Oftersheim. Sie sind orange oder rot, gelb oder blau und manchmal auch weiß. An den Bäumen der Wälder in der Region sind vielerorts Symbole zu sehen, die an die Stämme gesprayt wurden. Warum das so ist und warum diese „Graffiti“ keinerlei Spieler- oder Schmierereien sind, sondern ganz legal und sogar essenziell in der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, erklärt Philipp Schweigler, Forstbezirksleiter und stellvertretender Leiter des Kreisforstamtes, im Gespräch mit dieser Zeitung.
Hintergrund: Holzprodukte seien aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Vom Hausbau bis zum Toilettenpapier sei das Material ein vielseitiger Rohstoff, schreibt das Kreisforstamt in einer entsprechenden Pressemitteilung. „Die Entscheidung darüber, welches Holz in die Weiterverarbeitung für die zahlreichen Produkte gelangt, liegt unter anderem bei den Förstern des Rhein-Neckar-Kreises. Die Holzerntemaßnahme findet hauptsächlich im Winterhalbjahr statt.
Zehn-Jahres-Planung auch beim Wald von Oftersheim
Bevor jedoch die Motorsäge zum Einsatz kommt, gibt es einiges zu tun. „Alle kommunalen Wälder des Kreises verfügen über eine Forsteinrichtung. Diese Zehn-Jahre-Planung legt für alle Waldbestände, also Waldgebiete mit ähnlicher Altersstruktur und Baumartenzusammensetzung, eine Behandlung fest. Für jeden Bestand wird ermittelt, wie viel Holz derzeit auf der Fläche vorhanden ist und wie viel in den nächsten zehn Jahren nachwächst. Diese Informationen dienen den Forstleuten als Grundlage für eine nachhaltige Waldwirtschaft und die Vorbereitung von Holzerntemaßnahmen“, erläutern die Verantwortlichen des Kreisforstamtes.
„Nach dem Blick in das Forsteinrichtungswerk ist eine Inaugenscheinnahme vor Ort unerlässlich.“ Und hier kommen die „Graffiti“ ins Spiel: Beim Durchgehen der Waldbestände werden die sogenannten Rückegassen, also die Wege, auf denen Forstmaschinen im Wald fahren dürfen, mit Sprühfarbe nachmarkiert. In der Regel werden dafür zwei übereinanderliegende waagrechte Striche verwendet. „Häufig in blauer Farbe“, erklärt Forstbezirksleiter Philipp Schweigler.
Dies gewährleiste, dass die Maschinen stets auf denselben Wegen bleiben und eine flächige Befahrung des Waldes ausgeschlossen wird. Die Schlepper würden lediglich eine maximal ungefähr 3,5 Meter breite Fläche benutzen, die nach zwei bis drei Jahren wieder bewachsen sei, und dabei Stämme seitlich mit Seilen heranziehen.
Für den Naturschutz wichtige Baumarten werden in Oftersheim markiert
„Im selben Arbeitsgang werden auch die Habitatbaumgruppen - kleine, stillgelegte Baumgruppen - aufgesucht und nachmarkiert sowie andere für den Naturschutz wichtige Bäume markiert“, schildert das Amt.
Die Habitatbäume werden in der Regel mit einer weißen Schlangenlinie oder einem weißen „H“ gekennzeichnet und seien für den Waldnaturschutz „besonders wichtig“, erklärt Schweigler. Die Markierung sei noch kein Standard und werde erst nach und nach realisiert, stelle aber eine wichtige Schutzmaßnahme für besonders wertvolle Bäume dar, die zum Beispiel Spechte beheimateten. „Diese Bäume sind oft schwer zu entdecken und sollen vor Fällung geschützt werden, auch um den Naturschutz dadurch voranzutreiben.“
Im Oftersheimer Wald seien vor allem ältere Eichen beliebte Habitatbäume unter Tieren, allerdings gäbe es sie nur selten. „Kiefern dienen beim Absterben mit ihrer trockenen Rinde ebenfalls vielen Tieren als Zuhause“, so Schweigler weiter. Fledermäuse würden hier einen geeigneten Unterschlupf finden.
Die Förster in Oftersheim halten Ausschau nach sogenannten Z-Bäumen
Gleichzeitig halten die Förster nach Z-Bäumen Ausschau. „Die Bezeichnung Z steht für Zukunft. Z-Bäume sind besonders vitale Bäume mit einer guten Qualität. Sie besitzen eine große, gesunde Krone sowie einen geraden, astfreien Stamm und haben somit gute Überlebenschancen“, erklärt das Amt den Hintergrund.
