Leimbach-Serie Teil 9

Fischtreppenbau am Leimbach in Brühl: Fortschritte und Herausforderungen

Ein vorerst letztes Mal erkunden wir das außergewöhnliche Fließgewässer, das Oftersheim und Schwetzingen prominent durchquert sowie an seinem Ende bei Brühl in den Rhein mündet – der Leimbach.

Von 
Rolf Simianer
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Die ökologisch wichtige Fischtreppe an der Ketscher Straße er-setzt seit den 1980er Jahren das frühere Stauwehr. © Rolf Simianer

Es bereitet wenig Mühe, dem Leimbachverlauf auf der letzten Fließstrecke bis zur Mündung im Rhein durch die Schwetzinger Wiesen zu folgen.

Von der Fischtreppe an der Brücke Ketscher Straße bis zu der im Bau befindlichen Fischtreppe an der Mündung führen bequeme, zum Teil sogar asphaltierte Wege durch Felder, Wiesen und Auwaldgebiete hindurch. Dennoch ist wenig los an diesem strahlenden, spätsommerlichen Nachmittag. Nur ein paar Enten, Schwäne und ein Graureiher verweilen auf dem Wasser oder an den Ufern des träge dahinfließenden Baches. Darüber zieht ein Mäusebussard gemächlich seine Kreise.

Arbeiten an der Fischtreppe verzögern sich

Allerdings ist das letzte Wegstück vor der Baustelle momentan immer noch gesperrt, weil sich die Arbeiten an der Fischtreppe und an der Leinpfadbrücke aufgrund mehrfacher Hochwasserereignisse in die Länge ziehen. Nur nach Rücksprache mit den zuständigen Stellen und deren Erlaubnis ist es möglich, schnell ein paar Fotos vom aktuellen Stand der Bauarbeiten zu machen. Einer der Arbeiter beklagt sich über ständige Probleme mit uneinsichtigen Eindringlingen, die plötzlich die Baustelle betreten und dadurch Unfälle provozieren. „Beinahe hätte ich vor ein paar Tagen einen Vater mit seinem Kleinkind beim Rückwärtsfahren mit dem Bagger überrollt. Ich habe die Schreie des Vaters gerade noch rechtzeitig gehört und im letzten Moment abgebremst.“

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Auf gleicher Höhe mit der Oberfläche des großen Flusses sprudelt der Leimbach nun über Steine in den Rhein. Was das bedeutet, erklärt Dr. Andreas Askani vom Umweltamt der Gemeinde Brühl. „Durch die Fischtreppe schaffen wir einen genetischen Austausch mit dem Rheinstrom. Der Weg ist nun beidseitig frei für Kleinstlebewesen bis hin zu Wanderfischen. Damit wird die Artenvielfalt gefördert. Als Fischart wird der Aal wohl am meisten von der neuen Durchlässigkeit profitieren.“ Sonst gibt es im Unterlauf des Leimbachs in erster Linie nur Döbel und Rotau- gen, was hauptsächlich an der schlechten Wasserqualität liegt. „In den dicht besiedelten Gebieten der Ebene bis zur Mündung führt der Leimbach fast kein Quellwasser aus seinem Einzugsgebiet im Kraichgau mehr, sondern überwiegend gereinigte Abwässer aus Kläranlagen . . .“, schreiben 2013 Dr. Sybille und Uwe Heidenreich in einem wissenschaftlichen Aufsatz für die „Badische Heimat“.

Historische Fischteiche und ihre Herausforderungen

Auf den letzten Metern bis zur Mündung finden sich den Bachlauf überspannende, eingerostete Eisenkonstruktionen, die Überreste ehemalige Schleusen zur Bewässerung von längst aufgegebenen Fischteichen. Im Jahr 1908 wandelten das Großherzogliche Domänenärar, das 55 Hektar Land auf der Kollerinsel und der Vorderen Koller besaß, ungefähr 20 Hektar in eine Fischteichanlage um. Vorher war das Land von 1872 bis 1900 an Brühler Ziegeleien zur Ausbeutung der Letten, also des Tonbodens, verpachtet worden. Um 1900 waren die ersten erschöpften Tongruben bereits wieder aufgefüllt und in Wiesen zurückgeführt worden. Wo das nicht mehr möglich war, entstanden als neue Einnahmequelle in den gefluteten Gruben die Fischteichanlagen der Domäne.

Derzeit wird die Leimbachmündung in den Rhein ganz neu gestaltet – allerdings ziehen sich die Bauarbeiten hin, weil nur bei Niedrigwasser die Fischtreppe und eine neue Brücke realisiert werden können. © Simianer

Hauptsächlich Galizische Spiegelkarpfen und Schleien wurden eingesetzt; in kleinerem Umfang auch andere Fischarten wie Zander, Schwarz- und Forellenbarsche sowie Zwergwelse. Die Zuchtfische waren bei der Bevölkerung begehrt, die Fischbrut wurde an Teichbesitzer und Fischwasserpächter verkauft. Nach und nach wandelten auch einige Brühler Ziegeleibesitzer wie J. B. Eder, Triebskorn und Schäfer ihre ehemaligen Tongruben in Fischteiche um.

Der große Nachteil: Der Wasserbedarf aus dem Leimbach war sehr hoch, da die Teiche im Frühjahr und Herbst abgelassen wurden. In den 1920er Jahren kamen jedoch neue Probleme dazu. Eine Schwetzinger Seidenfabrik leitete ungeklärt ihr Abwasser in den Leimbach ein und verseuchte ihn, sodass die Fische starben. Außerdem wurde um 1930 dem Leimbach zur Bewässerung des Hardtwaldes zeitweise so viel Wasser entnommen, dass er in Brühl austrocknete. 1932 wurde die Teichbewirtschaftung in den Schwetzinger Wiesen deswegen eingestellt, erklärt der Vorsitzende des Vereins für Heimat- und Brauchtumspflege Brühl Dr. Volker Kronemayer in der 28. Ausgabe von „Die „Ortsschell“.

