Leimbach-Serie Teil

Leimbach in Oftersheim: Historische Entwicklung des Bachlaufs

Aktuell erkunden wir das Fließgewässer, das Oftersheim und Schwetzingen durchquert sowie bei Brühl in den Rhein mündet – der Leimbach. Heute: Damals noch „Suarzaha“ oder Schwarzach genannt ist der Fluss auf alten Karten vermerkt und eng mit der Ortshistorie verbunden.

Von 
Hans-Peter Sturm
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Hochwasser im Dezember 2012 auf dem Gelände zwischen dem Landgraben im Vordergrund und dem Leimbach: Das Wasser steht überall. © Huko

Region. Der Leimbach – ruhig und behäbig nimmt er seinen Weg in einem leichten Schwung mitten durch den Oftersheimer Ortsetter. Doch war das immer so? Keineswegs, wie ein Blick auf die bauliche Entwicklung der Hardtgemeinde seit dem ausgehenden Mittelalter zeigt. Einen ersten Hinweis auf die Gebäude- und Straßensituation der Ansiedlung liefert das sogenannte „Registrum exaccionis“, ein Steuerverzeichnis aus dem Jahr 1439 mit der ältesten Liste der Hausvorstände. Eine Rekonstruktionskarte im Gemeindemuseum anhand der hier festgehaltenen Daten zeigt das Dorf, dessen Bebauung im Wesentlichen nur das Quartier der heutigen Mannheimer, Heidelberger und Karlstraße umfasste.

Und der Leimbach? Der floss als „Suarzaha“ oder Schwarzach, wie er damals noch genannt wurde, in ausladenden Kurven und Windungen an dem kleinen Ort, der lediglich rund 95 Einwohner zählte, nordöstlich vorbei. Gegen Schwetzingen zu durchzog er sogar ein kleines Waldstück im späteren Gewann Röhlich, das allerdings schon um 1200 gerodet wurde.

In diesen Bachschlingen liegt übrigens eine der verschiedenen Deutungstheorien begründet, was die Herkunft von Oftersheims rätselhaftem Wappentier, der Schlange, betrifft.

Die Schlange im Wappen von Oftersheim

Deren Windungen im unteren Feld könnten vom einstigen Bachverlauf abgeleitet sein – und überhaupt, handelt es sich tatsächlich um eine Schlange? In Unterlagen im Generallandesarchiv Karlsruhe aus dem Jahr 1796 zu den Gemarkungsgrenzen wird berichtet, dass auf den betreffenden Grenzsteinen auf der Oftersheimer Seite ein Aal eingehauen sei. Dieser Hinweis schlägt wiederum einen Bogen zum „Wogsee“, der auf der eingangs geschilderten Karte etwa im Bereich der heutigen Straßen „In den Seegärten“ und „In den Giesen“ verzeichnet ist und mit dem Bachlauf durch einen Seitenarm verbunden war.

Dieser See wurde um 1471 als herrschaftlicher Fischweiher angelegt, deren Grundherren, Pfalzgraf Friedrich und Abt Johann vom Kloster Schönau, dort unter anderem auch Aale einsetzten, wie Heimatforscher Franz Volk in seiner Ortschronik berichtet. Der See entstand in der Mulde eines alten Neckarlaufs, die noch heute in der Feldflur hinter dem Kindergarten „Fohlenweide“ deutlich zu erkennen ist.

Die Schlossmühle und ihre Kontroversen

Auf die einstige Mühle weisen in der gleichnamigen Straße hingegen lediglich zwei Schlusssteine mit dem Handwerkszeichen des Müllerhandwerks und der Jahreszahl „1755“ hin, eingelassen im Wohnhaus, das nach dem Abriss der Mühlenbauten 1972 am gleichen Standort errichtet wurde. Als „Schlossmühle“ wurde mit dem Bau der Anlage 1748 begonnen, nachdem der kurfürstliche Hofkammerrat Morfel die Schwetzinger Mühle im Jahr zuvor „visitiert“ hatte.

