Oftersheim. „Da wird es dann schon auch mal ein bisschen dreckiger“, beschreibt Hexenmeisterin Alexandra Eckert schmunzelnd die Taufe der sechs erwachsenen Anwärter des Carneval Clubs Grün-Weiss Oftersheim. Gut begründet, denn die Neuen dürfen sich an diesem Abend auf eine Haarkur - bestehend aus einem rohen Ei, Sägemehl und Rasierschaum - freuen.
Als die Veranstaltung am frühen Abend beginnt, deutet für den Laien alles auf ein geselliges Beisammensein hin - so haben die Freunde der schwäbisch-alemannischen Fasnacht an der Oftersheimer Grillhütte für ausreichend Verpflegung, Sitzmöglichkeiten, Spiel und Spaß gesorgt. Erst auf den zweiten Blick lässt sich die schaurige Mission des Vereins an der traditionellen Kleidung erkennen, die Hästräger haben sich nämlich, zumindest im späten Mittelalter, das Austreiben der Dämonen des Winters zur Aufgabe gemacht.
Ein Glas Blutwurz gehört zur Hexentaufe
„Eigentlich dürften wir das streng genommen noch gar nicht tragen“, gesteht Eckert mit Blick auf ihre Kleidung, bestehend aus einem Rock, einer Bluse und einer handgefertigten Holzmaske: „Wir möchten es aber nicht ganz so streng nehmen wie andere Hexenvereine, bei denen man sich traditionell erst zum 11. November wieder einkleiden darf.“
Diese eher zurückhaltende Einstellung hat Grün-Weiss allerdings nicht zum letzten Schritt der Aufnahme in ihre Reihen, denn die Hexentaufe, für die sich Groß und Klein an diesem Tag traf, hat es in sich. Neben dem individuellen Taufspruch erwartete die Hexen von morgen nämlich ein Glas Blutwurz, das Eckert als „besonders widerlich“ beschreibt, außerdem eine schleimige Substanz, die die Freiwilligen so in den Nacken gekippt bekamen, dass sie bis in die Schuhe lief und eine Gesichtsdekoration mit Farbe durch die zukünftigen Vereinskollegen. Da diese Prozedur als letzter Schritt der Aufnahme erst nach einem Probejahr im Club erfolgt, dürften die Gepeinigten trotzdem nicht allzu überrascht gewesen sein.
Auf die Frage, ob sie sich auf ihre Kindertaufe freut, antwortet die neunjährige, sichtlich nervöse Frida kurz und bündig: „Nein!“ Natürlich wirft das Mädchen, dessen Mama auch in der Zunft tätig ist, blitzschnell hinterher: „Dafür umso mehr, wenn ich dann endlich dabei bin“, in diesem Moment überwiegte dann wohl doch kurz der Bammel vor den schaurigen Geschichten der älteren Kinder, die ihre Taufe schon hinter sich gebracht hatten. Dabei sind die Aufgaben der vier Kinder, die sich in diesem Jahr zum Vereinsbeitritt entschlossen, deutlich humaner als die der erwachsenen Vorbilder. So müssen die Kleinen unter anderem einen Apfel ohne Benutzung der Hände aus einem Wasserbecken fischen und einen Trunk aus Glibber zu sich nehmen. „Ich wurde noch nie getauft“, erweitert die zehnjährige Mila das Gespräch und lässt durch ihr Grinsen erkennen, dass ihr die Gruselgeschichten über das Aufnahmeritual keine Angst machen. Zu Recht, wie auch Frida festgestellt haben dürfte, die nach ihrem großen Auftritt sichtlich an Nervosität eingebüßt hatte.
Mehr als „nur“ Fasching in Oftersheim
Wer glaubt, das Wirken eines Carnevalvereins beschränke sich auf die Zeit der Wintermonate, irrt, denn zumindest Grün-Weiss hat für Feierwütige deutlich mehr zu bieten als „nur“ Fasching: „Sommerfest, Weihnachtsfeier und wir gestalten andere Feste mit“, informiert die Vorsitzende. Besonders auszeichnen würde sich der Club durch die zwanglose Gestaltung des Zusammenwirkens: „Bei uns gibt es zwar auch Pflichteinsätze und eine Grundanzahl an Faschingsumzügen, an denen ein Mitglied teilnehmen muss, aber das Ganze ist trotzdem deutlich lockerer als bei den klassischen schwäbisch-alemannischen Vereinen.“
So sehe man sich selbst als Alternative zu den strengeren Dämonenvertreibern, wie die Hexenmeisterin abschließend zu verstehen gibt. Nachdem die neuen Mitglieder im Verein begrüßt wurden, wurde der warme Spätsommerabend mit Speisen und Getränken genossen.
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