Oftersheim/Schwetzingen. Unsere Spurensuche erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Dazu ist das Tierleben im und am Leimbach einfach zu vielfältig und reichhaltig. Doch vielleicht ermuntert diese kleine Zusammenfassung den einen oder anderen Leser, sich selbst mit Bestimmungsbuch, Fernglas und Lupe auf Entdeckungsreise zu den Lebewesen entlang der Ufer des nahen Baches zu begeben.
Da staunten auch die Experten, als sie vergangenen Monat im Zuge der Umgestaltung der Leimbachmündung und Erneuerung der Betriebswegbrücke eine Elektrobefischung des betroffenen Abschnittes durchführten: 493 Fische und Krebse wurden gefangen und anschließend in den Rhein gesetzt. Darunter viele Neozoen – also zugewanderte oder ausgesetzte Arten – wie die Schwarzmundgrundel (193), aber auch Rotaugen (72), Karpfen (50) und Barben (41) sowie Döbel (41) und Gründlinge (19) – und Aale, Welse und Zander. Und, völlig überraschend, der Fund der Flora-Fauna-Habitat-Fischarten (FFH), also besonders geschützten Arten wie Steinbeißer (6) und Rapfen (2). Im später trockengelegten Bachbett wurden weitere 100 kleine Fische und Krebse entdeckt.
Doch wie verläuft der Leimbach eigentlich genau? Er entspringt westlich von Sinsheim, exakter am Ortsrand des Diel-heimer Stadtteils Balzfeld. Eine genaue Verortung ist schwierig, weil er von mehreren Quellen gespeist wird und erst ab dem Ortsgebiet seinen Namen trägt. Auch auf seiner gesamten Strecke hat er zahlreiche Zuflüsse, die ihm stetig Wasser zuführen. Sein oberster Zufluss, der oft in die Gesamtlänge von knapp 40 Kilometern miteingerechnet wird, heißt noch Bettelbach und entspringt zwischen Feldern südlich der Autobahn A 6.
In den kleinen Kraichgau-Dörfern verläuft der Leimbach mitten durch die Ortsgebiete. In Wiesloch, wo an diesem Montag der fünfte Bauabschnitt zum Hochwasserschutz beginnt, der eine Umgestaltung des Gewässers und seiner Ufer sowie die Erhöhung der dortigen Fußgängerbrücke umfasst, trifft er dann auf die Rheinebene und erstmals auf eine Stadt – und muss sogleich in Teilen unter der Erde verschwinden. Am Bahnhof Wiesloch-Walldorf schwenkt er schließlich nach Norden und fließt zunächst parallel zu den Gleisen der Bahnstrecke Heidelberg-Karlsruhe. Kurz darauf kommt es zu einer Aufteilung: Der bereits im 16. Jahrhundert als Entlastungsgewässer angelegte Hardtbach biegt nach Westen ab, unterläuft die Autobahn A 5 und später die A 6, durchquert den Hardtwald und streift Hockenheim-Talhaus, um schließlich Richtung Ketsch in den Kraichbach zu münden.
Amphibien und Kleinstlebewesen im Leimbach
Bei den Amphibien sah es allerdings schlechter aus. Lediglich zwei junge Grasfrösche gingen den Fachleuten ins Netz. Weitere wurden zwar gesichtet, konnten aber nicht gefangen und an anderer Stelle wieder freigelassen werden. Noch schlechter steht es um das Vorkommen von Klein- und Kleinstlebewesen im Leimbach, die einen Teil der Nahrungsgrundlage für viele Fischarten bilden.
Wie Judith Renner von der an der Untersuchung beteiligten Firma Aland mitteilt, seien Messungen über diese Lebewesen nicht erhoben worden, doch es gebe drei Messstellen zwischen Schwetzingen und der Mündung des Leimbachs in den Rhein, wo 2021 festgestellt wurde, dass die Besiedelung mit am Gewässergrund lebenden Wirbellosen nur mäßig bis unbefriedigend sei. „Weit entfernt also vom guten Zustand gemäß der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), fasst Renner zusammen.
Ein Problem für den Artenreichtum im Leimbach sieht der Biologe und Gewässerkundler Uwe Heidenreich in der Klimaerwärmung zusammen mit der Entnahme von Wasser zur Bewässerung von Gärten und Feldern an heißen Sommertagen. „Wenn in unseren heißen Sommern Wasser aus kleinen Fließgewässern entnommen wird, führt das zu einer Verringerung des Volumens und damit zu einer zusätzlichen Erwärmung des Wassers. Dadurch sinkt der Sauerstoffge- halt im Wasser. Das verursacht nicht nur Fischsterben, sondern es verändert auch die Flora und Fauna. Nur ,Allerweltsarten‘ und wärmeliebende Spezialisten können sich dann noch durchsetzen. So nimmt die Artenvielfalt ab“, erklärt er.
