Im Gespräch - Shafiqullah Sayaad fürchtet um seine Eltern und Geschwister in Afghanistan / Schwetzingerin unterstützt ihn

Shafiqullah Sayaad fürchtet um seine Familie in Afghanistan

Von 
Lukas Heylmann
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Shafiqullah Sayaad ist mit Raquel Rempp in die Redaktion gekommen, die Schwetzingerin unterstützt Flüchtlinge vielseitig. Lukas Heylmann (l.) spricht mit beiden. © Ströbel

Shafiqullah Sayaad hat Angst. Obwohl er sehr überlegt und gefasst spricht, merkt man an dem, was er sagt, wie besorgt er um seine Familie ist. Zwei seiner Schwestern und seine Eltern leben in Afghanistan und so auch sein Bruder Asadullah. Und dieser schwebt in besonderer Gefahr, da er vor Ort für die deutsche Polizei gearbeitet hat. „Aber er hatte keinen direkten Vertrag mit beispielsweise der Bundeswehr, sondern nur mit einem Subunternehmen“, erklärt Shafiqullah im Gespräch mit der Redaktion, an die sich der junge Afghane gewandt hat. In der Vorwoche haben wir den Geschehnissen in Afghanistan mit der Geschichte von Zia Akbari bereits ein regionales Gesicht verliehen.

Um die Dramatik bei Shafiqullah Sayaad Bruder Asadullah deutlicher zu machen: Ein solcher Vertrag als Subunternehmer reicht unter Umständen nicht, um evakuiert zu werden, gleichzeitig ist es Grund genug, wegen der Taliban täglich um das eigene Leben zu bangen.

Auch Shafiqullah hat für die Bundeswehr gearbeitet, doch dann kam er 2014 als Kontingentflüchtling nach Deutschland. Er hat eine Frau, eine Wohnung in Schwetzingen und drei Kinder. Sein Deutsch ist ausgezeichnet, er arbeitet im IT-Bereich. Seine Affinität für Technik hat er auch eingesetzt bei den Versuchen, seinem Bruder zu helfen. „Asadullah hat seine Ausweisdokumente und seine Belege dafür, dass er mit den Deutschen gearbeitet hat, eingescannt und mir zugeschickt“, erklärt Shafiqullah. „Ich habe sie dann gespeichert. Wenn er also durch die Taliban in noch größere Gefahr gerät, kann er die Originale vernichten und man kann trotzdem noch beweisen, wer er ist.“ Seine Eltern werden bereits von den Taliban bedrängt und müssen für sie Essen zubereiten, teilweise für fast hundert Menschen – Essen, von dem sie natürlich selbst nicht viel haben. „Würden sie es nicht tun, würde man sie verletzen“, erklärt Shafiqullah.

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Viele Afghanen sind inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem sie zu Verzweiflungstaten neigen, wie Raquel Rempp berichtet: „Leute verbrennen ihre Papiere, ihre Verträge, alles – aus Angst vor der Taliban.“ Die frühere Stadträtin kennt Shafiqullah schon seit der Zeit als er noch im Flüchtlingscamp im Friedrichsfelder Wald lebte. Alle Wohnungen, die er seitdem hatte, hat sie ihm vermittelt, auch sonst stehen sie regelmäßig in Kontakt. Nun setzt Rempp in Bewegung, was sie kann, um Shafiqullahs Bruder zu helfen.

„Ich habe an Ministerpräsident Kretschmann geschrieben und von dem Fall berichtet. Ich habe so Antwort von einer Mitarbeiterin des Staatsministeriums erhalten und wurde an das Auswärtige Amt verwiesen. Auch dort habe ich Asadullahs Unterlagen hingeschickt. Aber das Problem ist, dass nun fürs Erste nur Deutsche und ihre direkten Angehörigen evakuiert werden. Dazu auch Menschen, die besonders gefährdet sind, aber das sind natürlich momentan sehr viele. Deswegen hieß es am Krisentelefon des Auswärtigen Amtes nur, dass man nichts versprechen könne“, fasst Rempp zusammen.

Für Menschen, die nun Angst vor einer Flüchtlingswelle haben, hat sie allerdings nur wenig Verständnis. „Wie sollen die Leute denn überhaupt hierherkommen? In den Ländern um Afghanistan wird auf sie geschossen. Und selbst zum Flughafen kommen die wenigsten“, erklärt sie. Shafiqullah stimmt ihr zu: „Die Taliban haben Checkpoints überall auf den Wegen zum Flughafen, da ist kaum ein Durchkommen.“ Zudem habe Rempp am Montag aus Kabul erfahren, dass der Flughafen für 48 Stunden geschlossen sein soll.

Rempp ist sehr eindeutig in ihrem Appell an die Politik: „Ich wünsche mir, dass die Politiker nicht nur so tun als ob. Sie sollten parteiübergreifend mit gesundem Menschenverstand handeln und damit ihren Bürgern beweisen, dass sie das überhaupt können. Diskussionsrunden verschwenden jetzt Zeit, die die Menschen nicht haben. Hier geht es um Leben und Tod“, betont sie. „Der Flughafen muss gesichert und die Menschen müssen auf dem Weg dorthin geschützt werden.“ Doch die Gefahr lauert nicht nur auf dem Weg zum Flughafen. Auch in ihrem Zuhause sind viele nicht mehr sicher. „Die Taliban sollen Listen von Menschen haben, die westlich orientiert sind“, gibt Shafiqullah zu bedenken. „Und sie drohen ihnen, dass sie sich stellen sollen, weil die Taliban sonst ihre Familien angreifen werden.“

Neben der Angst um seine Familie und sein Land fühlt Shafiqullah vor allem Enttäuschung: „Wir haben damals angefangen für die Bundeswehr zu arbeiten, weil wir an sie geglaubt haben. Es gab die Hoffnung, dass sie uns helfen könnten. Dafür sind wir auch Risiken eingegangen, wir mussten vor unseren Nachbarn verschweigen, dass wir für die Deutschen oder für die Amerikaner arbeiten, aus Angst, dass sie uns hätten verraten können. Und trotzdem haben wir gerne für sie gearbeitet. Aber sie haben uns verkauft.“ Es fällt im direkten Gespräch sehr leicht, ihm dieses Gefühl zu glauben. Es ist genauso real wie die Angst, die er und andere nun um ihre Freunde und Angehörigen haben müssen. Doch die Frage ist, wie viel Verständnis die Menschen hierzulande dafür aufbringen können: „Ich glaube es ist nicht genug Bewusstsein für die dortige Situation vorhanden in Deutschland“, meint Raquel Rempp. „Aber jeder Politiker, der sich jetzt überrascht zeigt von dem, was in Afghanistan passiert, lügt sich selbst an und alle anderen gleich mit. Oder er hat sich nie mit dem Land beschäftigt.“ Eins jedoch steht fest: Rempp wird sich auch weiter für die Belange von Menschen wie Shafiqullah und seinem Bruder einsetzen. Doch die Hoffnung schwindet mit jedem Tag.

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