Leimbach-Serie Teil 8

Als der Leimbach 1937 in Brühl verlegt wurde

Aktuell erkunden wir den Leimbach, der Oftersheim und Schwetzingen prominent durchquert sowie bei Brühl in den Rhein mündet. Heute: Die Verlegungen 1937 an Brühl vorbei und 1984 im Zuge des Neubaus der ICE-Trasse.  

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In den 1930er Jahren wird der Leimbach bei Brühl mit viel Einsatz verlegt – seitdem fließt er nicht mehr durch den Ortsetter, sondern an ihm vorbei. © Archiv

Oftersheim/Brühl. Träge und langsam bewegt sich der Leimbach aus dem Schwetzinger Schlossgarten heraus am Aquädukt entlang zum alten Wasserwerk. Im Anschluss daran, hinter den Gärten der Lunéviller- und der Holzbauerstraße, fließt er dann etwas hurtiger und tiefer eingesenkt in seinem linealgezogenen, menschengemachten Bett. Lange krautige Schnüre von flutendem Hahnenfuß winden sich dicht an dicht wie grüne Schlangen in der Strömung.

Der Bach führt Niedrigwasser und er stinkt heute wieder einmal intensiv und unverkennbar nach Fäkalien. Das sollte nicht so sein; denn seit beinahe 50 Jahren gibt es mittlerweile die Verbandskläranlage zwischen Brühl und Ketsch, die den Leimbach vom Abwasser der umliegenden Kommunen entlastet. „Doch es gibt auch“, wie der Biologe und Leimbachexperte Uwe Heidenreich erklärt, „entlang der gesamten Leimbachstrecke unzählige versteckte Einleiter. Und solange dieser Missstand besteht, wird sich die schlechte Qualität des Leimbachwassers nicht merklich bessern.“

Außerdem gelange beispielsweise bei Starkregen Abwasser vermischt mit Regenwasser ungeklärt aus der überlasteten Kanalisation in den Bach, neben verschmutztem Oberflächenwasser, das dann von außen eingespült wird.

Schmale und holprige Feldwege

Kurz vor der Schwetzinger Straße beschreibt der Bachlauf einen etwas mehr als rechtwinkligen Bogen in Richtung Brühl und nähert sich in einer sanften Rechtskurve der Schnellbahntrasse. Die Feldwege dort sind schmal und holprig und in den Senken so schlammig, dass sie mit dem Fahrrad kaum zu bewältigen sind.

Diese Bachstrecke wurde im Zuge des Neubaus der Schnellbahntrasse 1984 vom alten Bachbett aus gesehen um schätzungsweise 400 Meter Luftlinie von seinem ursprünglichen Bett nach Süden verlegt. Von der Straßenbrücke kurz vor dem Ortseingang Brühl herab ist deutlich zu erkennen, dass der Leimbach am höchsten Geländepunkt die Eisenbahngleise, die Landesstraße L 559 und die Autobahn A 6 unterquert. Auch der alte Bachlauf ist an Einsenkungen im Ackergelände mit Mühe noch optisch nach- zuvollziehen.

Hinter diesen drei parallel verlaufenden Verkehrslinien musste der Leimbach infolge dieser Baumaßnahme ebenfalls angepasst und verlegt werden. Direkt hinter der A6 macht der Bach deswegen einen harten Schwenk nach links in Richtung Süden und verläuft unterhalb der Autobahn geradeaus bis hin zum Häckselplatz der Gemeinde Brühl, wo er im Gewann „Insel“ alsbald in sein altes Bett mündet.

Es fällt auf, dass in diesem Bereich die Bachufer etwas naturnaher erscheinen. Einzelbäume, Schilf und Rohrkolben säumen die Böschungen, Prachtlibellen und Schmetterlinge fliegen auf. Ab und zu springen größere und kleinere Fische aus dem Wasser, was auf das Vorkommen von Flussbarsch und Hecht schließen lässt.

Bienen lieben das Wasser

Dort stehen auch die zum Bach hin ausgerichteten Bienenstöcke des Ketscher Imkers Günther Martin entlang der Böschungskrone aufgereiht. „Meine Bienen finden in direkter Nähe das Wasser zur Kühlung der Stöcke im Sommer. Und da Bienen nicht gerne über Wasser fliegen, schwirren sie vom Spundloch weg sogleich in die Höhe, was mir die Arbeit sehr erleichtert“, erklärt der Bienenzüchter die Standortvorteile, die ihm der Leimbach bietet. Und mit dem Stolz des Erzeugers spricht er über die hervorragende Qualität seines „Brühl/Ketscher Honigs“.

Fehlt nur noch das Wasser: Mitte der 1980er Jahren wird im Zuge des Neubaus der ICE-Trasse bei Brühl der Leimbach weiter nach Süden verlegt, damit der aus dem Tunnel kommende Schienenstrang auf einem höheren Niveau das Bachbett kreuzt. © Archiv

Über die Verlegung des Leimbaches 1984 waren besonders die Anwohner der Brühler Friedensstraße froh; denn der stinkende Bach hinter ihren Gärten wurde trockengelegt und aufgefüllt. Auf diese Weise entstand die Wanderstrecke „Leimbachweg“.