Neozoen und ihre Auswirkungen auf die Artenvielfalt am und im Leimbach
Gleichzeitig nimmt das Problem mit den Neozoen zu, die zum Teil einheimische Arten be- oder sogar verdrängen. „In den Leimbach eingewanderte Neozoen sind beispielsweise der Kanadische Flusskrebs, Goldfische, der Sonnenbarsch aus Nordamerika, der Blaubandbärtling und die Dreikantmuschel aus dem Bereich des Schwarzen Meeres. Und nicht zuletzt finden wir den Halsbandsittich, eine Papageienart aus Afrika und Asien, im Schwetzinger Schlossgarten und am Rhein. Es liegt nahe, dass wir es vielfach auch bereits mit den Folgen des Klimawandels zu tun haben.“ Doch je eigenständiger ein Naturraum sich entwickeln könne – häufig hieße das schon, ohne Überdüngung – umso mehr einheimische Pflanzen und Tiere hätten die Chance, sich auszubreiten und aggressive Arten einzugrenzen, argumentiert er.
Die Nutria: Ein invasiver Neuling
Ein aus Südamerika stammender Neuling ist die Nutria, auch Biberratte genannt. Zur Zucht in Pelztierfarmen wurden die Tiere in den 1920er Jahren in Deutschland eingeführt. Einige entkamen oder wurden freigelassen, was zu einer Verbreitung in der freien Wildbahn führte. Obwohl dem Tier der Ruf anhängt, sehr wohlschmeckend zu sein, konnte es sich an Flüssen, Seen und Feuchtgebieten so sehr vermehren, dass die Nutria mittlerweile als invasive Art gilt.
Einerseits sehen die Tiere mit den langen Barthaaren um die Schnauze und den winzigen Tütenöhrchen allerliebst aus, besonders wenn sie sich entspannt auf sonnenbeschienen Steinen wärmen oder im flachen Wasser genüsslich Pflanzenblätter in sich hinein mümmeln, anderseits fressen sie hauptsächlich Wasser- sowie Uferpflanzen und unterscheiden nicht zwischen häufig vorkommenden und gefährdeten oder geschützten Arten. Außerdem untergraben sie Böschungen, was im Schlossgarten in der Vergangenheit zu Schäden geführt hat. Die Lieblingsspeise der im Vergleich zur Nutria viel kleineren und aus Nordamerika stammenden Bisamratte sind Körbchenmuscheln“. Auch die Spitzhornschlammschnecke oder Schnirkelschnecke ist hier heimisch.
Von den vielen Insektenarten entlang des Bachufers soll hier in dieser Zusammenfassung aus Platzgründen nur die Prachtlibelle als einzelne Art erwähnt werden. Jedoch begegnen dem Wanderer im Sommer mit Sicherheit weitere Libellenarten und eine Vielfalt von Schmetterlingen und Wildbienen, Schlupfwespen, Käfern und Heuschrecken.
Schwäne, Stockenten, Weißstörche und Graureiher, Amseln und der Star sind Vögel, die fast jeder Beobachter gleich erkennt. Doch auch seltenere Arten kommen am Leimbach vor: Mehlschwalben, Stieglitze und Gebirgsstelzen fliegen zum Trinken und Fressen immer wieder gerne an den Bach. Nilgänse, Teichhühner und Bachstelzen finden hier einen zeitweiligen Lebensmittelpunkt und darüber hinaus ist der Leimbach Brutgebiet einer der schönsten aller heimischen Vogelarten: dem Eisvogel. Er gräbt seine Bruthöhlen in die lehmigen Uferböschungen direkt über dem Wasser, wo er im Sturzflug kleine Fische jagt. Wem dieser anmutige und seltene Vogel auf einem Spaziergang durch den Schlossgarten oder die Schwetzinger Wiesen auch nur für wenige Sekunden über den Weg fliegt, kann sich für diesen Moment glücklich schätzen. Sein unverwechselbarer Hummelflug direkt über die Wasseroberfläche, sein metallisch blitzendes blaues und rotes Gefieder erfreuen die Sinne eines jeden Betrachters.
Der junge Roger Waters hat dem kleinen Fischjäger (englisch „Kingfisher“) in seinem Lied „Grantchester Meadows“ (Pink Floyd, „Ummagumma“, 1969) ein musikalisches Denkmal gesetzt: Das Platschen des jagenden Vogels ins Wasser hat der spätere Weltstar in dem aus Tierlauten und Kinderstimmen genähten Klangmantel um eine einfache Melodie besungen. Über das Lied spannt sich zudem noch der fröhliche, helle und zirpende Gesang der auch bei uns heimischen Feldlerche.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/oftersheim_artikel,-oftersheim-artenvielfalt-am-leimbach-herausforderungen-und-chancen-_arid,2252527.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html