Ortsgeschichte

Vor 70 Jahren kamen Heimatvertriebene in die Oftersheimer Hardtwaldsiedlung

Vor genau 70 Jahren - am 6. August 1952 - kamen 40 Umsiedlerfamilien an und fanden in der Hardtwaldsiedlung eine neue Heimat. Elisabeth Weber erinnert sich daran.

Von 
Lukas Heylmann
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Oftersheim. 70 Jahre sind eine lange Zeit. Vor sieben Jahrzehnten gab es die Bundesrepublik seit drei Jahren, der Zweite Weltkrieg war erst seit sieben Jahren vorbei. Deutschland war zwei Jahre vom historischen Fußballweltmeisterschaftstitel entfernt. Und Elisabeth Weber – damals noch Elisabeth Ruhnau – war zehn. Am 6. August 1952, also vor genau 70 Jahren, kam sie mit ihren Eltern und Geschwistern sowie 39 weiteren Familien in die Kurpfalz, die ihre neue Heimat werden sollte.

Bei den Familien handelte es sich um Vertriebene, die an diesem 6. August, einem Mittwoch, mit einem langen Zug und ihrem ganzen Hab und Gut in Oftersheim ankamen. Grund dafür war die gerade entstehende Hardtwaldsiedlung. Die dortigen Hausbesitzer erhielten günstige Kredite für den Bau und nahmen im Gegenzug die Heimatvertriebenen auf.

„Ich könnte mich nicht erinnern, dass wir Kinder gefragt worden sind, ob wir umsiedeln wollen. Heute wäre das sicher anders“, blickt Elisabeth Weber zurück auf ein einschneidendes Erlebnis. „Die Zugfahrt war schlimm, das weiß ich noch. Der Zug war unglaublich lang, wir hatten ja auch Möbel dabei – ebenso viel oder wenig, wie wir hatten. Ich erinnere mich auch daran, meine jüngere Schwester im Kinderwagen durch den Sand geschoben zu haben, es gab ja keine befestigten Straßen hier und das war ein weiter Weg.“

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Die gemeinsam umsiedelnden Familien hatten sich zudem auch nicht wirklich gekannt. „Im Zugabteil haben wir uns ein bisschen angenähert“, sagt die heute 80-Jährige.

Das Problem Dialekt

Nach der Ankunft gab es einen Empfang durch den damaligen Bürgermeister Adolf Kircher im „Goldenen Hirsch“. „Und wir haben kein Wort verstanden, wir hatten den Dialekt ja noch nie gehört. Wir dachten, wir müssten jetzt noch eine neue Sprache lernen“, amüsiert sich Weber.

In der Schule habe ihr das anfangs durchaus auch Probleme verursacht. „Mein Vater bestand darauf, dass wir zu Hause keinen Dialekt sprechen. Er meinte, es sei ihm egal, was wir draußen machen, aber daheim gab’s nur Hochdeutsch.“ Insbesondere für Webers jüngste Schwester, die erst nach der Umsiedlung in Heidelberg zur Welt kam, sei das in jungen Alter gar nicht so einfach gewesen. „Mit dem Dialekt habe ich heute noch manchmal Probleme“, sagt Weber und grinst.

Die Familie kam aus Schleswig-Holstein nach Oftersheim. Dort war sie 1945 gelandet. Der Vater hatte zwar Arbeit, doch für Kinder hätte es nichts gegeben, was letztlich der Grund für die Umsiedlung gewesen sei.

Die Familie Ruhnau fand 1952 im ersten Stock eines Hauses in der Blumenstraße Obhut. Der Vater fand schnell Arbeit, nach einigen Stationen bei Rhein Chemie. 1955 kam die Chance, ein Grundstück in der Königsberger Straße zu erhalten und selbst zu bauen. „Das war auch eine Erleichterung für die Familie, bei der wir lebten und deren Tochter zu der Zeit schwanger war“, berichtet Weber. Trotz einiger Hindernisse schaffte die Familie es, ein Haus zu bauen – und in dem lebt Weber bis heute mit ihrem Mann.

„Damals hieß es aber immer sparen“, sagt die Rentnerin. „Kaum hatten wir endlich mehr Platz im eigenen Haus, mussten wir das obere Stockwerk vermieten.“ Und so lebten plötzlich wieder neun Menschen im selben Haus.

Trotz der Startschwierigkeiten mit der kurpfälzischen Mundart erinnert sich Elisabeth Weber, schnell Anschluss gefunden zu haben. „Ich hatte da gar nicht so die Schwierigkeiten“, meint sie heute. Zudem ist sie mit anderen Mädchen aus Vertriebenenfamilien in eine Klasse gegangen, das habe es leichter gemacht. „Damals haben sie uns Flüchtlinge genannt, aber uns war immer wichtig, dass wir das nicht waren.“

Hilfe für die Nachbarn

Nicht nur in der Schule, auch in der Hardtwaldsiedlung selbst, kam die Familie schnell an. „Meine Mutter hat in der Nachbarschaft Strom abgelesen und kassiert, um Geld zu verdienen“, blickt Weber zurück. „Da war ich oft dabei und deshalb kannte man sich natürlich.“ Auch der Vater stand mit vielen Nachbarn in Kontakt, half beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen. „Später war er auch Vorstand des Siedlerbundes“, fügt Elisabeth Weber hinzu.

Zu einigen Frauen, die damals als Kinder mit ihren Familien umsiedelten, hat Elisabeth Weber heute noch Kontakt, zu anderen nicht mehr. „Je älter man wird, desto schneller vergeht auch die Zeit“, findet sie. Und so sind 70 Jahre eben eine lange Zeit oder vielleicht auch doch nicht – je nachdem, von wo aus man sie betrachtet.

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