Oftersheim. Bei 120 Jahren kann man sich eigentlich auch mal um fünf vertun. Wobei das der Oftersheimer SPD eigentlich gar nicht passiert ist, aber die Details sind nicht ganz geklärt. „Wir haben uns gefragt, wieso die Plankstadter Kollegen dieses Jahr das 125-jährige Bestehen feiern“, berichtet der Oftersheimer Ortsverbandsvorsitzende Jens Rüttinger im Gespräch mit dieser Zeitung. „Sie haben wohl ein Dokument gefunden, laut dem der Ortsverband 1898 einem übergeordneten Verband Beiträge schuldig war – und angeblich standen wir da auch drauf. Aber wir belassen es mal bei 1903“, fügt Rüttinger hinzu und grinst.
Gefeiert wird der – ob mit oder ohne fünf zusätzliche Jahre beachtliche – Anlass an diesem Samstag, 25. November, in der Kurpfalzhalle und zwar mit einem Ehrengast: Die Co-Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken, wird in Oftersheim zugegen sein.
Hochkarätiger Besuch zum 100-jährigen Bestehen der Oftersheimer SPD
Das ist ähnlich hochkarätig wie 2003, als der Ortsverband sein 100-jähriges Bestehen feierte und Franz Müntefering, damals Vorsitzender der Bundestagsfraktion, an der Veranstaltung teilnahm. Rüttinger plaudert dahingehend aus dem Nähkästchen: „Ich wollte damals Gerhard Schröder und alle haben gesagt, ich wäre verrückt. Meine Überzeugung war, man müsse eben ganz oben anfangen.“ Letztlich stand der Ortsverband dann zwei Wochen vor dem Festakt ohne dazugehörigen Redner da und Jens Rüttinger dafür mit schlaflosen Nächten. Abhilfe schaffte letztlich Lars Castellucci, heute Bundestagsabgeordneter, damals Vorsitzender der SPD Rhein-Neckar, der Müntefering zu einer anderen Veranstaltung eingeladen hatte und ihn sozusagen ausleihen konnte.
Doch auch ein 120-jähriges Bestehen ist nicht nur von einem Zurückblicken auf Anekdotisches geprägt. Auf die Frage hin, was die Oftersheimer SPD politisch ausmacht, erklärt Rüttinger: „Wir standen immer für sozialen Wohnungsbau und für die Förderung der Vielfalt der Vereine. Außerdem haben wir stets versucht, an die finanziell Schwachen zu denken und einen Fokus auf Bildung Kinderbetreuung zu legen.“
Als großen Erfolg der vergangenen 20 Jahre verbucht der Ortsverbandsvorsitzende den Erhalt des gemeindeeigenen Wohnungsbestands. „Dafür hat insbesondere die SPD gekämpft, viele andere wollten sich von den Wohnungen trennen. Heute sind wir froh darum, um Menschen in Not niedrigere Mieten gewährleisten zu können.“
Was die Wahrnehmung innerhalb der Partei angeht, kann sich Jens Rüttinger nicht beklagen: „Ich glaube, wir gelten als aktiver Ortsverein und gemessen an der Einwohnerstruktur sind wir in der Gegend auch einer der mitgliederstärksten. Zudem haben wir einige Mitglieder unter 18 Jahren – das ist nicht selbstverständlich.“ Wie das kommt, kann er sich durchaus erklären. „Man muss jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich einzubringen. Wir müssen nachfragen, was sie sich wünschen und ihnen Unterstützung zusagen, auch mit dem Zusatz, dass ich als Vorsitzender dafür geradestehe, wenn es schiefgeht. Junge Menschen dürfen Fehler machen. Da muss man sich auch mal zurücknehmen, aber damit haben wir gute Erfahrungen gemacht“, berichtet er.
Sorge um Außenwahrnehmung der SPD in der Bevölkerung
Die Außenwahrnehmung kann dennoch negativ sein, wie Rüttinger aus Erfahrung weiß. „Probleme der SPD sind meiner Meinung nach die hehren Ansprüche, die viele an Sozialdemokraten haben. Wenn die Politik nicht so läuft, wie es sich die Menschen wünschen, heißt es gerne mal, dass sie das von anderen Parteien ja erwartet hätten, von der SPD aber enttäuscht wären.“ Das heißt im Übrigen nicht, dass der Ortsverband kommentarlos alles unterschreiben würde, was auf Landes- oder Bundesebene passiert. „Auch da äußern wir Kritik“, versichert der Vorsitzende.
Dennoch ist Kommunalpolitik für ihn nicht einfacher, wenn die SPD im Bund in Regierungsverantwortung ist. „Eigentlich ist es eher schwieriger. Und wir haben gefühlt das Pech, dass immer Kommunalwahlen sind, wenn die SPD gerade in der Regierung ist“, sagt er und lacht. Im Ernst jedoch: „Es ist ein Problem, dass die Menschen oft nicht zwischen der Partei auf Bundesebene und der SPD vor Ort unterscheiden.“
Generell habe sich die Kommunalpolitik aus Sicht von Jens Rüttinger aber gewandelt. „In Gemeinderatssitzungen ist heute mehr Fachwissen gefragt als früher. Da muss man sich intensiver vorbereiten und es kostet mehr Zeit – wenn man die Arbeit richtig machen will“, findet er. Doch letztlich hat auch die SPD mit Mitgliederschwund zu kämpfen. „Viele wollen aus Solidarität dabei sein, haben aber nicht genug Zeit, sich zu engagieren. Früher gab es mehr aktive Mitglieder, mit denen man planen konnte, so ist es noch mehr Arbeit für die, die an vorderster Front dabei sind“, konstatiert der Vorsitzende. Das habe seiner Meinung nach aber auch mit veränderten Arbeitszeiten zu tun. „Nicht jeder ist noch um 16 Uhr daheim und kann dann etwas für Verein oder Partei machen.“
120 Jahre SPD Oftersheim: Noch immer etwas zu bieten
Ob sie nun den Kanzler stellt oder nicht, die Mitglieder weniger werden oder mehr, Jens Rüttinger findet, dass sie SPD Oftersheim auch nach 120 Jahren noch etwas zu bieten hat. „Wir waren Bremser bei Anpassung von Mieterhöhungen oder höheren Grund- und Gewerbesteuern. Wir haben uns für den Erhalt der finanziellen Mittel für die Gemeindebücherei eingesetzt, damit jeder einen Zugang zu Bildung haben kann.“ Und zum Abschluss wird es besonders kommunal: „Wenn sich die Gemeinde um die Vereine kümmert, dann können die sich niedrigere Mitgliedsbeiträge erlauben. Auch Vereinspolitik ist für mich Sozialpolitik.“ Solche Sätze fallen letztlich nur im Lokalen, egal ob seit 120 oder 125 Jahren.
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