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Das Gebäude in der seit 1720 kurfürstlichen Sommerresidenz befand sich etwa im Bereich des Oberen Wasserwerks in der Zeyherstraße, sodass „der eine Flügel unseres Schwetzinger Lustschlosses durch die davorstehende Mühle sehr verdunkelt würde, durch das Mahlwesen ein großer Tumult entstehe, ein sehr übler Geruch und eine ungesunde Feuchtigkeit von dem Vieh, das man in der Mühl zu halten pflegt, verursacht würde.“ Mit diesen Worten wurde der Antrag gestellt, die Mühle abzubrechen und an einem anderen Ort neu zu errichten. Dieser Platz war schnell gefunden in der kleinen Nachbargemeinde, die auf Geheiß des Hofes den Grund und Boden bereitzustellen hatte. Doch die Oftersheimer waren keineswegs stolz darauf, innerhalb ihrer Mauern jetzt eine „Schlossmühle“ beherbergen zu dürfen.

Im Gegenteil, nur ein Jahr nach Baubeginn legten die Zentverwaltung von Leimen und die Schultheißen von Nußloch, Leimen, St. Ilgen, Sandhausen, Bruchhausen, Kirchheim, dem Pleikartsförsterhof und nicht zuletzt Oftersheim Protest bei Kurfürst Carl Theodor ein. Was war geschehen?

Hochwassergefahr und Entwässerungspläne

Der erste Müller und spätere Schultheiß Johannes Worff aus Brühl, dessen Grabstein bei der Christuskirche erhalten ist, hatte die Hauptschwelle vom Wasserbett des Leimbachs ohne Hinzuziehung von Sachverständigen eigenmächtig vier Schuh hoch über das bisherige Terrain gelegt – mit dem Risiko, „wann diese Mühl in standt zu mahlen komme, sich gewißlich ergeben werde, daß nicht nur der Bach über seinen bisherigen Lauf hoch angeschwellet, und dadurch der Lauf von denen sogenannten Land- und Schweinsgräben, welche zwei starke Stunden von oberhalb der Mühle herkommen und das Ab- und Sumpfwasser der erwähnten Orte führen, völlig ruinieret und unbrauchbar würden“, wie Franz Volk zitiert. Daraufhin prüfte ein ganzer Stab von Sachverständigen die Beschwerden und kamen zu dem Ergebnis, dass die häufigen Überschwemmungen nicht von der neu errichteten Mühle, sondern vorrangig von dem viel zu tief liegenden Landgraben und teilweise dem von Sandhausen herführenden Schweinsgraben verursacht würden.

Ein Stück Dorfidylle: Blick von der Brücke in der Heidelberger Straße bachabwärts zur Kirche St. Kilian. © Hans-Peter Sturm

Es folgten weitere Prüfungen, welche die Hochwassergefahr beim Betrieb der Oftersheimer Mühle bis nach Nußloch bestätigten und deren Nutzen generell infrage stellten, was die Hofkammer verständlicherweise abwiegelte. Schließlich wurde 1752 Capitain Pfister beauftragt, einen Entwässerungsplan anzufertigen. Der Ingenieur führte den Landgraben bei Bruchhausen unter dem höherliegenden Leimbach hindurch und ließ unterhalb davon den Schweinsgraben münden, dessen trockengelegtes Bett er zur Weiterführung des Landgrabens nutzte, den er knapp unterhalb der Mühle kurz vor der heutigen Heidelberger Straße in den Leimbach führte.

Veränderungen des Leimbachs im 20. Jahrhundert

Diese Mündung bestand bis um 1970, als im Zuge der Erschließung des südöstlichen Baugebiets um den Hardtwaldring der Landgraben in diesem Bereich zugeschüttet und seine Einführung in den Leimbach außerhalb der künftigen Wohnbebauung verlegt wurde, auch um weiteres Baugelände erschließen zu können. Der Pfister’sche Plan sah auch vor, den eingangs erwähnten windungsreichen Bachlauf in ein kanalisiertes Bett bis zum Bestandsverlauf bei der Schwetzinger Johannisbrücke in der Nachbarschaft zur heutigen Südstadtschule zu führen, um die Hochwassergefahr abzuwehren, bevor 1755 der Mühlenbetrieb aufgenommen werden konnte.

