Schicksalsschlag

Siebenjähriger Neulußheimer erkrankt an Tumor: Der gnadenlose Feind im Kopf

Bis vor einem halben Jahr war Leonid ein Kind wie jedes andere. Er liebte Mathematik, Fußballspielen, Superhelden und das Weltall. Doch das Ergebnis eines MRT-Scans im Februar veränderte alles.

Von 
Rebecca Jankowski
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Der kleine Leonid mit einer Weltkugel, die seine Leidenschaft für Länder und Flaggen repräsentiert. © Eugen Stolz

Neulußheim. Leonid war schon vor der Diagnose ein eher stilles und introvertiertes Kind. Doch seine Begeisterung für Zahlen war außergewöhnlich. Punkt-vor-Strich-Rechnung beherrschte er bereits mit fünf Jahren, das Sonnensystem kennt er auswendig. Youtube-Videos über Länder und Flaggen verschlang er regelrecht. Sein Vater Wadim Tschaus erzählte: „Wenn man ihm eine Flagge gezeigt hat, konnte er auf dem Globus gleich das passende Land zeigen. Egal, welches es war.“

Auch im Kindergarten griff er lieber zu Büchern über Mathematik oder den Weltraum. „Er hat Wissen aufgesaugt wie ein Schwamm“, erzählt der Vater. Neben seiner Wissbegierde liebte Leonid das Fußballspielen. Er spielte im Verein in Neulußheim, sein Lieblingsspieler war Cristiano Ronaldo. Auch mit seiner kleinen Schwester hat er gerne gespielt.

Die ersten unscheinbaren Anzeichen des Unheils

Im Herbst 2024 fiel den Eltern auf, dass Leonid plötzlich unsicher Rad fuhr und Treppen vorsichtig nahm, obwohl er das früher problemlos konnte. Mal hielt er sich fest, mal nicht. „Da er schon als Baby eher tollpatschig war, haben wir uns nichts dabei gedacht“, erläutert Tschaus.

Später kam vermehrter Speichelfluss hinzu. „Er hat zu der Zeit aber gerade auch einen Zahn verloren, also schien das auch völlig normal zu sein“, sagte er weiter.

Tag X: Ein niederschmetterndes Untersuchungsergebnis

Im Februar passierte es dann. Leonid war wie gewohnt beim Fußballtraining. Doch dann stürzte er und begann zu humpeln. Eine Freundin der Familie informierte die Eltern und sie fuhren gleich zum Sportplatz. „Leonid hat seltsam schläfrig gewirkt, wie benebelt. Also sind wir zur Notaufnahme nach Schwetzingen gefahren“, erzählt Vater Wadim.

Nach ersten Untersuchungen verwiesen die Ärzte sie in die Heidelberger Kopfklinik. „Dort sind wir in Rekordgeschwindigkeit von Station zu Station gekommen, bis klar war: Er braucht eine MRT.“ Der Scan der Magnetresonanztomografie zeigte recht schnell einen Hirntumor. Dem medizinischen Fachpersonal war klar, dass sie keine guten Nachrichten zu verkünden hatten, denn der Tumor in Leonids Kopf befand sich mitten im Hirnstamm. „Aufgrund der Lage wurde uns gleich gesagt, er sei inoperabel“, erinnert sich Wadim Tschaus. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Es hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen.“

Selten und extrem aggressiv: Die Lebenserwartung sinkt drastisch

Die Biopsie des Hirntumors ergab, dass es sich um eine besonders aggressive und seltene Art handelte: ein Ponsgliom. „Die Ärzte gaben ihm zu Beginn nur noch zwölf Monate zu leben“, erzählt Eduard Priebe, Cousin der Mutter. Laut der Deutschen Hirntumorhilfe erkranken jährlich nur ein oder zwei von 100.000 Menschen an einem Ponsgliom, vorwiegend Kinder bis zum zehnten Lebensjahr. Die Therapie ist schwierig und die Prognosen sind schlecht. Nur etwa zehn Prozent der Betroffenen leben nach der Diagnose länger als zwei Jahre. Noch dazu ist die Rezidivwahrscheinlichkeit, also die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls, sehr hoch. „Es ärgert mich, dass die Forschung hier noch nicht weiter ist. Meiner Meinung nach ist sie völlig unterfinanziert“, bemängelt Wadim Tschaus.

