Oftersheim. Die Dekarbonisierung – also der völlige Verzicht darauf, Gas, Öl und Kohle zu verbrennen – ist eine enorme Herausforderung, sowohl für die gesamte Volkswirtschaft als auch für jede einzelne Kommune. Doch es gibt keine Alternative dazu: Wenn wir weiterhin fossile Energieträger wie bisher nutzen, riskieren wir, den Kampf gegen den Klimawandel endgültig zu verlieren.
Warum der Ausstieg aus fossilen Energien so wichtig ist
Klimaschutz bedeutet Schutz des eigenen Überlebens. Wenn man sich das klar vor Augen führt, dann gibt es de facto nichts, was über dem Kampf ums Überleben steht oder die Menschen an diesem hindern sollte. Der Klimawandel diktiert mit unumstößlichen Gesetzen der Physik. Von Menschen gemachte Gesetze, die diesen Fakt ignorieren, „interessieren“ die Physik überhaupt nicht.
Ein Resultat der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas ist der Temperaturanstieg. 2 Grad mehr hört sich harmlos an. Aber übers Jahr durchschnittliche 2 Grad mehr bedeuten an Sommertagen eine Temperatur von 38 Grad im Vergleich zu 30 Grad.
Die 30 Grad hat der eine oder andere Leser in seiner Kindheit in den 1960er Jahren als Höchsttemperaturen im Sommer erlebt. Bereits 34 Grad mit entsprechender Luftfeuchte (wie in Oftersheim üblich) bedeuten, dass man nicht mehr durch Transpiration ausreichend Verdunstungskühle erzeugen kann.
Der Körper beginnt bei dieser Umgebungstemperatur langsam zu überhitzen und die Folge kann ein Hitzschlag sein. Dieses Schicksal kann besonders ältere Menschen oder Babys und Kleinkinder treffen. In der Statistik werden diese Sterbefälle als Hitzetote unter den vulnerablen Gruppen geführt. Bei der Pilgerfahrt Hadsch nach Mekka im Jahr 2024 gab es mehr als 1.300 Hitzetote. Da die Temperatur 34 Grad deutlich überstieg, waren darunter auch gesunde Menschen.
Oftersheim hinkt beim Ausbau hinterher
Oftersheim ist im Sommer ein sehr heißer Ort. Gründe sind die geografische Lage und die in manchen Bereichen ausgesprochen dichte Bebauung ohne pflanzliches Grün im Straßenbereich. Natürlich haben auch die Oftersheimer seit Beginn der Industrialisierung beträchtliche Mengen an CO₂-Emissionen aus fossiler Verbrennung verursacht.
Man ist also Betroffener und Mitverursacher des Problems. Im globalen Vergleich sind die Emissionen der Oftersheimer natürlich marginal, 12.300 Menschen kann man nicht mit 8 Milliarden Menschen vergleichen. Von Oftersheims Gemarkung gingen seit 1850 etwa 16 Millionen Tonnen Emissionen aus. Heute kommen pro Oftersheimer Bürger etwa vier Tonnen pro Jahr dazu. Das ist etwas weniger im Vergleich zum Durchschnitt aller Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis.
Das liegt aber nicht am besonders klimaschützenden Verhalten der Oftersheimer, sondern daran, dass es auf Oftersheimer Gemarkung keine größeren Industriebetriebe gibt und auch keinen Autobahnabschnitt mit entsprechendem Verkehr oder einen Verkehrsflughafen. Bei der Erzeugung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen schneidet Oftersheim im Vergleich mit den Kommunen des Rhein-Neckar-Kreises deutlich schlechter ab, weil der hier mögliche Zubau bei weitem noch nicht ausgenutzt ist.
Versorgung durch Grundwasser und Solarthermie
Heute gibt es in Oftersheim etwa 740 PV-Anlagen inklusive Balkonkraftwerke mit einer maximalen Nettonennleistung von in Summe 6.000 Kilowatt. Das hört sich viel an, ist es aber nicht. Zum einen wird die Nettonennleistung absolut nie erreicht, zum anderen kommt man in die Nähe dieser Nettonennleistung nur zur Mittagszeit (Sonnenhöchststand) im Monat Juni. Vormittags und nachmittags sowie in allen anderen Monaten ist es immer nur ein kleiner oder sehr kleiner Bruchteil dieser Nennleistung. Ganz besonders im Winter, wo pro Monat ungefähr ein Achtel dessen vom Himmel kommt, was uns die Sonne im Monat Juni beschert. Sehr wenig also ausgerechnet dann, wenn man viel braucht und sehr viel, wenn man, wie im Sommer, ganz wenig braucht.
Mit 6.000 Kilowatt installierter PV-Nettonennleistung wurden in Oftersheim im Jahr 2024 etwa 3.000.000 Kilowattstunden Strom erzeugt, allerdings 22.700.000 Kilowattstunden Strom verbraucht. Der heutige Stromverbrauch ist also fast achtmal höher als die heutige Stromerzeugung. Der zukünftige Stromverbrauch wird sich noch deutlich erhöhen, weil die riesigen fossilen Energiemengen, die heute noch als Treibstoff in die Automotoren eingespritzt werden, als Gas über die Leitung in die Gastherme strömen oder als Heizöl in den Tank gefüllt werden, durch erneuerbare Energie (Strom) substituiert werden, und zwar mit deutlich besserer Effizienz.