Diese Bäume sollen am Ende hochwertige Holzprodukte liefern. Damit Waldarbeiter bei der Arbeit wissen, auf welche Bäume sie besonders achten müssen, werden Z-Bäume rund um den Stamm gut sichtbar mit Punkten markiert. „Zusätzlich sind die Z-Bäume aufgrund ihrer Vitalität besonders widerstandsfähig. Dies ist angesichts des Klimawandels, der unsere Wälder durch Trockenheit und Hitze zusätzlich belastet, von großer Bedeutung“, heißt es in der Pressemitteilung des Amtes ergänzend. Häufig sind diese besonders schützenswerten Bäume mit blauen Punkten versehen. „Manchmal auch mit weißen oder Ringen rundherum“, so Schweigler. In Oftersheim können Eichen aber auch vitale Kiefern oder Buchen als Z-Bäume ausgewählt werden.
Um Z-Bäume zu unterstützen, werden benachbarte Bäume, die den markierten bedrängen, mit einem roten Schrägstrich markiert. „Im Wald herrscht ein Kampf ums Licht“, unterstreicht Schweigler dazu. „Wir wollen viele unterschiedliche und vermehrt klimafeste Bäume haben, darum greifen wir ein und helfen schützenswerten Bäumen, die vielleicht mal in 30 Jahren besonders wertvoll sind, ans Licht zu kommen.“ Diese als „Durchforstung“ bezeichnete Methode hat entsprechend weitsichtige und langfristige Ziele.
Oftersheimer Wald: Andere Bäume werden gefällt, um Wachstum von Z-Bäumen zu fördern
Andere Bäume werden daher gefällt, um das Wachstum des Z-Baums zu fördern. Die mit Schrägstrich markierten Entnahmebäume werden gezählt und der durchschnittliche Durchmesser ermittelt. „Anhand dieser Informationen kann die Menge des zu entnehmenden Holzes hochgerechnet werden, um sicherzustellen, dass nicht mehr Holz entnommen wird, als nachwächst. So bleibt die Nachhaltigkeit in unseren Wäldern gewahrt“, informiert das Forstamt. In Oftersheim handelt es sich bei den Entnahmebäumen meistens um Kiefern und fast ausschließlich um absterbende Bäume, wie Philipp Schweigler zusätzlich ausführt.
Die Förster legten auf Grundlage der vor Ort gesammelten Informationen wie Baumartenverteilung, Durchmesser der zu entnehmenden Bäume, Bodenverhältnisse und Anlage der Rückegassen ein Arbeitsverfahren fest. „Also die Art und Weise, wie die Holzerntemaßnahme im Winter durchgeführt werden soll“, lautet die Mitteilung aus Heidelberg.
„Das Arbeitsverfahren umfasst die Auswahl der Technik zum Fällen des Holzes sowie den Transport aus dem Wald, um es anschließend an einer geschotterten, lastwagen-tauglichen Forststraße zu lagern. Von dort kann das Holz dann abtransportiert und weiterverarbeitet werden. Alle Entscheidungen sowie die Mengenplanung werden schriftlich in einem Arbeitsauftrag festgehalten. Dieser dient als Zusammenfassung aller wichtigen Informationen zu der geplanten Holzernte und bildet die Grundlage für die Beauftragung von eigenen Forstwirten oder Unternehmern für die Holzerntemaßnahme“, so die detaillierte Erklärung.
Die bunten Markierungen im Oftersheimer Wald erfüllen eine wichtige Funktion
Die bunten Markierungen in den Wäldern erfüllen also wichtige Funktionen. „Sie tragen dazu bei, eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder im Rhein-Neckar-Kreis sicherzustellen und dabei den Naturschutz zu integrieren. Von der langfristigen Planung der Forsteinrichtung über die genaue Markierung der Rückegassen und Habitatbaumgruppen bis hin zur Auswahl und Förderung von Z-Bäumen ist jeder Schritt wichtig, um zu garantieren, dass unsere Wälder auch in Zukunft alle relevanten Funktionen erfüllen können“, schreibt das Kreisforstamt in seinen Erklärungen abschließend.
Interessanter Fakt: Obwohl rund um Oftersheim riesige Waldflächen vorhanden sind, die nach Angaben Schweiglers zwischen 1000 und 1200 Hektar Grundfläche umfassen und von ForstBW betreut werden, ist der Gemeindewald, für den das Kreisforstamt zuständig ist, lediglich 83 Hektar groß.
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