Als erste Behandlungsoption entschieden sich die Ärzte für eine zwölftägige Protonenbestrahlung. Weil Kinder dabei absolut still liegen müssen, geschieht das unter Narkose. „Leider brachte die Behandlung keinen sichtbaren Erfolg“, sagen die Eltern.

Leonid kämpft weiter

Seit drei Monaten bekommt der junge Neulußheimer das Medikament ONC201. In einer Studie aus dem Jahr 2023 konnte nachgewiesen werden, dass Patienten mit diesem Medikament zwei bis fünf Jahre länger und besser leben konnten. „Wir können noch nicht sagen, ob und wie das Medikament anschlägt“, sagt Eduard Priebe. Leonids Zustand verschlechtert sich seit der Diagnose dramatisch. Zuletzt entwickelte er eine metabolische Azidose, sein Blut war übersäuert, er atmete schnell und tief, um das überschüssige Kohlendioxid loszuwerden.

Das Palliativteam wurde sofort eingeschaltet, schließlich kam er ins Krankenhaus. Die Ärzte dachten zunächst, er würde es nicht überleben. Die Ursache blieb unklar – behandelt werden konnten nur die Symptome. Die Infusion mit Bicarbonat stabilisierte dann seinen Zustand. Entgegen allen Erwartungen kämpfte sich Leonid wieder aus dem Krankenhaus nach Hause.

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Heute, ein halbes Jahr nach der Diagnose, ist der Siebenjährige nahezu vollständig gelähmt und wird von einem Palliativteam betreut. „So schlimm es auch ist, wir sind den Pflegern unendlich dankbar, sie sind sofort da, wenn etwas ist“, sagt der Vater.

Mit vereinten Kräften für Familie Tschaus

Beide Eltern sind derzeit zu Hause, um Tag und Nacht für ihren Sohn und für die kleine Schwester da zu sein. „Es spielt plötzlich nichts mehr eine Rolle. Das Einzige, was zählt, ist, dass es Leonid besser geht“, sagt Wadim. Gemeinsam mit seiner Frau informiert er sich seit der Diagnose über den aktuellen Forschungsstand, über neue Therapien – auch im Ausland. Eine Aufnahme in einem spezialisierten Krankenhaus in Italien wäre denkbar. Doch die Kosten dafür wären enorm.

Um Leonid und seine Familie zu unterstützen, haben Eugen Stolz und Eduard Priebe eine Spendenaktion ins Leben gerufen – sowohl über PayPal als auch über Gofundme. „Finanzielle Verpflichtungen wie Kredite und Versicherungen laufen ja weiter. Wir wollten etwas tun und die Familie unterstützen“, erklärt Priebe, Polizeihauptmeister beim Bundespolizeirevier Mannheim. Die Resonanz ist groß: Allein über Paypal beläuft sich die Spendensumme inzwischen auf 20.000 Euro, bei Gofundme auf 5.000 Euro. „Wir sind überwältigt von der Unterstützung. Wir wissen gar nicht, was wir sagen sollen“, erklären die Eltern.

Hier geht es zur Spendenaktion für Leonid auf Gofundme

Weitere Helfer werden aktiv

Für Familie Tschaus war es nicht einfach, mit Leonids Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Schließlich wandte sich Julia Busse, Pressesprecherin der Bundespolizeiinspektion Karlsruhe, im Namen der Familie an die Redaktion. Die Eltern hoffen dadurch nicht nur auf Unterstützung, sondern auch auf Kontakt zu Menschen, die Ähnliches erlebt haben oder sich damit auskennen. „Wir sind erleichtert, dass es jetzt öffentlich ist. So können wir auf die Krankheit aufmerksam machen und die Menschen trauen sich wieder, uns anzusprechen“, berichtet Mutter Margarita.

Auch Leonids Kita „Pusteblume“ in Neulußheim hat sofort reagiert. Am kommenden Samstag, 27. September, findet zwischen 10 und 12 Uhr eine Spendenaktion statt. Geplant sind Kinderkino (5 Euro Eintritt), Popcorn und Getränke, Kinderschminken sowie Kaffee und Kuchen für die Eltern. Alle Einnahmen gehen direkt an die Familie.

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