Festplatz (mit Fotostrecke)

Oftersheim feiert eine „erfolgreiche Kerwe auf Probe“

Die Veranstaltung befindet sich aus Sicht der Schausteller im Wandel. Organisatorin Ursula Roos ist trotz einiger Sorgen zufrieden, nimmt aber kein Blatt vor den Mund.

Von 
Noah Eschwey
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Die Band „VoiceNet“ spielt erstmals auf der Oftersheimer Kerwe. © Eschwey

Oftersheim. „Die Kerwe ist unser Herzblut. Würden wir dieses Leben nicht so lieben, dann hätten wir das alles vermutlich schon an den Nagel gehängt.“ Es sind mahnende Worte, die Veranstalterin Ursula Roos an diesem Samstagabend auf der Kerwe in Oftersheim gegenüber dieser Zeitung wählt. Zwar könne sie für den ersten Tag eine durchweg positive Bilanz ziehen, es sei allerdings trotzdem an der Zeit, Klartext zu sprechen, findet die Organisatorin.

Noch nie zuvor konnten die Besucher der Veranstaltung Livemusik genießen. Doch dieses Jahr ist vieles anders – die rockige Coverband „VoiceNet“ begeistert das bunt gemischte Publikum vor einer kleinen Bühne auf dem Festplatz. Eine echte Errungenschaft, meint Besucher Wolfgang Brucker: „Die letzten Jahre gab es auf der Kerwe nichts für die erwachsenen Bürger – das hier war ausschließlich für Familien. Mit Musik am Abend gibt es auch einen Programmpunkt für Menschen jeden Alters. Wir sind super begeistert und die Band ist klasse.“ Ein nachvollziehbares Gefühl, das Brucker, der mit seiner Partnerin und zwei befreundeten Paaren vor der Bühne feiert, beschreibt. „Ansonsten gibt es für uns ja nur den Kerwe-Montag, an dem wir jedes Jahr durch die Kneipen ziehen“, sagt der Oftersheimer.

Bürgermeister Pascal Seidel ist nach dem gelungenen Fassbieranstich sichtlich zufrieden. © Polifka

Doch unter der Erweiterung leidet nicht die Qualität des Angebots für die Kinder, die nach wie vor Hauptzielgruppe der Veranstaltung sind. „Es ist deutlich besser als die Jahre zuvor“, erklärt Familienvater Jochen Rößle, der die Behauptung auch zu begründen weiß: „Wir haben das Gefühl durch die Musik wirkt es einladender. Doch was noch wichtiger ist: Es gibt mehr Stände mit Essen und Getränken. Außerdem sind mehr Fahrgeschäfte vor Ort. Die sind das Wichtigste.“ Für seinen Sohn sei das absolute Highlight der Autoscooter, obwohl der Krake, wie Rößle den Polyp tauft, einen Adrenalinstoß garantiere. Nur eine Sache störe ein bisschen, kritisiert er, der aus Lokalverbundenheit zu jeder Kerwe komme: das Kinderkarussell, das recht unpraktisch vor der Bühne platziert sei: „Das ist schade, die Band ist wirklich gut, aber die Menschen können nicht frontal vor der Bühne stehen.“ Ein Verbesserungsvorschlag, der bei der Veranstalterin Ursula Roos auf ein offenes Ohr trifft: „Ja das stimmt, der Platz ist nicht ganz optimal. Wir haben die Bühne dreimal an verschiedenen Orten aufgebaut. Immer hat irgendwas nicht gepasst. Es ist nun Mal unser erstes Jahr mit Livemusik, im nächsten Jahr finden wir eine bessere Lösung.“

Genau wie es sein sollte

Uwe Müller, der den Crêpe-Stand seiner Frau Melanie aus Edingen-Neckarhausen führt, zeigt sich glücklich: „Das Wetter hat mitgespielt, es waren viele Familien da. Genauso, wie eine Dorfkerwe sein sollte.“ Besonders schön sei der hohe Zuspruch der Besucher gewesen, bestätigt Müller, der zum zweiten Mal in Oftersheim Leckereien anbietet: „Wir waren schon im Frühjahr hier. Das hat uns so gut gefallen, dass wir unbedingt wieder herkommen wollten.“

