Schwetzingen/Oftersheim. Ja theures, freundliches Schwezingen! Gegrüßet seyst Du uns mit all deinen Herrlichkeiten! Bist Du in deiner Umgebung doch wahrlich nicht minder es würdig, gleich Neapels Gefilden mit Sannazars Worten: ‚Ein Stück von dem Himmel zur Erde gefallen‘ zu heißen!“ Mit diesen pathetischen Worten eröffnet der badische Gartendirektor Johann Michael Zeyher um das Jahr 1820 seine Schrift „Schwezingen und seine Garten-Anlagen“.
Einen Teil dieser Herrlichkeiten in der barocken Gartenanlage von europäischem Rang und Beinahe-Weltkulturerbe bilden zweifellos die „Wasserkünste“, Bassins und die künstlichen Weiher, die über ein Kanalsystem miteinander verbunden sind und die 72 Hektar große Gartenanlage maßgeblich mitbestimmen. Zu- und Abfluss bildet dabei ganz unspektakulär - ja, richtig! - der Leimbach. Nur wenige Kilometer vor seiner Mündung in den Rhein bei Brühl darf er im Schwetzinger Schlossgarten seinen sicherlich größten Auftritt absolvieren.
Doch auch schon Jahrhunderte zuvor hatte der Leimbach die Anlage der zugehörigen Ansiedlung mitgeformt, die ursprünglich aus zwei Teilen bestand, einem Ober- und einem Unterdorf. Ersteres umfasste etwa den nördlichen Teil der Karlsruher Straße, einstmals „Oftersheimer Weg“, und folgte dem westlich davon fließenden Bachlauf. Zwischen den beiden Siedlungskernen entstand wohl im 13. Jahrhundert eine „Veste“, erstmals 1350 urkundlich in dieser Form erwähnt. Dabei handelte es sich um eine bewehrte Wasser- oder Tiefburg, die schon bald den Pfalzgrafen und späteren Kurfürsten, die in Heidelberg ihre Residenz hatten, als Jagdschloss dienen sollte.
Die wenigen bekannten Darstellungen dieser Anlage liefern ein eher unpräzises Bild über die Gesamtsituation. Den Zugang über den umgebenden Wassergraben mittels einer Zugbrücke darf man allerdings schon im Bereich des heutigen Tores zum Ehrenhof vermuten. Nach dem Umbau zum Jagdschloss wurde die Anlage 1621 im Dreißigjährigen Krieg fast komplett zerstört, schließlich unter Kurfürst Carl Ludwig wiederaufgebaut und zu einer kleinen Dreiflügelanlage erweitert.
Im Orleans’schen Erbfolgekrieg abermals niedergebrannt, war es danach Kurfürst Johann Wilhelm, damals in Düsseldorf residierend, der ab 1699 für den Wiederaufbau und eine erhebliche Erweiterung gesorgt hatte. Der umgebende Wassergraben muss damals noch existiert haben, wenn man einer Illustration ohne Quelle und Jahr Glauben schenken möchte, die im „Historischen Pfad“ in der Bahnhofsanlage den wiederaufgebauten heutigen Mittelbau ohne die beiden Seitenflügel zeigt.
Der nächste Schlossherr, Kurfürst Carl Philipp, wählte 1718 Schwetzingen zu seiner Sommerresidenz und ließ den bescheidenen Garten etwa bis zum späteren Arionbrunnen erweitern. „Wasserkünste“ spielten hier noch keine wirklich wesentliche Rolle, die Pläne zeigen eine manieristisch geprägte Wegeführung mit Springbrunnen und einem abschließenden geschwungenen Orangeriebau.
Spätestens mit dem Regierungsantritt seines Neffen Carl Theodor im Jahr 1742 sollte Schwetzingen und sein Garten einen ungeahnten Aufstieg nehmen, die Zeiten von Wassergräben und Zugbrücken war endgültig vorbei. Stattdessen entstand, zunächst noch ganz dem absolutistischen Vorbild Versailles folgend, eine französische Gartenanlage, die immer wieder erweitert, umgestaltet und ergänzt wurde.
Der Leimbach floss schon bald nicht mehr nur am Ehrenhof des Schosses vorbei - Er wurde vielmehr in Kanäle geführt, die mehrere individuell ausgeformte Gewässer speisten. In den verschiedenen Gartenpartien entstanden nach und nach die bekannten Einzelbauten, ergänzt durch ein umfangreiches Programm von weit über 100 Skulpturen.
Mit dem „Intendant dero Gärthen und Wasserkünste“ Nicolas de Pigage kam 1749 ein vielseitig talentierter Künstler aus Lothringen in kurfürstliche Dienste, mit seiner Anstellung neben dem Zweibrücker Hofgärtner Johann Ludwig Petri hatte das Gartenprojekt weiter an Fahrt aufgenommen. Das Wort „Wasserkunst“ darf in der Tat wörtlich genommen werden, denn der französisch geprägte Gartenteil wurde in den Folgejahren mit den fantasievollsten Wasserspielereien belebt. Vom kunstvoll ausgeformten Vogelbad über den Kaskadenbrunnen am Apollotempel, den wasserspeienden Vögeln in Kombination mit lebenden Artgenossen in Volieren bis zu den verspielten Puttenbrunnen in den vier Parterre-Rabatten der Hauptachse und einem „champignon d’eau“ waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Letztes Wasserspiel beschreibt übrigens die „Wasserglocke“ vor dem Badhaus, von den Einheimischen seit jeher „Linseschissl“ geheißen. Zudem waren auch Einzelskulpturen mit „Wasserkunst“ ausgestattet wie der Pan auf seinem von Wasser berieselten Fels, die Hirschgruppe und nicht zuletzt das Figurenensemble im zentralen Arionbrunnen mit seiner bis zu 15 Meter hohen Hauptfontäne.
