Konflikt

Warum der Circus Salto Mortale in Oftersheim nicht auftritt

Die Schausteller sollen den Platz bis Mittwoch räumen. Die Verwaltung vermutet die Vorspiegelung falscher Tatsachen. Was dem Zirkus vorgeworfen wird und was die Familie dem entgegnet.

Von 
Noah Eschwey
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Ein Teil der Zirkusfamilie empfängt diese Zeitung: Francesco und Hannelore Bügler (v. l.), Jasmin Frank und Veronika Bügler lassen ihrem Unmut freien Lauf. © Noah Eschwey

Oftersheim. Die Kritik am Konzept „Zirkus“ ist seit vielen Jahren in aller Munde. Allerdings bezieht sich diese in den meisten deutschen Regionen auf die vermeintlich nicht artgerechte Tierhaltung. Im Gegensatz dazu stört sich die Gemeinde Oftersheim an ganz anderer Stelle an einer Schaustellerfamilie, die momentan zu Gast ist. Der Circus Salto Mortale hatte eigentlich geplant, ab Donnerstag, 16. Mai, auf der Wiese gegenüber des Rettungszentrums in der Eichendorffstraße aufzutreten.

Nun macht die Verwaltung der wandernden Familie einen Strich durch die Rechnung. Sie habe einen Tag Zeit, um Zelte, Tiere und Wohnwagen wieder einzupacken, heißt es in einer Pressemitteilung von Dienstagmorgen. Zwei Tage vor der offiziellen Showeröffnung soll der Wanderzirkus, der unter anderem mehrere Kamele, Pferde, Esel, Rinder und Ziegen dabei hat, weiterreisen – ohne eine Perspektive, wo er aufgenommen wird.

Der Zirkus steht teilweise auf dem Eigentum der Gemeinde Oftersheim

In der Pressemitteilung heißt es zunächst, die Familie habe keine Genehmigung für das gemeindeeigene Grundstück eingeholt, ausschließlich für die Teile der Wiese, die Privateigentümern gehörten. „Uns wurde nie mitgeteilt, dass ein Teil der Wiese der Gemeinde gehört. Wir haben, wie wir das immer machen, die Grundstückseigentümer angefragt und uns das genehmigen lassen. Dass die Gemeinde da mitsprechen darf, sagte uns niemand“, betont Jasmin Frank von der Zirkusfamilie zum Vorwurf.

Die noch fehlende Inneneinrichtung des Zeltes der Familie Bügler kann erst mal nicht aufgebaut werden. © Eschwey

Auf Nachfrage erklärt Bürgermeister Pascal Seidel, dass ihm einer der Privateigentümer versichert habe, die Familie auf die fehlende Genehmigung der Gemeinde hingewiesen zu haben. „Davon weiß ich nichts. Hätten wir das gewusst, hätten wir auch die Gemeinde angefragt“, entgegnet Jasmin Frank.

Doch wieso erteilt die Gemeinde die fehlende Genehmigung nicht nachträglich? In der Pressemitteilung von Dienstag steht unter anderem, es handele sich bei dem Areal um eine Ausgleichsfläche für geschützte Tiere. „Da geht es um den Eidechsenzaun“, vermutet Frank, die hinzufügt, dass diese angesprochene Fläche, die es dort in der Tat gibt, vom Zirkus nicht genutzt würde. Weiter gibt die Verwaltung in besagter Pressemitteilung bekannt, dass die gemeindeeigene Polizeiverordnung den Standort nicht zulasse – wegen fehlender sanitärer Einrichtung.

Weder Toiletten noch Parkplätze bei Zirkus in Oftersheim

„Vergangene Woche waren wir in Dossenheim, davor in Steinsfurt. Nirgends gibt es solche Einschränkungen“, wirft die Artistin ein. Gegenüber dieser Zeitung erwidert Pascal Seidel, dass die Gemeinde sich über vergleichbare Anfragen eigentlich grundsätzlich freue. Das besagte Grundstück sei allerdings aus mehreren Gründen ungeeignet. „Die Sanitärversorgung ist nicht gegeben und die Eidechsen sind direkt daneben. Außerdem gibt es keine öffentliche Parkmöglichkeit. Wir können nicht einfach erlauben, dass die Menschen, die den Zirkus besuchen möchten, auf dem Einkaufsparkplatz bei Edeka Embach parken. Wenn sie aber an der Straße parken, blockieren sie unter Umständen Feuerwehr und Rettungskräfte, die ja direkt gegenüber sind“, erklärt Seidel. Zusätzlich versichert er, dass ein Ausweichplatz gesucht worden wäre – hätte die Zirkusfamilie sich die Veranstaltungen vonseiten der Verwaltung genehmigen lassen.

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Aber warum reagiert die Gemeinde erst jetzt, wo doch schon die Zelte stehen und die Tiere grasen? „Wir haben am Montag der vergangenen Woche angefangen, in der Gemeinde zu werben, einen Tag später hingen auf jeden Fall schon die ersten Plakate. Außerdem haben wir uns ja die Plakate auch genehmigen lassen. Die Gemeinde wusste also in jedem Fall schon früher, dass wir kommen“, echauffiert sich Jasmin Frank gegenüber dieser Zeitung.

