Oftersheim. In der gemeinsamen Pressemitteilung der FDP-Ortsverbände Oftersheim, Hockenheim und Schwetzingen hieß es: „Die in den vergangenen Wochen durchgeführten seismischen Messungen in der Region zeigen den großen Informations- und Diskussionsbedarf der Bevölkerung.“ Daher soll es nun mehrere Veranstaltungen dazu geben. Den Auftakt machte am Mittwoch ein Informationsabend mit anschließender Diskussionsrunde im Oftersheimer Schützenhaus. Dazu eingeladen waren Matthias Wolf, der Geschäftsführer von Geohardt, einer Tochter von MVV und EnBW, sowie der Geologe Dr. Thomas Kölbl, die in das Thema Geothermie einführten und über die Planungen in der Region berichteten.
Fast 50 Interessierte hatten sich eingefunden, als der Vorsitzende des FDP-Ortsverbandes Holger Höfs und seine Hockenheimer Kollegin Julia Klein die Gäste begrüßten. Auch der Schwetzinger Stadtrat Dr. Christian Lorentz war zugegen. Sie betonten, dass es sich um keine politische; sondern um eine Informationsveranstaltung handele.
Matthias Wolf schilderte zunächst das Vorhaben von Geohardt. Die CO2-Neutralität sei erklärtes Ziel der MVV. Dabei gleiche das Erreichen davon einem Puzzlespiel, denn es gebe viele Bausteine im Bereich der klimafreundlichen Technik. Drei Regionen gebe es in Deutschland, die für die geplante Erzeugung von Wärme und Energie prädestiniert seien, so auch der Oberrheingraben, der sich wie ein Band nordwärts durch Baden-Württemberg zieht.
Doch der Vortrag wurde immer wieder durch kritische bis wütende Nachfragen unterbrochen. Matthias Wolf konterte, man habe schon 2021 ein Dialogkonzept entwickelt und dazu über 1000 zufällig ausgewählte Bürger befragt. „Sind denn auch Geschädigte darunter?“, wollte ein Teilnehmer wissen. „Die Personen wurden, wie gesagt, zufällig ausgewählt“, so Wolf. Geologe Dr. Thomas Kölbl betonte: „Geothermie - das kann man schlecht oder gut machen“ und zog mehrfach Vergleiche mit Unternehmen wie Apple und Tesla, beides Pioniere auf ihren Gebieten, und gab Erläuterungen zur Geothermie-Anlage in Bruchsal. „Das ist eine ‚Micky-Maus-Anlage‘ im Vergleich zu dem was kommt“, so Werner Müller von der Bürgerinitiative Geothermie Landau - eine Aussage die Dr. Kölbl so nicht stehen lassen wollte, denn dies sei in keiner Weise wahr.
Kritik an Geothermie: 40 000 Tonnen Lithium
Kaum beruhigen konnte sich Rainer Hüngerle von der BI gegen Tiefe Geothermie aus Brühl: „Die Vulcan Energy aus Karlsruhe hat schon 40 000 Tonnen Lithium verkauft, ohne sie zu haben. Um ihre Lieferfristen einzuhalten, müssten alle drei bis sechs Kilometer entlang dem Oberrheingraben Kraftwerke entstehen.“
Auch Volker Engelfried aus Schwetzingen war anwesend, der zahlreiche Schäden an seinem Haus auf die seismischen Untersuchungen mit Vibro-Trucks zurückführt (wir berichteten). Ein laut eigenen Angaben geschädigter Hauseigentümer aus dem Hirschacker meinte: „Herr Wolf, das Vertrauen der 70 Geschädigten in die Geothermie ist weg. Die bei mir im Januar entstandenen Schäden sind immer noch da und wir haben Mitte März. Die Versicherung sagte mir, dass ich nichts reparieren lassen soll. Sonst zahlen sie gar nicht.“
Und Volker Engelfried betonte: „Bei mir ist ein Schaden von 100 000 Euro entstanden, gezahlt werden soll aber nur ein Fünftel, da ‚alt für neu‘ gilt. Ich selbst bekomme das von meiner Versicherung ersetzt, da ich auch gegen ‚unbekannte Schäden‘ versichert bin. Das ist aber teuer, weswegen das viele nicht sind. Ich gehe an die Öffentlichkeit, um zu informieren, was passieren kann.“
Immer wieder wiesen die beiden Referenten auf die vielen Chancen der Geothermie hin. Denn Erdwärme sei eine CO2-neutrale, umweltfreundliche Energie und somit die Zukunft. Und Deutschland müsse unabhängig von fossilen Energieträgern und Auslandsimporten werden. „Das Grundwasser ist uns sehr wichtig, denn es ist ein Nahrungsmittel“, betonte Kölbl, auf mögliche Verunreinigungen angesprochen. Die von einem Besucher angesprochene Förderung von Lithium mittels Geothermieanlagen bezeichnete er als zur Zeit noch „in homöopathischen Dosen“.
