Oftersheim. Jörg Naumann steht vor der unscheinbaren Box auf dem Waldweg Richtung Grünhaus. Dann drückt er auf eine Fläche im Display des Kastens und wartet 30 Sekunden. Schließlich spuckt der Apparat, ein Gravimeter, eine Reihe von Zahlen aus, die vom Geothermie-Experte Thomas Kölbl sehnlichst erwartet werden. Denn die Zahlenreihen bieten dem Geologen einen ergänzenden Einblick in den Untergrund.
Den braucht er auch, denn die Energieversorger EnBW und MVV sind dabei, gemeinsam die Potenziale der Geothermie in der Region zu erkunden. Neben bereits vorhandenen Karten und Daten sollen die Messungen des Gravimeters helfen, Verwerfungen zu finden, in denen heißes Thermalwasser zu erwarten ist. Dazu drückt Naumann aber nicht nur einmal aufs Knöpfchen – insgesamt gibt es im 270 Quadratkilometer großen Untersuchungsgebiet im Raum zwischen Mannheim-Süd und Reilingen, Altlußheim sowie Heidelberg 2000 solcher regelmäßig verteilter Messpunkte – jeweils 300 bis 500 Meter voneinander entfernt.
Mal befinden sie sich im Wald oder auf den Wiesen, manchmal aber auch mitten im Ort – „wir bleiben aber immer auf öffentlichen Wegen“, ergänzt Daniel Günther, Geschäftsführer der Gesellschaft für geowissenschaftliche Dienste aus Leipzig, bei der auch Naumann angestellt ist.
Und was genau misst der graue Kasten auf dem Stativ nun? Die Schwere der Erdanziehung an diesem Punkt, ist die kryptische Erklärung. Unwissenschaftlich und physikalisch ungenau könnte man sagen, dass das Gewicht des Gesteins im Untergrund gewogen wird. Allerdings wird der Wert dabei nicht in absoluten Zahlen genannt, sondern in Relation zu Referenzpunkten, bei denen das Landesvermessungsamt die Schwere bereits genau kennt – davon gibt es gut ein Dutzend im Untersuchungsgebiet.
Die Messung geschieht mit einer solchen Genauigkeit, dass schon ein vorbeifahrendes Autos die Daten beeinflussen könnte. Wegen des Erdbebens in Alaska konnten die Experten in der Kurpfalz einen ganzen Tag lang gar nicht arbeiten, weil die Erschütterungen auch ihre Daten durcheinandergewirbelt hätten.
Deshalb misst Naumann nicht nur einmal, sondern jeden Punkt dreimal hintereinander – daraus entsteht dann ein gemittelter Wert. So dauert es auch gut 15 Minuten, die er benötigt, den Messpunkt per Satellitenortung zu finden, den Kasten zu justieren, die Messungen durchzuführen und nach der Übermittlung der Daten zum nächsten Punkt weiterzuziehen. Modernste Technik ist die Voraussetzung dafür, dass alles exakt läuft – und ein abgegriffener Zollstock, mit dem misst Naumann die Entfernung zwischen Gravimeter und Oberfläche, „so auf zwei, drei Zentimeter genau“.
Bereits ein Drittel der Messpunkte im Feld Hardt haben er und seine Kollegen – es sind bis zu drei Teams gleichzeitig unterwegs – bereits abgearbeitet. In gut vier Wochen sollen alle Punkte angesteuert worden sein – wenn die Sperrungen wegen des Hochwasser am Rhein bis dahin aufgehoben worden sind.
Etwas länger dauert noch eine zweite Erkundungsaufgabe, erklärt Kölbl im Gespräch mit unserer Zeitung. In 50 bestehenden Brunnen werden derzeit Proben genommen, um sie auf Spuren der chemischen Elemente Argon und Helium zu untersuchen. „Finden die sich in einer gewissen Konzentration, dann lässt sich daraus erkennen, ob Thermalwasser aus den Tiefen noch oben dringt“, erklärt er. Sollten die Elemente auftauchen, werden die zwölf ergiebigsten Brunnen noch einer genaueren Analyse unterzogen – und das braucht seine Zeit.
Insgesamt rechnen MVV-Projektleiter Matthias Wolf und sein Kollege Stefan Ertle von der EnBW mit einem sechsstelligen Betrag für die Erkundung des Untergrundes im Feld Hardt. Sollte noch einmal an einzelnen Stellen eine 3D-seismische Messung notwendig werden, würde der Betrag ins Siebenstellige wechseln. Doch am Ende ergebe sich dann ein umfassendes Bild des Untergrundes, der vielversprechende Geothermiestandorte aufzeigen würde, betonen die beiden Konzernvertreter.
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