Was dem Schlossgartenbesucher von heute selbstverständlich erscheint, wenn es an so vielen Stellen rauscht und plätschert, war für die Gartenplaner im 18. Jahrhundert eine wahre technische Herausforderung, noch dazu mitten in der flachen Rheinebene. Doch was bereits ein knappes Jahrhundert zuvor in den Gärten des Sonnenkönigs Ludwig XIV. in Versailles nur mäßig gelang, wurde in Schwetzingen mit dem technischen Know-how jener Epoche gelöst.
Um 1750 entstand beim nördlichen Schlossflügel am Bachlauf das sogenannte Obere Wasserwerk mit zwei unterschlächtigen Wasserrädern für den Antrieb von sieben Pumpen für die Grundwasserförderung, ergänzt um 1775 durch den markanten „Wasserturm“ mit zwei Reservoirs. Sie liegen 16,5 Meter über dem Boden und ermöglichten damals einen Betrieb der Wasserspiele wie beispielsweise des Arionbrunnens von zwölf Stunden. Erst um 1950 wurde die Anlage elektrifiziert.
Das Untere Wasserwerk in Schwetzingen
Zur Ergänzung wurde zwischen 1762 und 1765 das Untere Wasserwerk errichtet, das auf dem gleichen Prinzip aufbaut. Es befindet sich ebenfalls außerhalb des Gartenbereichs am Bach, der den Garten hier beim Römischen Wasserkastell verlassen hat und seiner Mündung zustrebt. Ihm folgt parallel ein Arm des künstlich ruinösen Aquädukts, das zusammen mit dem fast mittelalterlich anmutenden Pumpenhaus ein überaus malerisches Bild abgibt. In diesem Bau wurde übrigens nicht nur Grundwasser angehoben und in Koordination mit dem Oberen Wasserwerk bestimmte „Wasserkünste“ versorgt. Der Antriebsmechanismus bediente über die Mühlenräder auch eine „Knochenmühle“. Was heute scherzhaft als Bezeichnung für die Orthopädische Klinik in Heidelberg verwendet wird, ist hier in Schwetzingen wörtlich zu nehmen, denn eine solche Anlage hat nur selten die Zeiten überdauert. Einst wurden dort die Mengen an Knochen, die das kurfürstliche Schlachthaus lieferte, zerstampft und gemahlen - teilweise als Futter für die Meute der Jagdhunde, vor allem aber für die Produktion von Dünger und Leim. Wofür der Leimbach alles gut war . . .
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die französische Gartenkunst auch in der Kurpfalz nicht mehr en vogue, der englische Landschaftsstil setzte sich immer mehr durch. Hauptvertreter dieser Epoche in Schwetzingen war ab 1772 Friedrich Ludwig Sckell, der 1792 zum Hofgärtner aufstieg. Nach seinen Plänen wurden die neuen Gartenpartien im Norden und Westen so angelegt, als sei die Natur selbst deren Urheber.
Aber selbstverständlich wurde auch hier in der Konzeption nichts dem Zufall überlassen, sei es das leicht hügelige Gelände, die Bepflanzung, die „natürliche“ Wegeführung oder die entsprechend ausgeformten Wasserflächen. Während das im Volksmund „Schwarzes Meerle“ genannte Gewässer beim Tempel der Botanik - angeblich das tiefste im Garten - noch einen regelmäßigen Umriss zeigt, wirkt der Moscheeweiher in der Tat wie in die Landschaft komponiert, romantisch gesteigert durch das Spiegelbild des namensgebenden Bauwerks. Der Große Weiher erhielt dagegen seine natürlich anmutenden Ausbuchtungen und den westlichen Durchbruch erst in der badischen Zeit unter Gartendirektor Zeyher.
Wenn vom Schlossgartenweiher die Rede ist, denken vor allem Ältere noch an jene Zeiten, als es „richtige“ Winter gab und die Weiheroberfläche sich einen dicken Eispanzer zulegte, auf dem man wunderbar Schlittschuh laufen und „glenne“ konnte. War das Eis freigegeben, wurde auf dem Söller des Schlosses eine Fahne gehisst. Heute, sofern dieses Naturschauspiel mal wieder Einzug halten sollte, geschieht das Betreten auf eigene Gefahr.
Mit dem Eis aus dem Garten wurden früher auch die Brauereien versorgt, davon gab es eine ganze Reihe in der Spargelstadt; der „Eiskellerweg“ im Hirschacker kündet noch davon. In Zeiten des Klimawandels, der bekanntlich auch längst im Schwetzinger Gartendenkmal angekommen ist, vermag man sich davon keine Vorstellung mehr zu machen.
Doch was bleiben wird, sind all jene faszinierenden „Wasserkünste“, für deren Betrieb nur er allein mit seinem Zu- und Ablauf garantiert - der Leimbach.
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