Plankstadt. Warme Luft strömt durch das offene Autofenster, aus den Lautsprecherboxen dröhnt laute Musik. Nila (Name von der Redaktion geändert) zieht ihr Kopftuch aus und fühlt jetzt nur noch eins: Freiheit. Endlich hat das lange Warten, haben all die Sorgen und Ängste ein Ende. Endlich ist sie in Deutschland angekommen und mit ihrem Ehemann Assem vereint. Endlich kann sie das Kopftuch ausziehen, das im Iran für alle Frauen Pflicht ist, und in Frieden leben.
Assem (Name von der Redaktion geändert) kam 2013 aus Afghanistan nach Deutschland. Vor einigen Monaten war er schon einmal zum Gespräch in unserer Redaktion. Er wohnt in Plankstadt, hat erfolgreich eine Ausbildung zum Schreiner abgeschlossen sowie Fortbildungen im Bereich Elektro- und Sanitärarbeiten gemacht. Bei einem Besuch im Iran 2015 hat er dann sie kennengelernt: Nila. Gemeinsam mit ihrer Familie ist sie aus Afghanistan in den Iran geflohen, wo sie seitdem lebte.
Während Assem wieder zurück in Deutschland war, hatten die beiden über das Smartphone Kontakt, telefonierten und schrieben sich Nachrichten. Für sie war klar: Sie wollen den Rest ihres Leben miteinander verbringen. So gaben sie sich am 27. Dezember 2017 im Iran das Jawort – und Nila sollte so schnell wie möglich auch nach Deutschland kommen, damit das Paar zusammen sein kann. Doch obwohl Assem einen festen Job, ein geregeltes Einkommen sowie eine Wohnung hat und obendrein sehr gut deutsch spricht, sollte es noch fünf Jahre dauern, bis das Ehepaar endlich vereint sein würde.
„Die Bürokratie hat uns sehr zu schaffen gemacht“, erzählt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Reisepass beantragen, Heiratspapiere einreichen und immer wieder bei verschiedenen Ämtern anrufen – so sah der Alltag von Assem aus. Probleme gab es dann noch wegen seiner Religion. Er hatte seinen muslimischen Glauben verloren – zu viele schreckliche Dinge seien im Namen der Religion passiert, zu viele Menschen unterdrückt worden. Schließlich fand er zum Christentum, konvertierte und ließ sich taufen. In seiner Tazkira, dem afghanischen Ausweisdokument, ist das aber nicht vermerkt. Automatisch werde dort nämlich der Islam als Religion eingetragen. Das Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat deshalb Assems Glauben angezweifelt. Darüber hatte unsere Zeitung bereits berichtet.
Das war ein Schlag ins Gesicht für ihn, denn wegen der Konvertierung ist er von anderen Gläubigen häufig angegangen worden, hat sogar Drohungen bekommen. Aus Verzweiflung und um sich von der Misere abzulenken, stürzte er sich in seine Arbeit, machte unbezahlte Überstunden. „Wir haben dem BAMF einen langen Brief zurückgeschrieben und schließlich wurde das Verfahren eingestellt“, berichtet Assem. Und dann ging es Schlag auf Schlag – er bekam eine Niederlassungserklärung und seine Frau wurde im Iran in die Botschaft gebeten. Mit einem A1-Deutschkurs und einer bestandenen mündlichen Nachprüfung in der Tasche hat Nila das lang ersehnte Visum bekommen. „Ich konnte es gar nicht glauben“, sagt sie gerührt. „Es war wie im Traum“, bestätigt ihr Ehemann.
Schnell Deutsch lernen
Der Moment, als das Flugzeug landet und Nila ins Auto steigt, wird ihr für immer in Erinnerung bleiben. Das Paar drehte die Musik laut, öffnete die Fenster und war einfach nur glücklich. In ihrer kleinen Wohnung in Plankstadt fühlen Assem und Nila sich wohl, auch wenn nach Möglichkeit bald ein Umzug in ein größeres Heim geplant ist. Afghanischer Tee steht auf dem Tisch, Kekse liegen bereit. Die Einrichtung ist hell und freundlich, ein dickes Wörterbuch liegt auf der Ablage. „Ich möchte so schnell wie möglich richtig gut Deutsch lernen“, meint Nila.
Dann möchte sie arbeiten – vielleicht in der IT-Branche oder als Buchhalterin. Die Mathematik liege ihr, sie sei gut mit Zahlen. „Meine Zukunft leuchtet jetzt hell“, betont sie. „Ansonsten wollen wir einfach ganz normal in Frieden leben“, fügt Assem hinzu. Er spricht von Spaziergängen in der Natur und Ausflügen zum Neckar. Dieses Wochenende wolle er sich mit seiner Frau die Kirschblüten im Schlossgarten ansehen.
Nila zeigt auf ihrem Handy gemeinsame Bilder. Auf den Fotos lachen die beiden glücklich in die Kamera, fühlen sich leicht. Mit ihrer Geschichte wollen sie anderen Mut machen und zeigen, dass es sich lohnt, nie aufzugeben.
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