Oftersheim. Ende Januar hat sich Roland Seidel nach 53 Jahren vom Gemeinderatstisch verabschiedet. Seit diesem Tag heißt die Halle in der Freiherr-vom-Stein-Straße nicht mehr Kurpfalzhalle. Bürgermeister Jens Geiß hat gemeinsam mit den Gemeinderäten beschlossen, sie nach dem Ehrenbürger zu benennen.
Nicht alle Einwohner der Gemeinde sind mit dieser Umbenennung zufrieden. Unser Leser Hans-Peter Sturm ist beim Heimat- und Kulturkreis gemeinsam mit Helmut Spieß für die Museumsbetreuung verantwortlich – und er kennt sich in der Ortsgeschichte aus. Er hat unserer Zeitung einige Zeilen zur Kurpfalzhalle geschrieben, die seine Meinung zu dieser Thematik widerspiegeln: Roland Seidel wurde nach mehr als 53 Jahren aus dem Gremium verabschiedet – eine stolze Leistung, die zweifellos großen Respekt und Anerkennung verdient, war er doch seit 2009 zugleich Erster Bürgermeisterstellvertreter.
Um es gleich vorweg in aller Deutlichkeit festzustellen: Es geht mir keineswegs darum, an den großen Verdiensten Roland Seidels um das Gemeinwohl, auch auf Vereinsebene, in irgendeiner Weise rühren zu wollen; seit jeher genießt er die Achtung einer breiten Öffentlichkeit, was sich ja allein in seinen zahlreichen Wiederwahlen in den Gemeinderat widerspiegelt. Daher ist es auch gerechtfertigt, dass sich sein Name nunmehr auch an geeigneter Stelle im öffentlichen Raum der Hardtgemeinde manifestieren darf.
Aber – und diese Frage möge mir gestattet sein – musste es ausgerechnet die Kurpfalzhalle sein? „Kurpfalzhalle Oftersheim“ – dieser Name war seit Jahrzehnten ein Begriff, nicht nur in der Gemeinde selbst, sondern weit in den Rhein-Neckar-Raum hinaus.
Damals, bei ihrer Einweihung am 10. Mai 1963, war sie eine der ersten Mehrzweckhallen im Großraum Mannheim/Heidelberg und wurde schnell unter anderem Schauplatz bedeutender Sport- und Großveranstaltungen auch auf internationaler Ebene. Und während in manchen Nachbarkommunen ähnliche Hallen und Kulturstätten bis heute neutrale Bezeichnungen wie „Festhalle“, „Stadthalle“ oder schlicht „Mehrzweckhalle“ tragen, entschied sich der Oftersheimer Gemeinderat schon damals – wir befinden uns in den frühen 1960er Jahren – für einen „richtigen“ Namen, den das neue Bauwerk fortan tragen sollte.
In der Nähe der Sommerresidenz
Die Namensgebung erfolgte bereits bei der Grundsteinlegung am 24. Februar 1962, also fast auf den Tag genau vor 60 Jahren – und ist damit wohl auch in einer Grundsteinurkunde festgehalten. „Kurpfalzhalle Oftersheim“ – diese Bezeichnung machte auch durchaus Sinn in einer Gemeinde in unmittelbarer Nachbarschaft zur kurfürstlichen Sommerresidenz Schwetzingen und in ungefähr gleicher Entfernung zu den kurpfälzischen Residenzstädten Heidelberg und Mannheim.
Ich weiß, Oftersheim hat damit den historischen Begriff „Kurpfalz“ nicht für sich allein gepachtet, aber meines Wissens gibt es neben der Kurpfalzhalle in Leimen-St. Ilgen und dem Kurpfalzsaal in Edenkoben keine vergleichbare Einrichtung, welche diesen Namen trägt.
Die Bezeichnung wird also nicht gerade „inflationär“ für Gebäude gehandelt, während umgekehrt in den vergangenen Jahrzehnten „Kurpfalz“ immer mehr zu einer Marke avancierte, deren Inhalt sehr oft keineswegs etwas mit jener Historie zu tun hat, welche bei der Nennung dieses Namens mitschwingt. Daher gebührt den Gemeindevätern von damals auch heute noch Respekt für ihre Entscheidung, der neuen Kulturstätte in Oftersheim auch einen Namen mit regionalem und historischen Bezug zu geben, wenn auch dasselbe Gremium fast zeitgleich den Abriss des alten Rathauses beschlossen hatte. Das Wort identitätsstiftend war damals noch nicht so gebräuchlich, ist aber heute daher wichtiger denn je. Vielleicht erscheinen inzwischen manchem Mitbürger so vermeintlich heimattümelnde Begriffe wie „Kurpfalzhalle“ zu „uncool“ in Zeiten von Globalisierung und wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit von Ballungsräumen wie der hiesigen „Metropolregion Rhein-Neckar“, hier im Nordwesten von „The Länd“.
Dieser Tage hätte unter normalen Bedingungen auch wieder der „Schmudo“ stattgefunden – auch diese Veranstaltung ist in der öffentlichen Wahrnehmung teils über die Region hinaus mit ihrer „Location“ verbunden – der Oftersheimer Kurpfalzhalle. Klar, die Halle ist ja noch die gleiche, und irgendwann hat sich jede Namensänderung mal etabliert – aber musste das in diesem Fall wirklich sein? Und wenn eine vergleichbare Halle mit einem Personennamen verknüpft ist, handelt es sich dabei in der Regel um ehemalige Bürgermeister oder den Stifter der Einrichtung wie in Reilingen und Eppelheim, eventuell auch um überregional bekannte Persönlichkeiten aus eben diesem Ort.