Um die Wärmeversorgung und die Mobilität zu elektrifizieren, muss in Oftersheim ein Ausbau bis 2040 erfolgen, der etwa zehnmal soviel Strom erzeugt, wie es die heutige Installationskapazität bereitstellt. Aber auch mit der zehnfachen Installationskapazität werden andere Gemeinden und Städte mit nach Oftersheim Strom liefern müssen. Die Gemeinde wird also immer Strom-Netto-Importeur bleiben. Gäbe es in Oftersheim Potenzial für Windkraft, dann könnte man den eigenen Bedarf unter Umständen damit decken.
Chancen durch Wärmepumpen und PV-Anlagen
Wenn man in einem Ort, einem Landkreis, einem Bundesland oder einem Staat die Sektoren Wärme, Mobilität und Strom dekarbonisiert, dann ist die Errichtung von PV-Anlagen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Mit einer PV-Anlage wird allerdings nur etwas für den Stromsektor getan. Daneben gibt es die bisher kaum dekarbonisierten Sektoren Wärme und Mobilität. Bei der Wärme hat man in Oftersheim und natürlich auch in vielen anderen Gemeinden im Oberrheingraben das Glück, dass man in den milden Wintern nicht ganz soviel Heizenergie braucht wie in Ortschaften, die in höheren Lagen über Normalnull gelegen sind.
Zudem stößt man in Oftersheim in geringer Tiefe ab vier bis acht Metern auf relativ warmes Grundwasser von 13 Grad – ein riesiges Wärmereservoir, um Grundwasser-Wärmepumpen, der effizienteste Wärmepumpentyp, mit Quellwärme zu versorgen. Durch den Fakt, dass das Grundwasser auch im Winter konstant 13 Grad hat, kann die Grundwasser-Wärmepumpe auch im Winter viel Wärme aus dem Grundwasser entziehen und hat damit gleich fünf bauartbedingte Vorteile gegenüber den bereits häufig zu sehenden Luft-Wasser-Wärmepumpen: völlige Geräuschlosigkeit, längere Lebensdauer, eine auch an kalten Wintertagen maximal mögliche Leistungsabgabe, einen deutlich geringeren Strombedarf und schließlich ist die Grundwasser-Wärmepumpe meist etwas billiger als eine Luft-Wasser-Wärmepumpe gleicher Heizleistung.
Man muss also bei einer Grundwasser-Wärmepumpe die zusätzlichen Kosten für die Grundwasserbohrungen und die Kosten für eine Anlage, die das Eisen und Mangan im Grundwasser „ausfiltert“, diesen Vorteilen gegenüberstellen, durchrechnen und dann entscheiden, worin man investiert.
Neben Wärmepumpen gibt es für die Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien auch die extrem effiziente Solarthermie. Solarthermie zu installieren ist etwas aufwändiger als PV-Module, aber sie erbringt etwa dreimal so Ertrag wie PV-Module, wenn man den solaren Ertrag pro Quadratmeter Solarkollektorfläche betrachtet. Mit der Solarthermieanlage auf dem Dach muss unbedingt ein Pufferspeicher im Keller mit eingebaut werden, um die Wärme vom Dach zu speichern.
Je größer der ist, desto mehr Wärme kann gespeichert werden, die an kälteren Tagen entnommen werden kann. Es gibt Gebäude mit sehr großen Solarthermieanlagen und ausgesprochen großen Pufferspeichern, die allein aus Solarthermie den ganzen Jahreswärmebedarf für Brauchwasser und Heizung decken.
Viele Vorteile des Elektroautos gegenüber dem Verbrenner
Bei der Elektrifizierung der Mobilität ist das Elektroauto bei objektiver Betrachtung die mit Abstand beste Wahl. Die Vorteile liegen glasklar auf der Hand wie die etwa viereinhalbmal bessere Effizienz im Vergleich zum Verbrenner, der viel billigere laufende Betrieb, der Fahrspaß durch enorme Beschleunigung, die Wartungsfreiheit des Motors, die Laufruhe oder das umweltverträgliche Fahren ohne Kohlendioxid-Emissionen.
Diese Vorteile sollte man mit dem heute noch des häufig höheren Anschaffungspreises eines Elektroautos gegenüber einem Verbrenner abwägen und dann die richtige Kaufentscheidung treffen.
Unter dem Strich bleibt die komplette Dekarbonisierung das überlebenswichtige Thema, für das die nicht verhandelbaren Gesetze der Physik die Regeln vorgeben. Es geht nicht darum, was Menschen für zumutbar halten. Denn deren Definition von Zumutbarkeit „interessiert“ die Physik überhaupt nicht.
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