Ortsgeschichte

Freie Wähler Oftersheim führen durch den alten Ortskern – mit Anekdoten, Brezeln und neuem Wein

Bei einem Rundgang durch den alten Ortskern haben Hermann Dolezal und Helmut Spieß so manche launige Anekdote parat. Etwa 50 Teilnehmer interessierten sich für den Spaziergang durch den alten Ortskern von „Ofdasche“.

Von 
Volker Widdrat
Lesedauer: 
Unterhaltsam: Hermann Dolezal (r.) hat beim Spaziergang der Freien Wähler durch den alten Ortskern von Oftersheim viele Geschichten auf Lager. © Widdrat

Oftersheim. Der Ortsrundgang der Freien Wähler kam gut an. Etwa 50 Teilnehmer interessierten sich für den Spaziergang durch den alten Ortskern von „Ofdasche“. Hermann Dolezal und Helmut Spieß hatten wieder so manche Anekdote parat. Kerstin Schnabel kam mit der mit Brezeln und neuem Wein beladenen Schees, ihre Gemeinderatskollegen Silke Seidemann und Michael Seidling begleiteten den Tross durch die Mannheimer Straße.

Start war am Rose-Saal, mit einem Blick zurück auf den ehemaligen schienengleichen Bahnübergang mit der Schranke, was regelmäßig für lange Staus im Dorf sorgte. Bis 1940 war der Rose-Saal auf dem ältesten bebauten Grundstück der Gemeinde das beliebteste Domizil für Veranstaltungen und Versammlungen. Während des Krieges wurde er von der Konservenfabrik Bassermann als Lagerhaus angemietet. 1979 kaufte die Gemeinde das Anwesen.

Vielfältigkeit des Angebots

Oftersheim in den 1950er und 1960er Jahren ist die Zeit, in der es noch zahlreiche Geschäfte aller Art gab. Dolezals Aufzählung erhob keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigte aber die Vielfältigkeit des Angebotes damals im Ort: Bäckereien wie Günther Siegel, Schorsch und Berthold Siegel, Arthur Pfitzenmeier, Bronner, Rehm, Noe, Kießling, Frei und Schnabel, Metzgereien wie Mergenthaler, Kücherer, Geiß, Armbruster, Merz, Öhmig, Reils und Schreiner. Milchladen, Obst- und Gemüsegeschäfte, Drogerien, Apotheken, Friseure und Wirtschaften wie Kornblume, Adler, Hirsch, Wilder Mann, Pflug, Löwe, Grünes Laub, Zum Schlupp, Rondell, Neue Welt, die Lindenwirtin und den Kronprinzen und viele mehr. „Der Kohls Hermann war Wirt im Grünen Laub. Er hot immer anschreibe misse. Der Lui geht an der Wädschaft vorbei. Geh mol rei, du hosch do noch was steh, sagt der Hermann. Schütt’s weg, des trink isch nimmi, antwortet der Lui“, erzählte Dolezal.

Brezeln und neuer Wein

Ortsrundgang der Freien Wähler in Oftersheim birgt spannende Ortsgeschichte

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
11
Mehr erfahren

Oder die Geschichte vom Rösche-Schorsch, Schwergewichtsringer bei der deutschen Meisterschaft in Hannover, der dort „ä Fahrkart uff Offdaschä“ wollte und vom Bahnbeamten zum Auslandsschalter nebenan geschickt wurde. Es wurden Erinnerungen wach an die Jugendzeit, als das „Metropolstübchen“ und die „Silouwa“ die besonderen Treffpunkte waren.

Vier Tankstellen existierten einst im Ort. Otto Schwarz begann 1933 mit Fahrrädern und später Motorrädern. Der „Schwarze Ottl“ und seine NSU waren ein Begriff. 1946 gründete Johann Dolezal eine Tankstelle mit Rheinpreußen und später Texaco sowie einen Kfz-Betrieb. In der Heidelberger Straße war die Aral-Tankstelle von Paul Weber jahrelang ein Begriff.

