Im Porträt

"Paradise Garden" von Neulußheimer Autorin Elena Fischer wird Bestseller

Die Bestseller-Autorin Elena Fischer kommt ursprünglich aus Neulußheim und spricht über die Entstehung ihres Erstlingswerk sowie die Nominierung für den Deutschen Buchpreis.

Von 
Maria Herlo
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Autorin Elena Fischer schafft es auf die Spiegel-Bestsellerliste. © Diogenes

Neulußheim. Schon das Debüt der aus Neulußheim stammenden Autorin Elena Fischer hat deutschlandweit Aufmerksamkeit erregt. Ihr Roman „Paradise Garden“, eine kühne Geschichte über das Leben des 14-jährigen Mädchens Billie, ist nicht nur im renommierten Diogenes-Verlag erschienen, er wurde sogar für den Deutschen Buchpreis nominiert. Außerdem steht er seit Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Das ist für einen Erstling ganz und gar außergewöhnlich.

Mit einem Auszug daraus war sie bereits 2021 Finalistin beim „29. open mike“ – einem der wichtigsten Talentwettbewerbe der deutschsprachigen Literatur – und gewann den Literatur-Förderpreis der Landeshauptstadt Mainz für junge Autoren. Die Feuilletons großer Zeitungen wie „Die Zeit“ und die „Frankfurter Allgemeine“ erkannten sehr bald, was für ein außergewöhnliches Talent sich da zu Wort meldete.

Die Neulußheimer Bestseller-Autorin erschafft ein melancholisch-tröstliches Werk

Im Gespräch gestand Fischer, dass sie mit einem solchen Erfolg überhaupt nicht gerechnet habe, sich dennoch sehr darüber freue: „Ich habe, ehrlich gesagt, nur für mich geschrieben und keinen Augenblick daran gedacht, welche Auswirkungen das haben könnte. Es ist aber schön, dass meine Arbeit eine solche Anerkennung findet.“ Und das zu Recht. Nach der Lektüre des Romans stellt man beglückt fest: Es ist auf eine berührende Art ein traurig melancholisches Buch und zugleich tröstlich hell.

Worum geht es? Die 14-jährige Billie wohnt mit ihrer Mutter Marika im 17. Stockwerk eines Mainzer Hochhauses. Die meisten Leute, die hier wohnen, gehören nicht zu den Gewinnern. Das Geld, das Billies Mutter mit Putzen und Kellnern verdient, reicht nie bis zum Monatsende. Doch Marika übertüncht die Kargheit mit schönen Worten und viel Fantasie. Am Anfang des Monats darf sich Billie einen großen Eisbecher bestellen, den „Paradise Garden“.

Das Erstlingswerk Fischers erhält reichlich positive Kritiken. © Diogenes

Dann träumen Mutter und Tochter vom Meer, von Florida oder der Karibik. Eine überraschende Wende tritt ein, als in diese traute Zweisamkeit Billies Großmutter aus Ungarn hereinplatzt und ihre Mutter infolge eines tragischen Unfalls stirbt. Die unbeschwerten Tage nehmen ein jähes Ende. Nun auf sich selbst gestellt, setzt sich Billie in den Nissan ihrer Mutter und macht sich auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater.

Diese Geschichte ist aus der Ich-Perspektive Billies erzählt, und dies so poetisch und literarisch klug, dass man sich bis zum Schluss dem Zauber des Buches nicht entziehen kann. Billie schreibt alles auf, was man ihr erzählt, was sie sieht und hört, erkundet die Wörter, in denen sich ihre Welt spiegelt, zugleich schaffen Wörter Welt. Kreative Sprachbilder wie „Vögel strauchelten am weißen Himmel“, „Die Hitze dehnte die Zeit und verlangsamte alle Bewegungen“ oder „Wörter purzelten aus ihrem Mund wie reife Äpfel vom Baum“ zeugen, über welch besonderes Sprachgefühl die junge Autorin Elena Fischer verfügt.

