Tradition

„Tour der Leiden“ der Oftersheimer Kerweborscht

Einfallsreiche und humorvolle Mannsbilder rund um Kerwepfarrer Hermann Dolezal pflegen von Samstag bis einschließlich Dienstag eine schöne Tradition.

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hd/jog
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Gestandene und sangesfreudige Mannsbilder, vernarrt in nur eine Frau, die Kerweschlumpel: Helmut Spieß (v. l.), Peter Hertlein, Armin Wolf, Roger Hillengass, Manfred Müller und Hermann Dolezal. © Gemeinde

Oftersheim. In der Kurpfalz und den umliegenden Gemeinden erfreut sich der „Kerweschlumpel“-Brauch – noch – einer ungebrochenen Beliebtheit. Meist wird die Kerwe (Kirchweih) durch den feierlichen Einzug der Kerweschlumpel, einer wunderschönen Strohpuppe in Frauenkleidern, eröffnet. So auch am Samstag, 15. Oktober, um 15 Uhr auf dem Schulhof der Friedrich-Ebert-Grundschule in Oftersheim. Kerweeröffnung, Fassbieranstich durch Bürgermeister Jens Geiß, möglicherweise unter tatkräftiger Mithilfe von Nachfolger Pascal Seidel, der erste Auftritt der Kerweborscht (Burschen) – das alles ist große Tradition und zugleich ein Sinngefüge für eine funktionierende Dorfgemeinschaft.

Gehütet wie ein Staatsgeheimnis

Der Name der jeweiligen Kerweschlumpel, hofiert durch die Kerweborscht, lustige und einfallsreiche Mannsbilder, wird im Vorfeld gehütet wie ein Staatsgeheimnis.

Doch zum Kerwestart wird es von Kerwepfarrer Hermann Dolezal gelüftet. Die Schlumpel mag jedes Jahr und jedes Mal anders heißen, gewiss ist: Ihr Name ist lustig und originell! „Den weiß momentan nur ich“, sagt Dolezal im Vorfeld und lächelt dabei. Und nebenbei lassen sich die Kerweborscht selbstverständlich nicht lumpen und sie werden in der Besetzung mit Roger Hillengass (Akkordeon), Armin Wolf und Peter Hertlein (die ihre Stimmbänder nicht schonen), Manfred Müller und Helmut Spieß (Brummbässe) sowie Kerwepfarrer Hermann Dolezal, zudem seit nunmehr 31 Jahren Sprecher der Oftersheimer Kerweborscht, so manch vergnügliches Liedgut schmettern.

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Fleißig geübt

Mit dabei werden wieder der Heimat- und Kulturkreis mit seinem „Manna“ und die Böhmerwälder mit ihren Tänzen sein. Die aktuellen Kerweborscht haben schon lange und wie in jedem Jahr fleißig geübt – und selbstverständlich freuen sie sich über zahlreiche Gäste, die ihren Botschaften lauschen.

Denn die Pandemie-Zwangspause dauerte lange genug. „Wir wollen dieser Pause Rechnung tragen und als gestandene Mannsbilder dem Publikum mit Liedern aus dem großen Repertoire eine Abwechslung bieten. Kleine Anekdoten und Rückblicke an die Kerwe vergangener Zeit sollen ablenken von den aktuellen Problemen, mit den wir alle zu kämpfen haben“, sagt Hermann Dolezal.

Ergo: Ein unbeschwerter Nachmittag soll’s werden – bei anschließendem Freibier und, weil die Kerweborscht auch Gentlemen sind, mit roten Rosen. Dass da das eine und andere Bierchen zu Ehren der Kerweschlumpel getrunken wird, versteht sich von selbst.

Schicksalshaft verbunden: Kerwepfarrer Hermann Dolezal und die Kerweschlumpel, Marke Corona. © Dolezal

Wenngleich für die strapazierten Kerweborscht im Anschluss nach der Eröffnung die „Tour der Leiden “ beginnt. Für die „ältestete Ofdascha Boygroup“, wie sie sich selbst bezeichnen, heißt das, dass sie den Oftersheimer Gaststätten ihre Aufwartung machen und die vom Heimat- und Kulturkreis (Huko) vorher gebundenen Kerwesträuße übergeben.

Am Sonntag geht die Leidenstour gnadenlos weiter – Clubhäuser der feierfreudigen Hardtgemeinde werden besucht sowie das Pflegeheim des ASB. Am Montag beehren sie ferner das Demenzcafé „Vergissmeinnicht“ und den Ältestenkreis im Siegwald-Kehder-Haus.

Tränenreicher Abschied

Am Dienstag wird’s richtig, richtig hart – für die Kerweborscht, aber auch für die Kerweschlumpel. Denn es heißt tränenreich Abschied nehmen. Mit Fassungslosigkeit und unter großer Anteilnahme einer Trauergemeinschaft wird die Kerweschlumpel am 18. Oktober um 19 Uhr im Gemeindemuseum in der Mannheimer Straße 59 beerdigt. Ein Glöcklein läutet zur feierlichen Beisetzung.

Doch bevor das letzte Stündlein oder Sekündlein für die heiß geliebte Schlumpel geschlagen hat, wird sich Kerwepfarrer Hermann Dolezal sehr kritisch und schonungslos mit den Geschehnissen der Gemeinde des vergangenen Jahres auseinandersetzen. Das könnte durchaus eine Art von politischem „Aschermittwoch“ geben . . .

Gut möglich, dass so manchem Bewohner oder auch einer sich anbietenden Institution die Löffel lang gezogen werden. Symbolisch und rhetorisch. Und der „Pfarrer“ lässt dabei nicht nur vergangene Zeiten Revue passieren, sondern erzählt auch davon, was der sensiblen Kerweschlumpel bei ihrem Kerwespaziergang denn so alles aufgefallen sei. Stellvertretend für das – von allen Kerweborscht – verehrten „Zuckerpüppchen“.

Zur Einstimmung

Aufforderung: Die Kerweborscht erwarte Euch, kummt all hinner die Schul! Beisonnigem Kerwewetter, mit Reitschul, Mohreköpp für die Kloane, Rose und Freibier für die Große wolle mir die Ofdascha Kerwe feiere, früher uff da Stroß, lang do driewe vorm Adler, dann uffm Kerweplatz. Man hot sich s‘ganze Johr auf die Kerwe g‘freut, uffs Esse, de Frühschoppe und de Kerwetanz.

Im Kerweborschtlied von Egon Hauser heißt es: Die Kerwewoch isch dozu do, do wird des Haus‘ gebutzt, der Keller und der Stall, die Stroß gekehrt, auf jeden Fall …. un kummt der Freitag an de Tag, do bisch schun halwa hie, denn so ein große Kerwebutz der zwingt dich in die Knie, doch einem echte Ofdascha dem mescht des gar nix aus, der denkt schun an de Kerwetanz und geht am Samstag aus!

Und ganz, ganz zum Schluss geht es dann noch nach einer mehrtägigen Meisterleistung und pilgerhaften regionalen Reise der Kerweborscht mit einer hoffentlich ganz großen Trauergesellschaft ins Gasthaus „Rhodos“ (ehemals „Birkeneck“) in die Saarstraße 23. Zum Leichenschmaus. Kali Orexi und Jamas.

Info: Kerweeröffnung mit den Kerweborscht, Samstag, 15. Oktober, um 15 Uhr auf dem Schulhof der Friedrich-Ebert Schule; bei schlechtem Wetter wird alles ins Gemeindemuseum, Mannheimer Straße 59, verlegt.

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