Oftersheim. „Ich bin vermutlich der Erste, der mit einem Brecheisen in die evangelische Kirche geht.“ Dass Markus „Patch“ Müller mit diesem Satz recht hat, wäre natürlich insbesondere für die Gemeinde wünschenswert. Zumindest aber hegt er keine diabolischen Absichten, sondern hat mit dem rabiaten Werkzeug ausschließlich hehre Ziele.
Bis zum vergangenen Sonntag hat Müller gemeinsam mit seiner Frau unter dem Titel „Hommage – Schätze aus der Garage“ im Oftersheimer Gewölberaum ausgestellt, vor allem alte Fahrzeuge mit denen die beiden besondere Geschichten erzählen wollten. Bei dieser Gelegenheit haben sie in einer mit Holzdeckel fest verschlossenen alten Milchkanne auch um Spenden gebeten – allerdings nicht für sich selbst, sondern für das „Café Vergissmeinnicht“.
Brecheisen kommt zum Einsatz
Jetzt, zum Ende der Ausstellungszeit, übergibt Müller den Betrag – den er zunächst selbst nicht kennt – an Doris Zimmermann und ihr Team. Und hier kommt schließlich auch das Brecheisen zum Einsatz. „Meine Frau hat den Deckel so fest auf die Kanne geschlagen, anders bekomme ich den da nicht raus“, kommentiert Müller mit einer Spur Humor, aber letztlich doch wahrheitsgetreu. Und so ergibt sich die eigentümliche Szene, wie er vor den Toren der Christuskirche auf der Treppe den Deckel aus der Kanne stemmt.
Was dann folgt, ist herzerwärmend. Petra Müller und Doris Zimmermann halten ein Behältnis bereit, in das sich der Inhalt der Milchkanne ergießt – und Zimmermann bekommt große Augen, ihr fehlen die Worte. „Ist das viel Geld“, ist das Einzige, was sie auf Anhieb zustande bekommt.
Eine kurze Zählung in den Innenräumen der Kirche, wo zur selben Zeit die Besucherinnen des „Café Vergissmeinnicht“ bei Kaffee und Kuchen sitzen, ergibt einen Betrag von 431,50 Euro an Spenden. „Manche haben da ja wirklich 50-Euro-Scheine reingeworfen“, sagt Doris Zimmermann, immer noch ein bisschen fassungslos. „Ich wusste ja gar nicht, was ich erwarten soll. Ich dachte, wenn 100 Euro dabei herumkommen, ist es viel.“
Was genau mit dem Geld geschehen soll, ist noch nicht entschieden. In der Vergangenheit hatte das Team von Spenden zum Beispiel ein wertiges Kegel-Set oder ein Schwungtuch für Gymnastikübungen gekauft – das Ziel ist es, den Besuchern und Besucherinnen ein bisschen Abwechslung und eine schöne Zeit zu bieten, auch natürlich von dem Spendengeld. „Wenn wir dann eine Anschaffung gemacht haben und sie ausprobieren, laden wir Herrn Müller natürlich wieder ein“, verspricht Doris Zimmermann.
Zu Beginn des Kontakts hatte sie sich unter Müllers Ausstellung nicht viel vorstellen können, wie sie zugibt, und war sich auch nicht sicher gewesen, ob der Besuch im Gewölberaum mit der Gruppe des „Café Vergissmeinnicht“ wirklich funktionieren würde. Müller hingegen hatte bereits vor der Vernissage im Gespräch mit dieser Zeitung mehr als überzeugt gewirkt, dass gerade seine Schau perfekt geeignet sei. Geht man nach Doris Zimmermann hat er recht behalten. „Das war alles so gut auf Menschen mit Demenz oder ersten Symptomen davon abgestimmt“, schwärmt sie. Das liegt auch an Müllers Konzept, das sich nicht darauf beschränkt, Stücke bloß auszustellen, sondern – wie er sagt– ein Gesamterlebnis bieten will, mit Melodien, Gerüchen und vielen kleinen Details. Auch er zeigt sich nicht nur mit der Spendensumme, sondern auch mit dem Verlauf seiner Zeit im Gewölberaum mehr als zufrieden. „Bei manchen Menschen, die kamen, war ich anfangs skeptisch, ob etwas für sie dabei ist. Aber auf den zweiten Blick hat sich immer etwas ergeben und bei jedem ist etwas Unterschiedliches hängen geblieben.“
Dialog statt Vortrag
Müller ist es wichtig zu betonen, dass es weniger darum ging, mit einem Vortrag durch seine Ausstellung zu führen. „Stattdessen hat sich immer ein Dialog ergeben.“ Eine Geschichte sei Müller besonders im Gedächtnis geblieben: Ein Mann hat die Ausstellung gemeinsam mit seiner Frau besucht, einen Tag bevor er wegen eines Herzinfarkts wenige Wochen zuvor seine Reha beginnen würde. „Man hat ihm davon gar nichts angesehen. Er hat erzählt, dass er sich überhaupt nicht an den Vorfall erinnern könne. Ein Zeuge hat wohl alles beobachtet, ihn aus dem Auto gerettet und reanimiert und die Fahrzeuge in der Ausstellung zu sehen, hat das wieder aufkommen lassen.“ Allerdings nicht im negativen Sinne: „Er hat mir gesagt, dass er nun mit einem wirklich positiven Gefühl in seine Reha geht“, erinnert sich Müller. Für ihn beweise das vor allem eines: „Man kennt die Geschichte anderer Menschen nie. Sie dann zu hören und sich auszutauschen, ist eine Bereicherung für beide Seiten.“
Nach diesen guten Erfahrungen möchte Müller gerne erneut in Oftersheim ausstellen, am besten schon im kommenden Jahr. In trockenen Tüchern ist da noch nichts, aber Pläne hat Markus Müller genug. Zwar will er von denen noch nicht zu viel verraten, aber immerhin das Motto seiner nächsten Ausstellung, die er laut eigener Aussage schon weitestgehend im Kopf konzipiert hat, steht fest: „Kleider machen Leute“.
Auch da möchte er wieder anhand von einzelnen Ausstellungsstücken verschiedene Geschichten erzählen und bei jedem Besucher individuelle Eindrücke erwecken. Und wer weiß – vielleicht gibt’s am Ende auch wieder eine Milchkanne für den guten Zweck aufzubrechen.
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