen, weil mein Körper das Tragen dieser Kleidung gerade nicht erlaubt“.
Zwischen Bravo, Neckarmann-Katalogen und Kassetten aufgewachsen
Ansonsten gibt es eine Mischung aus Rückbesinnung an Neckermann-Kataloge, „Bravo“ und Kassetten-Mixtapes, was beim Publikum Zusammengehörigkeitsgefühle („Heute haben wir eine andere Hauptstadt, eine andere Währung und ein anderes Postleitzahlensystem“) und Spott über die Gegenwart auslöst, in der aus „Petting statt Pershing“ „Tinder statt Taurus“ geworden ist. Rauchen ist nun „Vapen“, „Saugen an einem USB-Stick mit dem Geschmack irgendwo zwischen Kita, Kirmes und Einhorn-Pups“. Das Smartphone vermag, „was Generationen von Frauen nicht geschafft haben: Dass Männer sich hinsetzen beim Pinkeln“.
Olaf Bossi hat sich mit seinen Gästen in einem nostalgisch-gewitzten Geschichtenreigen zurückkatapultiert in eine bei seinen begeisterten Zuhörern gut bekannte Vergangenheit. Hier meinte „Datenschutz noch Türe zu“, man ist ans Telefon gegangen, ohne zu wissen, wer anruft („Leben am Limit“) und man hat gelebt „mit dem sicheren Gefühl, dass die Welt ein unsicherer Ort ist“. Insgesamt waren die zwei reinen Programmstunden etwas zu lang, aber auch dank der Schlusserkenntnis absolut empfehlenswert: „Heute ist die ‚gute alte Zeit‘ von morgen“.
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