Oftersheim. „40 Jahre sind nun auch die Kerweborscht unterwegs.“ Diesen Satz wird Hermann Dolezal voraussichtlich an diesem Samstag in seiner Rede zur Eröffnung der Oftersheimer Kerwe sagen. Mehr wird freilich im Vorfeld nicht verraten, aber das Zitierte ist weniger das Verderben einer Überraschung als das Hochhalten eines Fakts.
Denn - und auch darauf will der langjährige Sprecher der Kerweborscht eingehen - viele Gemeinden haben niemanden mehr, der dieses Brauchtum pflegt. Neben der Eröffnung, an der sich erstmals der Musikverein beteiligt, gehört zur Tradition maßgeblich die „Tour der Leiden“. Diese besteht aus Besuchen in den örtlichen Wirtschaften, in denen Kerwesträuße verteilt werden, gepaart mit Wünschen von Gesundheit und Geschäftsgelingen für das kommende Jahr. Die Sträuße stammen wie üblich vom Arbeitskreis Volkskunde und Brauchtum des Heimat- und Kulturvereins.
Kaum noch Gaststätten in Oftersheim
„Früher waren es 30 Gaststätten, durch die wir übers Kerwewochenende getourt sind“, blickt Dolezal im Gespräch mit dieser Zeitung zurück. Beim Nachdenken darüber, was dieses Jahr ansteht, kommt er auf knapp zehn - „nicht mehr viel“, wie er sagt. Doch die Freude am Erhalt der Tradition lassen sich die Kerweborscht dadurch sicher nicht nehmen.
Neben den Gaststätten stehen wie üblich weitere Besuche an - im Heim des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), beim Ältestenkreis und im „Café Vergissmeinnicht“. Denn bei den Kerweborscht geht es um mehr als Feiern - es geht auch darum, anderen eine Freude zu machen. Das ist freilich ein schöner Kontrast zu dem, was unvermeidbar am Ende der Kerwe kommt: deren Beerdigung. Die ist für Dienstag, 17. Oktober, anberaumt und erfolgt um 19 Uhr in der Mannheimer Straße 59.
In 40 Jahren Geschichte gibt es natürlich noch mehr Ungewöhnliches und Berichtenswertes, auch wenn es gefühlt nicht Hermann Dolezals Art ist, zu sehr in der Vergangenheit und den dazugehörigen Anekdoten zu kramen. Dennoch spricht er nicht ohne Stolz von Auftritten der Kerweborscht im Ausland - beispielsweise in Wien - und in ganz Baden-Württemberg. Und da ist es dem langjährigen Sprecher auch sehr wichtig zu betonen, dass die Gruppe dafür engagiert wurde.
Es habe sich nicht um Aktionen mit anderen Vereinen oder Gruppierungen gehandelt. „Wir wurden engagiert“, betont er - zu solch unterschiedlichen Anlässen wie Zahnärztekongressen oder Veranstaltungen der Handelskammer. Auch der Landrat habe schon angeklopft, fügt Dolezal hinzu.
Solche größeren Aktionen, das gibt der Kerweborscht unumwunden zu, liegen aber in der Vergangenheit. „Das ist so weit erledigt“, sagt er. Nach 33 Jahren als Mitglied, 32 davon als Vorstand und Sprecher, sei es an der Zeit für ihn, kürzer zu treten. „Ich will die erste Reihe verlassen“, sagt Hermann Dolezal. „Im Hintergrund werde ich weiter unterstützen und gegebenenfalls mal als Kerwepfarrer einspringen, wenn ich gebraucht werde.“
Dass es ihm fehlen wird, gesteht er gerne ein. „Aber ich bleibe natürlich bei den Jungs“, versichert er. Dennoch bleibt es nach vier Jahrzehnten nicht aus, auf die zurückzublicken, die den übrigen Kerweborscht nicht mehr erhalten bleiben.
So erinnert Dolezal in einem Schriftstück an folgende treue Weggefährten, deren Erwähnung unabdingbar ist: „Unvergessen Klaus Mischkewitz, musikalisch ein Unikum, Klaus Steidl, Armin Wolf, Manfred Müller und die ältesten der Truppe Roger Hillengaß - 25 Jahre dabei - und Helmut Spieß mit 37 Jahren, früher mit dem Pferdegespann und Fritz Mergenthaler mit den Borscht unterwegs. Und natürlich unser erst vor Kurzem ausgeschiedener, ständig die ,Deifelsgeig‘ schlagender und unterstützender Manfred Rösch.“ Des Weiteren erinnert Dolezal an nicht wegzudenkende Wegbegleiter wie Fritz Rüttinger, Manfred Nickler sowie Egon und Renate Hauser.
Es zeigt sich: Auch in einer oberflächlich kleinen Gruppe kommen über die Jahre zahlreiche Kontakte zustande, Menschen kommen und gehen, mancherorts verlässt einen auch das Brauchtum. Was aber augenscheinlich doch erhalten bleibt, zumindest in Oftersheim nach aktuellem Stand, ist die Kerwe. Logisch!
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