Kritiker zur Geothermie: Schäden durch Vibro-Trucks
Die anwesenden, die nach eigenen Aussagen durch die seismischen Untersuchungen Schäden davontrugen, nahmen besonders eine Aussage der sehr um Vertrauen und Transparenz bemühten Referenten mit großer Aufregung auf. Denn die an 2400 Punkten aktiven Truck-Vibrationen in einem Gebiet von 70 Quadratkilometern hätten meist weit unter einem gefährlichen Schwellenwert gelegen. So hieß es auf einer gezeigten Folie: „Die den Meldungen zuzuordnenden Messungen liegen gemäß DIN 4150-3 zumeist unterhalb des Anhaltswerts von denkmalgeschützten Gebäuden.“
Damit sei ein aus Erfahrung festgelegter Wert gemeint, dessen Einhaltung einen Schaden nicht eintreten lasse. „Die Versicherung lehnte daher zuerst ab irgendetwas zu zahlen“, so die Vertreter des Konzerns. Doch Geohardt habe sie überredet, die Fälle zu prüfen. Eine weitere Folie zeigte gemeldete Schäden im Vergleich mit den von Geohardt vor den Untersuchungen selbst gemachten Bildern um zu belegen, dass sich unter den rund 70 Schadensmeldungen auch schon vorher bestehende befänden, was ein Geschädigter so kommentierte: „Es mag Trittbrettfahrer geben, aber meine Schäden durch die Untersuchungen sind nachweisbar.“ Auf wenig Begeisterung stieß auch der Hinweis, dass die Landesbergdirektion allein über die Bestimmung eines Standortes für eine Anlage entscheide. „Aber alle werden zuvor gehört, Ämter, Gemeinden und Bürger“, betonte Matthias Wolf.
Das sagen die Rathauschefs zur Geothermie
Die Veranstaltung, die auf eineinhalb Stunden ausgelegt war, endete erst nach über vier. Geologe Dr. Kölbl betonte: „Es ist wichtig, dass wir miteinander reden, auch wenn es dabei heiß hergeht.“ Matthias Wolf ergänzte: „Es gibt 41 Geothermie-Anlagen in Deutschland und zumeist keine bekannten größeren Schäden. Wir sind offen für den Dialog und stehen für Transparenz.“ Holger Höfs kündigte weitere FDP-Veranstaltungen zum Thema an, die aber erst noch terminiert werden müssten, darunter eine Podiumsdiskussion und ein Besuch der Bruchsaler Anlage.
Ein Teilnehmer behauptete über den Schwetzinger Oberbürgermeister Dr. René Pöltl, dieser habe die Aussage getätigt, die Gemeinde habe keinen Einfluss auf den festgelegten Weg der Vibro-Trucks gehabt, was in Plankstadt aber möglich gewesen sei, da der Ortskern wegen seinem sensiblen Untergrund ausgespart wurde. Dazu meinte Pöltl auf Anfrage: „Hier gab es schon vor zehn Jahren, als ähnliche Untersuchungen liefen, keinerlei Probleme und keine Schadensmeldungen. Die Gemeinden im Tätigkeitsgebiet der Geohardt planen eine Informations- und Dialogplattform mit unabhängigen Experten, damit jeder sich objektiv informieren kann. Damit wollen wir im Mai an die Öffentlichkeit gehen.“ Bürgermeister Pascal Seidel betonte: „Es ist noch eine frühe Phase. Sollte tatsächlich eine Anlage auf Oftersheimer Gemarkung geplant sein, wird es natürlich einen intensiven Dialog und umfangreiche Informationen für die Bevölkerung geben. Die Verwaltung und ich selbst würden den Prozess konstruktiv kritisch begleiten.“
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