Angebliche Plakate ohne Genehmigung

Auch an dieser Stelle widerspricht der Bürgermeister entschieden. „Die zuständige Mitarbeiterin hat mir mehrfach und glaubhaft versichert, dass der Zirkus für ein Gastspiel im Nachbarort Ketsch plakatieren wollte. Natürlich haben wir das genehmigt. Wir müssen mittlerweile davon ausgehen, dass die Verantwortlichen uns vermeintlich bewusst getäuscht haben.“

Die ersten Plakate seien der Gemeinde am Freitag aufgefallen, wegen des Feiertages könnten sie aber auch schon am Donnerstag aufgehängt worden sein. „Also ist direkt nach dem Wochenende, am Montag, das Ordnungsamt hingefahren – mit einem Schreiben von mir, das wurde aber abgelehnt, so Seidel.“

Wir müssen mittlerweile davon ausgehen, dass die Verantwortlichen uns vermeintlich bewusst getäuscht haben.
Pascal Seidel Oftersheimer Bürgermeister

Der Inhalt des Schreibens und die deutliche Aufforderung, den Aufbau nicht fortzuführen, sei den Personen trotzdem bekannt gewesen. Es seien mittlerweile auch Beschwerden von Privatpersonen bei der Gemeinde eingegangen, an deren Grundstücken ohne Genehmigung plakatiert worden sei, sagt Seidel.

Was ist im Oftersheimer Rathaus passiert?

„Natürlich haben wir das Gespräch mit der Gemeinde gesucht. Wir hätten sogar 100 Freikarten für Bedürftige angeboten oder eine Nachzahlung. Leider wurde mein Mann am Dienstagmorgen aber vom Bürgermeister aus dem Rathaus geworfen“, sagt Jasmin Frank. Pascal Seidel nahm die Situation allerdings anders wahr: „Ich habe ihn nicht herausgeworfen. Den Herrn traf ich auf dem Gang und habe gesagt, dass ich ihm keine Audienz gewähre, weil alle Fakten auf dem Tisch liegen.“

Die meisten Bürger, denen die Fakten bisher nicht vorlagen, begegnen der Pressemitteilung mit Unverständnis, auch wenn sich in der Oftersheimer Facebook-Gruppe einige Bürger wegen der fehlenden Genehmigung auf die Seite der Gemeinde schlagen. „Wenn die Familie ordnungsrechtliche Fehler gemacht hat, ist das die eine Sache. Die Menschen und die Tiere aber auf die Straße zu setzen, ist unsozial“, findet Gottfried Schmidt.

Schade für Tiere und Kinder, sagen die Oftersheimer

Ahu Marinos Meinung: „Das muss wohl die typische deutsche Bürokratie sein. Sehr schade für die Kinder in Oftersheim.“ Auch Julia Schleich möchte sich zur Thematik äußern: „Die Plakate hängen ja schon seit ein paar Tagen. Da hätte die Gemeinde bestimmt früher tätig werden können. Dass Tiere beim Zirkus ein schwieriges Thema sind, wissen wir alle. Wenn die jetzt aber entspannt auf der Wiese sind, finde ich es unverschämt, sie wieder in die Container und auf die Straße zu verbannen.“ Doch genau das fordert die Gemeinde weiterhin: Der Zirkus soll das Gelände bis diesen Mittwoch, 15. Mai, verlassen.

Bild: Eschwey © Noah Eschwey

„Wer denkt da an die Tiere oder die Kinder? Wir haben erst ab dem 27. Mai einen neuen Platz. Sollen die jetzt im Container versauern?“ Eine rhetorische Frage von Jasmin Frank, die am Dienstagnachmittag gegenüber dieser Zeitung ankündigt, mangels Alternativplätze die Wiese am Mittwoch nicht wie von der Gemeinde Oftersheim gewünscht, tatsächlich zu räumen.

Vertreter von Zirkus auch in Gemeinderat in Oftersheim

In der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend war ein Vertreter des Zirkus vor Ort, bekam allerdings von Seidel nicht das Wort erteilt, da er kein Bürger der Gemeinde ist, worüber sich der Mann auch beschwerte. Auf Anfrage einer Oftersheimerin hin erläuterte Seidel erneut, was er auch dieser Zeitung hinsichtlich der fehlenden Anfrage seitens der Schausteller mitgeteilt hatte.

Er versprach aber – auch wegen der Nachfrage der Bürgerin bezüglich der Tiere – dass die Gemeinde keinesfalls am Mittwoch den Platz mit Hilfe der Polizei räumen wolle. Im weiteren Verlauf der Sitzung wies er auch darauf hin, dass ihm zugesichert sei, dass die Tiere aktuell auf dem Platz nicht unterversorgt seien, wonach sich Gemeinderätin Carmen Kurz-Ketterer (FDP) erkundigt hatte.

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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