Mit Namensgebungen ist das in unserer Gemeinde ohnehin eine Sache für sich. So gibt es seit 1995 in der Eichendorffstraße das „neue Verwaltungsgebäude“. Tatsächlich ist diese Bezeichnung aber als „Pars pro toto“ nur für einen Teil zutreffend, denn neben Amtsstuben vorwiegend für das Bauamt umfasst das Raumprogramm einen ehemaligen Viehstall mit sehenswertem Kreuzgratgewölbe, der für Wechselausstellungen dient, sowie einen Bürgersaal im Dachgeschoss. Hier wäre beispielsweise der Name „Roland-Seidel-Haus“ denkbar gewesen, hat er doch in seiner Gemeinderatstätigkeit und als Bürgermeisterstellvertreter die Entstehung dieses Baues von der Ursprungsidee bis zur Einweihung begleitet.
Und wie war das damals mit dem Lessingplatz? Im Jahr 2007 lobte die Gemeinde einen Ideenwettbewerb aus, um dem bis dato nur als „Quartiersplatz“ bezeichneten Freigelände inmitten des neuen Baugebiets „Nord-West“ einen Namen zu geben. Neben einer Vielzahl von Bürgern hatte sich damals auch der Heimat- und Kulturkreis bei der Namensfindung beteiligt und reichte den Vorschlag „Weinböhla-Anlage“ beziehungsweise „Weinböhla-Platz“ ein. Diese Bezeichnung hätte durchaus Sinn gemacht, denn abgesehen davon, dass sich seit der Partnerschaftsbeurkundung mit der sächsischen Gemeinde 1991 an keiner Stelle im öffentlichen Raum ein entsprechender Hinweis fand – erst vor wenigen Jahren wurde wenigstens an den Ortseingängen mit Schildern darauf hingewiesen – grenzt an den Platz die Erich-Kästner-Straße an. Der Kinderbuchautor stammte bekanntlich aus Dresden und damit aus der Nähe von Oftersheims Partnergemeinde. Jedenfalls wurde dieser Vorschlag mit großer Mehrheit vom Gemeinderat abgelehnt, stattdessen – wie einfallsreich – wählte man den Namen der vorbeiführenden Lessingstraße auch für den Platz.
Keine neuen Straßen in Sicht
Zehn Jahre später, im September 2017, stellte die CDU-Fraktion aus aktuellem Anlass – der Altkanzler war drei Monate zuvor verstorben – den Antrag, den Lessingplatz in „Dr. Helmut-Kohl-Europaplatz“ umzubenennen. Auch dieser Vorschlag wurde – wohl wenig überraschend - mehrheitlich abgelehnt. Im Vorfeld der betreffenden Gemeinderatssitzung griff ich in der Presse erneut den Vorschlag von 2007 auf, doch in diesem Zuge auch über den Namen unserer Partnergemeinde bei einer eventuellen Neubenennung nachzudenken. Doch in der Sitzung war der Name „Weinböhla-Platz“ nur mehr eine Fußnote, die keiner weiteren Diskussion bedurfte. Inzwischen gibt es bekanntlich in Sachsen eine „Oftersheimer Straße“. Bis jedoch die Gemeindeverwaltung Weinböhla Ähnliches aus ihrer kurpfälzischen Partnergemeinde verkünden darf, „leeft noch viel Wasser die Leimbach nunner“, denn neue Straßen wird es außer dem derzeit blockierten Baugebiet „Stimplin“ auf absehbare Zeit nicht geben. Alternativ wäre aber sicher auch hier der Name Roland Seidels denkbar gewesen.
Ich bin schon gespannt, in welcher Weise zu gegebener Zeit unsere Weitsprung-Legende Malaika Mihambo namentlich gewürdigt werden soll. Ein Tipp: Da gibt es doch im Hardtwaldring noch eine Sporthalle. Die trägt zwar den Namen des einstigen Bürgermeisters Karl Frei, aber was soll’s…
Übrigens: Das Geschirr der Halle, jedenfalls die Kaffeegedecke, trägt den Schriftzug „Kurpfalzhalle Oftersheim“. Also – falls nicht schon geschehen, dann aber weg damit und neues angeschafft – hier empfehle ich eine Neuware ohne Aufschrift; wer weiß, vielleicht steht in naher Zukunft wiederum eine Umbenennung bevor.
Doch von der Ironie zurück zu versöhnlichen Tönen: Aus diversen Gesprächen kann ich bestätigen, dass die Umbenennung keineswegs auf den ungeteilten Beifall einer breiten Oftersheimer Einwohnerschaft stößt (ich dachte zunächst an einen Scherz); dies sollten die Gemeindevertreter unbedingt zur Kenntnis nehmen. Doch wenn jetzt schon die Halle ihren identitätsstiftenden Namen einbüßen musste – wie wäre es, den angrenzenden Messplatz mit dem Marktbereich fortan offiziell als „Kurpfalzplatz“ zu bezeichnen? Das tut keinem weh, es ändert sich keine Adresse – und die ehemalige Kurpfalzhalle hat ihren „alten“ Namen nicht gänzlich umsonst getragen.
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