Bewässerungssysteme und ihre Bedeutung für die Landwirtschaft

Zu viel größeren Teilen dienten die Wiesen am Rhein im Bereich der Schwetzinger, Brühler und Edinger Gemarkung den Landwirten zur Heugewinnung. Bereits 1780 wurden zur Bewässerung der Wiesen ein insgesamt zehn Kilometer langes Grabensystem angelegt: fünf Kilometer zur Bewässerung, fünf Kilometer zur Entwässerung. Dazu wurden die notwendigen Schutzwälle und Dämme errichtet, Grenz- und Flursteine gesetzt und insgesamt 15 mit Ketten und Balken regelbare Schleusen gebaut. „Über Bewässerungsrinnen wurden den einzelnen Gewannen Wasser zugeführt. Kleine von Hand zu öffnende Schließen ermöglichten die Bewässerung. Über Steinplatten konnten die Bauern auf ihre Felder fahren und die Bewässerungsgräben überqueren“, berichtet Kronemayer.

1934 fließt der Leimbach noch kanalisiert quer durch Brühl. Rechts erkennt man August Reber mit seinen Enkelkindern Klaus und Ruth Ensenauer. © vhbp

Bewässert wurden alle Flächen akribisch genau nach einem mengenmäßig und zeitlich ausgeklügelten und vom Wiesenhüter strengstens überwachten Bewässerungsplan. Die erste Heuernte auf den Wiesen für die Viehhaltung in den Höfen fiel zeitlich auf Anfang Juni, die zweite, das Öhmd, auf Ende Juli oder Anfang August. Dabei beobachteten Staatliche Stellen genau, was angebaut und geerntet wurde. So findet sich beispielsweise 1917 in der „Schwetzinger Zeitung“ aufgelistet, was die Landwirte verfüttern durften und was nicht.

Die Rolle der Wiesenhüter im Bewässerungssystem

Die Arbeit der Wiesenhüter stand dabei im Mittelpunkt des gesamten Systems der Wässerwiesen. Von ihrer Zuverlässigkeit hing es ab, wie gut Bewässerung und Entwässerung funktionierten und wie hoch der Ertrag der Bauern letztlich war. Die Wiesenhüter hat- ten die ge- samte Anlage zu bedienen und zu warten, gegebenenfalls auch Ersatzteile zu fertigen. Die Bekämpfung der die Dämme untergrabenden Maulwürfe stand ebenso auf ihrer Arbeitsliste wie das Erkennen und Beseitigen von für das Vieh giftigen Pflanzen auf den Wiesen. Auch die Meldung, an welchem Tag die wichtigsten Pflanzen zum ersten Mal blühen, der Phänologische Dienst, gehörte zu den wesentlichen Aufgaben der Wiesenhüter.

Für seine 40-jährige Tätigkeit als Phänologe in Brühl wurde der frühere Wiesenhüter Albert Fichtner im Oktober 2013 mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Sein Sohn, der heutige Wiesenwart Fritz Fichtner, hat den Phänologischen Dienst erst in diesem Jahr aus Altersgründen abgegeben.

Sein Hauptaugenmerk liegt im Moment auf der Reparatur des Sommerdamms. Sein großes Anliegen ist das Auskoffern, also das Ausgraben bis auf die ursprüngliche Sohle des Schneckengrabens, der sich von der Schließe am Sommerdamm in der Nähe des Friedhofs Rohrhof bis zur Schließe am Rhein hinzieht. „Die einzige Möglichkeit, das Oberflächenwasser nach einem Hochwasser wieder in den Rhein zurückzuführen, ist der Schneckengraben. Dabei handelt es sich nicht um eine Trockenlegung.“ Damit vertritt Fichtner auch die Meinung der Landwirte. Naturschutzverbände hingegen möchten eher die Verlandung des Grabens unterstützen und Pflegemaßnahmen verhindern.

Renaturierung des Leimbachs: Ein Balanceakt

Schon seit 30 Jahren in Planung ist das Mäandern des Bachlaufs. Nach dieser Renaturierungsmaßnahme würde sich der Leimbach in 50 Meter breiten Schleifen durch die Schwetzinger Wiesen schlängeln. „Das hätte den Vorteil“, so Uwe Heidenreich, „dass sich durch das entstehende Feuchtgebiet der Bodenwasserhaushalt insgesamt besser ausgleichen würde.“ Das wäre letztendlich auch zum Nutzen der Landwirtschaft, sagt er.

Ein Reh nähert sich in den Riedwiesen nahe der Leimbach-mündung dem Wasser. © Heidenreich

Und vielleicht liegt genau da der Startpunkt auf dem Weg zum Ausgleich der verschiedenen Interessen: die Kulturlandschaft der Schwetzinger Wiesen zu erhalten und den Leimbach auf eine Weise ökologisch aufzuwerten, von der auch die Landwirtschaft profitiert.

In Brühl endet der Leimbach heute am Rhein. Vor der Begradigung des Flusses in den 1830er Jahren durch den badischen Oberingenieur Johann Gottfried Tulla ging er allerdings noch über die Kollerinsel weiter bis zum heutigen Otterstädter Altrheinarm. Bis heute kann man auf der nunmehr linksrheinischen Gemarkungsfläche Brühls an deren nördlichesten Zipfel den einstigen Leimbachverlauf erkennen.

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