Der Musikverein gestaltet die Eröffnung mit. Das ist tatsächlich erstmals der Fall. Des Weiteren gibt es Redebeiträge des Bürgermeisters und einen Auftritt der Kerweborscht. © Polifka

Müllers Chefin an diesem Wochenende, Ursula Roos, ist die Erleichterung am Gesicht abzulesen: „Wir sind wirklich positiv überrascht. Es waren heute viele Familien hier, das brauchen wir auch, um einen solchen Vergnügungspark finanzieren zu können.“ Eine Liveband ist ja bekanntlich Neuland, verrät Roos: „Das hatten wir noch nie, aber dafür sind wir sehr zufrieden. Trotzdem freuen wir uns über Feedback, um im nächsten Jahr weitere Verbesserungen an den Start bringen zu können.“ Eine besondere Ankündigung kann Roos schon jetzt offenbaren: „Im nächsten Jahr wollen wir einen Biergarten integrieren, um den Erwachsenen noch ein wenig mehr zu bieten.“ Trotz aller Freude gibt es für die Organisatorin, welche die Kerwe in Oftersheim schon seit über 60 Jahren – dank ihres Großvaters – bereichert, Alarmierendes zu verkünden: „Wir mussten die Kosten klein halten, es wird immer schwerer zu planen, wie viele Gäste wir erwarten können. Die Menschen sehen das nicht, doch ein einziges Fahrzeug im Autokarussell kostet 10 000 Euro. Das ist schwer zu bezahlen, weil die Pandemie Rücklagen der Betreiber verbraucht hat.“

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Dies sei nicht das einzige Problem, auch der vielzitierte Personalmangel geht an den Rummelbetreibern nicht spurlos vorüber: „Viele haben sich während Corona einen anderen Job gesucht. Vom Arbeitsamt wird uns nicht geholfen, mittlerweile benötigen wir private Arbeitsvermittler. Die kosten erstens viel Geld, zweitens hat man oft das Gefühl, dass die Arbeiter aus Clanstrukturen kommen und in vielen Fällen noch nicht einmal Deutsch sprechen. Das ist gerade in der Arbeit mit Kindern bei den Fahrgeschäften unschön. Dass die dann meistens surreale Gehaltsforderungen stellen und nach kürzester Zeit wieder aufhören, ist nur die Spitze des Eisbergs.“

Um diesen und weiteren Problemen mit Lösungen zu begegnen, habe man kreative Ideen, für die aber auch Unterstützung fehle: „Wir wollen schon ewig mit den Vereinen in Oftersheim zusammenarbeiten. So wie in vielen anderen Kommunen, zum Beispiel in Eppelheim. Dann könnte man die Kerwe zu einem Straßenfest erweitern, davon würden alle profitieren. Leider sind die Vereine sehr unkooperativ, was wir überhaupt nicht verstehen. Wir wollen da ja kein Konkurrenzgeschäft draus machen, sondern eine Zusammenarbeit. Das werden wir auf jeden Fall weiter versuchen, für die Oftersheimer Menschen und besonders für die Kinder.“

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Abschließend ist es für Roos wichtig, Klartext zu sprechen: „Wir sind sehr mit unserem Beruf verwurzelt und machen das aus Liebe zu der Berufung. Mittlerweile brauchen wir aber alle Familienmitglieder und Freunde, um ein solches Wochenende auf die Beine zu stellen. Die Menschen unterstützen uns, auch wenn es mal gute und mal schlechte Jahre gibt. Unser Ziel ist es, die Einheimischen glücklich zu machen. Wäre uns das nicht so wichtig, hätten wir das alles hier sicherlich schon aufgegeben. Nun ist es an der Zeit, dass die Menschen auch erfahren, was hinter den Kulissen passiert, damit wir die Unterstützung erhalten, die es dringend braucht, um die Kerwe in Oftersheim nicht nur am Leben zu halten, sondern immer attraktiver zu machen.“ Ein ehrgeiziges Ziel, das laut der positiven Resonanz zumindest in diesem Herbst erreicht werden konnte.

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