Obstbäume entlang des Ufers

In Anlehnung an alte Tradition pflanzte die Gemeinde entlang des Weges lange Obstbaumreihen. Besonders die uralte, ehrwürdige Birnbaumallee in Verlängerung der Brühler Mühlgasse zeugt noch heute davon, dass es früher üblich war, die Leimbachböschungen mit Obstbäumen zu bepflanzen.

Doch die für die Brühler Bevölkerung weit bedeutendere Leimbachverlegung fand bereits im Jahr 1937 statt. Vorher floss der Bach bis in die Ortsmitte hinein. Bei Hochwasser kam es dort häufig zu Überschwemmungen. Besonders die Neugasse und Umgebung waren davon betroffen.

Dort unterquerte zwischen den Häusern Neugasse 13, 16 und 18 der Leimbach die schmale Straße. Die Neugasse wurde überflutet, die angrenzenden Häuser standen im Wasser, Keller liefen voll. Für die Passanten wurden Dohlenwege, also erhöhte Holzdielen – ausgelegt.

Lange Zeit hatten die Menschen in der Brühler Neugasse mit Überflutungen zu kämpfen, wenn der Leimbach über die Ufer getreten ist. © Archiv

„Die letzte Überflutung an dieser Stelle verzeichnete man am 16. April 1937.“ So beschreibt Dr. Volker Kronemayer vom Brühler Heimatverein in der „Ortsschell’“, Nummer 28 vom Dezember 2023, die einst herrschenden Zustände.

Die Lösung dieses für die Gemeinde Brühl existenziell wichtigen Problems kam vom Badischen Kultur- und Wasserbauamt, das im Auftrag des Badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums 1931 Pläne ausgearbeitet hatte, die Hochwasser- und Versumpfungsflächen zwischen Wiesloch und Brühl in landwirtschaftlich nutzbare Flächen umzuwandeln.

Investion von rund einer Million Reichsmark

Für eine Investition von rund einer Million Reichsmark versprach man sich etwa 880 Hektar Neuland. Für Brühl sah der Plan vor, den bisherigen Bachlauf abzuschneiden und durch einen neuen zu ersetzen, der nicht durch den Ort führt, sondern im Bogen darum herum läuft. Durch das Zuschütten des alten Bachlaufs sollten wertvolle Gartenareale entstehen.

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Die Energie für die durch diese Maßnahmen „trockengelegte“ Brühler Mühle in der Mühlgasse sollte ein am Durchstich neu gebautes Wasserkraftwerk liefern, das seinen Strom an die Mühle abzugeben hatte. „Das gesamte Unternehmen wird durch einen Zweckverband der beteiligten 13 Gemeinden durchgeführt, und zwar als Notstandsarbeit im Rahmen des Notprogramms 1936/37. Der Gesamtaufwand beträgt 770 000 Reichsmark“, berichtet das „Durlacher Tageblatt – Pfälzer Bote“ im Juni 1937. Kurz zuvor, im April dieses Jahres, hatte die entsprechende Ausschreibung für die betreffenden Bauarbeiten stattgefunden, bei der die Brühler Firma Anton Langlotz den Zuschlag bekam.

Die Arbeiten waren in vier Lose unterteilt worden. Im Los eins wurden 6500 Kubikmeter Erdaushub ausgeschrieben. Im Los zwei 100 Kubikmeter Beton und Eisenbeton für eine Straßenbrücke. In Los drei folgte die Wasserkraftanlage mit 140 Kubikmetern Beton und Eisenbeton sowie 3,2 Tonnen Träger. Und in Los vier wurden die Ufermauern und die Sohlenbefestigung mit 30 Kubikmetern Beton und 220 Kubikmetern Pflaster veranschlagt. So steht es im „Karlsruher Tagblatt“ im Februar 1937 und fast zeitgleich in der „Badischen Presse“.

Turbinenrad wird Kunstobjekt

Auf der Suche nach der Stelle, wo der Leimbach einst in den Ort abgebogen war, hilft der Urbrühler und gerade frisch gewählte CDU-Gemeinderat Gerhard Zirnstein. In Höhe der Parkplätze Wiesenplätz kurz vor der Ketscher Straße zeigt er auf eine Stelle am gegenüberliegenden Ufer. „Hier ungefähr, an dieser Röhre, muss die Abzweigung in den Ort gelegen haben“, ist sich Zirnstein sicher.

Die Bienenstöcke von Imker Günther Martin stehen direkt am Ufer des Leimbachs – auf Ketscher Gemarkung natürlich. © Rolf Simianer

Ein paar Schritte weiter, oben auf der Grünanlage des Kreisverkehrs am Ortsausgang Ketscher Straße, ist in einem Kunstwerk das Turbinenrad ausgestellt, das ab 1937 die Stromversorgung der Brühler Mühle übernahm. „Als man das hier gleich nebenan gelegene Turbinenhäuschen abriss, warf man das Rad einfach in den Bach hinein.

Beim Bau der Fischtreppe 1999 am gleichen Ort fand man es wieder und restaurierte es“, erzählt Zirnstein mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

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