Neulußheim. Als letzte Veranstaltung vor der „Freiluftsaison“ kalauerte sich am Freitagabend die in Bielefeld geborene und heute in einem Dorf des bayrischen Landkreises Aschaffenburg lebende Rena Schwarz durch einen märchenhaften Abend unter dem programmatischen Motto „Prinzessin ist auch kein Traumjob“ – Geschichten mal köstlich, mal schwere Kost, irgendwo zwischen Ode und oller Kamelle, Beziehung, Träumereien und bisweilen gruseliger Märchenparodie.
Ihre gespreizte, wechselhafte und vor allem nicht wirklich fassbare Bühnenpersönlichkeit hat die Vier-Sterne-Gemeinde schon zum vierten Mal erlebt – nach zuletzt „Jung? Attraktiv ... und übrig“ und „Super Tussies“ nun also mit einem Abend rund um Märchen, Feen und Ferkeleien.
Die Endfünfzigerin, die dereinst mit dem legendären Uban Priol im „Kabarett im Hofgarten“ ihren Bühnenpush bekam, hat sich ihre durchaus laszive Grundstimmung auf verblüffende Weise bewahrt. Dass sie dabei mit ihrem Publikum, das auch diesmal Neulußheims gute Stube bis auf den letzten Platz füllte, gemeinsam gereift ist, mag dabei durchaus praktisch sein: Viele der Zweideutigkeiten und manche der unverblümten Anzüglichkeiten, auf jeden Fall aber all die Kalauer, die sich nach wie vor gerne auch mal unter der Gürtellinie abspielen, wären einem jüngeren Auditorium wohl kaum zu vermitteln. So aber zündeten die Transformation des Grimm-Klassikers „Hänsel und Gretel“ ins moderne Frankfurter Bahnhofsviertel, deren Rotlichtmilieu-Anspielungen angesichts der Realitäten hart an der Grenze zur Geschmacklosigkeit manövrierten ebenso wie ein insgesamt doch eher seichter Schneewittchen-Rap.
Rena Schwarz in in Neulußheim: Belustigende Hintergedanken
Dabei gab es doch ausreichend verblüffende und durchaus belustigende Hintergrundgedanken. Zu Rapunzel sinnierte sie: „Bis Haare so lang werden, dass die bis zum Boden vom Turm reichen, ist man so alt und grau, dass sich nicht einmal King Charles für einen interessiert.“ Zum historischen Abstand vieler Märchen: „Warum haben die sich im Wald verlaufen? Hatten die kein GPS oder kein Akku mehr?“
Die Konsistenz ihres Programms verfolgt Rena Schwarz zugunsten des ein oder anderen ausschlachtbaren Themas nicht allzu streng: Da gibt’s mal einen Ausflug in die Sprachmelodie, um den bezaubernden Klang der „Klobürste“ auf Italienisch zu platzieren, das „Tischlein-Deck-Dich“ lädt dazu ein, über gegenwärtige Essregime zu witzeln, in denen ein banales Wurstbrot zum „Terroranschlag auf Herz und Nieren“ verkommt und der Hofball zu einem Rundumschlag der Beziehungsstiftung: „Früher gab es Kinder vom Postboten – heute gibt es Paketautomaten“.
Insgesamt pendelte Renas „Märchenstunde“ zwischen gelungenen Geschichten, von denen die grandiose Bewerbung Angela Merkels um das Amt der neuen deutschen Königin absolutes Highlight war und etwas bemüht wirkenden Längen wie dem „Märchen von der Gleichberechtigung“, das insgesamt doch arg ermüdete. Ähnlich war es mit den Liedern, die Rena Schwarz zwischen ihre Nummern eingestreut hat: Mal ein zuckersüß klingendes „Ich such einen Prinzen, keinen Kunz und Hinz“, mal eine eher instinktlose, blutrünstige Hänsel-und-Gretel-Ballade mit Prügelpointe. An solchen Stellen mag man sich bei genauerem Zuhören doch ein wenig wundern, warum man mit einem lapidaren „Seiche“ oder „Brunze“ überhaupt noch Lachen auslösen kann.
Was man der Schwarz aber lassen muss: Sie trifft die Erwartungen ihres Publikums ganz gut, zwischen den Kalauern und punktuellen Geschmacklosigkeiten finden sich durchaus auch viele hintersinnige Pointen, die es wert sind, auf die Bühne zu kommen.
Zuletzt bleibt ein Satz, den Rena Schwarz wundervoll der Ex-Kanzlerin in dem Mund gelegt hatte: „Sie kennen mich, sie lieben mich – und wenn sie mich nicht lieben, sollen sie mich kennenlernen!“
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