Bei Elena Fischer haben die Gefühle und die Stimmung Vorrang vor der Handlung

„Mir kommt es auf die Stimmung an, auf die Gefühle, erst danach auf die Handlung“, hält sie fest. Wie schafft man eine so neuartige Poesieprosa? „Ich habe tatsächlich schon früh mit dem Schreiben begonnen“, sagt die Autorin, „das hat mit dem Tagebuch angefangen, sehr gerne habe ich im Deutschunterricht mitgemacht und Aufsätze geschrieben. Nach dem Abitur beschloss ich, Schriftstellerin zu werden.“ Bis dahin hat es noch etwas gedauert, zunächst absolvierte Fischer ein Studium in Mainz, arbeitete danach in der Kommunikationsabteilung eines Bildungs- und Gesundheitsunternehmens.

2019 hat sie begonnen, an dem Roman zu schreiben. Wie viel von ihr steckt darin? „Ich glaube viel“, meinte sie, „sonst hätte ich mich nicht so gut in die Figuren hineinversetzen können. Natürlich ist es keine eins zu eins Übernahme realer Personen. Im Gegensatz zu Billie komme ich nicht aus prekären Verhältnissen, doch wie sie beobachte ich gerne und nehme in mir auf, was ich höre und sehe.“

Elena Fischer ist 1987 in Speyer geboren und in Neulußheim aufgewachsen.

Nach dem Abitur am Hockenheimer Gauß-Gymnasium hat sie in Mainz Komparatistik und Filmwissenschaft studiert

2019 und 2020 nahm sie an der Darmstädter Textwerkstatt unter der Leitung von Kurt Drawert teil.

Mit einem Auszug aus ihrem Debütroman „Paradise Garden“ war sie 2021 Finalistin beim „29. open mike“-Wettbewerb und gewann den Literaturförderpreis der Landeshauptstadt Mainz für junge Autorinnen und Autoren.

2023 wurde Elena Fischer für den Deutschen Buchpreis und den Debütpreis des Harbour-Front-Literaturfestivals nominiert.

Zurzeit lebt sie mit ihrem Mann und dem knapp dreijährigen Sohn in Mainz.

Und wie gelingt es, das Geschehen so authentisch aus Sicht einer 14-Jährigen zu schildern? „Das ist mir nicht schwergefallen“, erwiderte Fischer, „denn ich war ja selbst mal vierzehn. An der Sprache habe ich gefeilt, bis ich mit der Satzmelodie, dem Rhythmus, dem Sound zufrieden war.“ Diesem Sound gibt man sich gerne hin. Nichts sprengt die Ich-Perspektive des Kindes, und dies ist eine Stärke des Textes, es gibt ihm Tiefe, auch weil er so viel Unerklärtes und Unerklärbares zulässt. Die Sympathie der Autorin gehört zweifelsfrei jenen Leuten, die es nicht geschafft haben, im Wohlstands-Deutschland erfolgreich zu sein. Ausgerechnet von ihnen erfährt Billie im Plattenbau viel Beistand, Wärme und Menschlichkeit. Im Kontrast dazu steht die Freundschaft mit der wohlhabenden Lea, „doch fühlt sich das falsch an“, wie Billie notiert.

„Es ging mir im Roman auch darum, zu zeigen, was ein gutes Leben sein kann, wobei Geld nicht ausschlaggebend ist“, erklärt die Autorin. Angesprochen auf die Thematik, hält sie fest: „Der Roman ist eine Geschichte vom Erwachsenwerden und einer Reise in das Innere der Protagonistin, eine Mutter-Tochter-Vater-Suche, wie Billie sagen würde, er thematisiert aber auch die Vertreibung aus dem Paradies der Kindheit wie auch die Kraft der Worte, was Literatur vermag.“

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Ergänzend sei gesagt, dass dieses traurig schöne Märchen auch eine Allegorie auf die unstillbare Sehnsucht nach Glück ist – und dieses so wunderbare Buch damit ein schöner Trost.

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