Die Bürgerwehr und die Hochwassergefahr

Nach einem Brand 1946, dem ein Teil des mächtigen, schlossartigen Barockbaus mit seinem Mansardendach zum Opfer fiel, wurde ein fünfgeschossiger Hochbau errichtet, in dem bis gegen Ende der 60er Jahre noch gemahlen wurde, als der Betrieb aus Rentabilitätsgründen aufgegeben wurde und die Baulichkeiten wie geschildert von der Bildfläche verschwanden.

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War dann eigentlich alles gut mit der Hochwassergefahr? Schön wär’s gewesen, denn auch nach diesen Eingriffen kam es weiterhin zu Überschwemmungen, auch innerhalb des Dorfes. Aus diesem Grund gab es schon lange vor der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr 1924 – das 100-jährige Jubiläum wird noch groß gefeiert – eine „Bürgerwehr“, die als Feuer- und Wasserwehr organisiert war. Immer wieder musste sie bereitstehen, um Brücken, Dämme und Schließen zu überwachen bis zur Korrektur von Leim- und Hardtbach 1936/37.

Die Bedeutung des Leimbachs für die Dorfgemeinschaft in Oftersheim

Damals wurden die zahlreichen Obstbäume, die sich auf den Leimbachdämmen befanden und bei ihrer Blüte sicher ein unvergleichliches Bild boten, gefällt, um zur Bachreinigung entsprechende Geräte einsetzen zu können. In diesem Zuge wurde innerörtlich auch das Bachbett mit Betonwänden versehen. Ein naturnahes „Leimbach-Erlebnis“ ist seither nur noch in Teilen der Bachstraße möglich. Überhaupt hatte man im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts für die Anlage der Bismarck- und Franz-Schubert-Straße den Bach als Richtschnur genommen, auf die alle Grundstücke ausgerichtet wurden. Daher kann im alten Ortsbereich der Bachlauf nur von den Brücken aus wahrgenommen werden, ein öffentlicher Zugang existiert hier sowieso nicht. Hochwasser wird man hier wohl kaum noch zu befürchten haben, doch „drauß im Feld“ ist man „zwische Bach unn Gròwe“, wie die Oftersheimer schlicht sagen, auch heute nicht völlig davor gefeit, wie beispielsweise im Dezember 2012 geschehen.

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Bis weit ins 19. Jahrhundert gab es nur eine Brücke, nämlich jene in der Heidelberger Straße, daher auch als kurze gemeine oder Brückenstraße bezeichnet. Der Volksmund sagte, wie es in der Ortschronik festgehalten ist, der Überschwemmungen wegen „Wassergass“ – doch stimmt das wirklich? Die „alde Ofdascher“ sind sich da nicht so sicher, und auch Altbürgermeister Siegwald Kehder verortet die „Wassergass“ stattdessen in der Sofienstraße – auch sie folgt parallel dem Leimbach und war bei Überschwemmungen daher besonders betroffen. Außerdem gab es dort „die Eireid“. So nannte man einen Durchlass auf der Höhe der Leopoldstraße, heute Hausnummer 13. In das flache Wasser konnten die Bauernburschen oder Knechte „hineinreiten“, daher der Name, um die Pferde zu putzen und zu pflegen.

Das Leimbachlied und die Identität Oftersheims

Zu guter Letzt sei noch an das „Leimbachlied“ erinnert, ersonnen vom „Essisch“, einem Oftersheimer Original, an das sich manch Alteingesessene noch erinnern mögen. Altbürgermeister Karl Frei hat ihm und seinem Lied in seinem Anekdotenbuch „Ofdascha Schbroch un Gschischde“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Was gäbe es noch alles zu erzählen, vom einstigen „gemeinen Dorfgarthen“ im vorderen Teil der heutigen Mozartstraße mit der Tuchbleiche und Zugang zum Bach, der Gänsweide, heute Kirchengelände von St. Kilian direkt am Wasser, der frühere Badeplatz bei der Mühle wurde auch noch nicht erwähnt. Doch eines wurde deutlich: „Die Bach“ ist ein wesentlicher Teil der Oftersheimer Identität, so wie Hardtwald, Dünen und jene geheimnisviolle Schlange.

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