Mehr zum Thema

Ein Film aus Oftersheim (mit Video)

„Gerda“ rast mit der Schees über den Hockenheimring

Veröffentlicht
Von
Volker Widdrat
Mehr erfahren
Jugendzentrum

s'Juz in Oftersheim feiert 40 Jahre: Geburtstag wird gebührend gefeiert

Veröffentlicht
Von
Joachim Klaehn
Mehr erfahren
Gemeinderat

Zu viele freie Kindergartenplätze in Oftersheim

Veröffentlicht
Von
Stefan Kern
Mehr erfahren

Bis 1902 kam man in Oftersheim ohne Straßennamen aus, bis 1905 auch noch ohne Hausnummern. Im Volksmund war die jetzige Mannheimer Straße die „Schwetzinger Schtroß“. Unter Hausnummer 89 war bis in die 1950er Jahre der Pferdehändler Stoll, dann der Pfannkuch, der erste Supermarkt überhaupt in der Hardtgemeinde.

Das „Dietzengässel“ hat heute die älteste Mauer im Ort. In der „Wassagaß“ (Heidelberger Straße) trat jedes Jahr die Leimbach über die Ufer und überflutete die Höfe, vor allem bei der „Eireit“, wo die Bauernburschen im Sommer ihre Pferde in die Leimbach führten, um sie dort zu waschen.

Kürzester Weg nach Ketsch

Die „Ketschergaß“ (Hildastraße), eine der ältesten Straßen, führte auf kürzestem Weg nach Ketsch. Die „Sackgaß“ (Friedrichstraße) geradewegs auf eine Mauer zu. Die Wilhelmstraße wurde „Schuhmachersgaß“ genannt, weil an einem Ende der Dreschmaschinenbesitzer Schuhmacher wohnte und am anderen Ende der Dreschplatz war. Bei Hausnummer 63 war einst der Bockstall, erzählte Helmut Spieß von den Kindern, die auch mal ein „weißes Pony“ reiten wollten und beim Nachhausekommen nach Ziegen gestunken haben.

Tross mit der Schees: Gefüllt mit Brezeln und neuem Wein bewegt er sich durch die Mannheimer Straße vom Rose-Saal bis zum Rathaus und zurück ins Heimatmuseum. © Volker Widdrat

Die Gruppe blieb an den Anwesen Mannheimer Straße 67 und 69 stehen, die heute die Gemeindebücherei und das Jugendzentrum beherbergen. 1863 wurde hier ein Wohnhaus mit der Gaststätte „Ochsen“ eröffnet. Eine zusätzliche Zigarrenfabrik musste später geschlossen werden. Die Ringer hatten im „Ochsen“ ihr Stammlokal. 1950 wurde das Anwesen an die Firma „Rowin“ (das heißt Regen oder Wind), eine Werkstätte für Spezialkleidung, verkauft. Der Betrieb wurde 1962 von der Kleiderfabrik Joba in Kirrlach übernommen.

Der Bereich an der Mozartstraße diente nach dem Krieg mehrere Jahre als Kirchweih- und Festplatz, erläuterte Dolezal. Ab 1951 gab es hier das Metropol-Kino, eine Apotheke und eine Tabakwiegehalle. Seit 1985 steht das große Wohn- und Geschäftshaus. Die Feuerwehr hatte ab 1937 durch zwei eingebaute Toreinfahrten zur Mozartstraße hin zwei kleine Geräteräume bekommen. Nach der Ortskernsanierung erinnert die Straße „Am Alten Messplatz“ an den alten Namen. Bis 1950 wurde der Tabak auf den Bauernhöfen gewogen, dann in der Wiegehalle in der Mozartstraße und ab 1973 in der neuen Halle beim Bauhof.

Erhalt historischer Bausubstanz

Nächste Station war am Brunnen vor dem 1888 errichteten mittleren Schulhaus. 1968 erhielten die drei Schulhäuser zwischen Rathaus und evangelischer Kirche den gemeinsamen Namen Friedrich-Ebert-Schule.

Abschluss war an den alten Bauernhäusern der Mannheimer Straße 59 und 61, heute Heimatmuseum und Gemeindezentrum. Beide stehen für die gelungene Erhaltung historischer Bausubstanz im Ortszentrum. Im Heimatmuseum fand dann der Ausklang bei Zwiebelkuchen und neuem Wein statt.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung