Gesundheit

E-Rezept-Chaos: Apotheken in Plankstadt und Eppelheim kämpfen mit Technikproblemen

Die Umstellung auf das E-Rezept ist von technischen Problemen geprägt und sorgt bei Apothekern für Ärger – auch Ärzten bereitet es mehr Arbeit als zuvor.

Von 
Nicolai Lehnort
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Die Schubert-Apotheke in Plankstadt zählt zu den von Jürgen Sommer betriebenen Apotheken in unserer Region. Auch hier gibt es Probleme mit dem E-Rezept. © Lehnort

Plankstadt/Eppelheim. „So langsam nervt’s gewaltig!“, lautet die Überschrift der kürzlich vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) veröffentlichten Mitteilung. Und weiter: „Wiederholte Ausfälle der technischen Strukturen zur Abwicklung von E-Rezepten sind für Apotheken zunehmend belastend.“ Arztpraxen und Apotheken haben seit Januar auf das E-Rezept umgestellt, der rosa Papierzettel gehört damit der Vergangenheit an. Reibungslos funktioniert das neue System aber keineswegs, wie auch Apotheker und Ärzte aus Plankstadt und Eppelheim berichten.

„Wir haben noch viele alte, rosa Rezepte“, sagt Vera Schumacher, Mitarbeiterin der Rhein-Neckar-Apotheke in Eppelheim. Es gebe immer wieder Probleme mit der Technik, weshalb E-Rezepte nicht eingelesen und Medikamente nicht ausgehändigt werden könnten. Manchmal sei sie sogar froh, wenn Kunden den altbekannten DIN A6-Zettel zur Hand hätten, sagt die pharmazeutisch-technische Assistentin. Die Technik, darüber könnte Jürgen Sommer sich endlos ärgern. „Jeden Tag klemmt irgendwo irgendwas“, sagt der Inhaber der Plankstadter Schubert-Apotheke merklich entnervt. Sommer ist gleich mehrfach von den Störungen betroffen. Er betreibt insgesamt vier Apotheken in der Region.

Technische Hürden: E-Rezept und die Telematikinfrastruktur

„Die Probleme haben damit zutun, dass so viele Komponenten eine Rolle spielen, die problematisch sind“, sagt Sommer. Zuletzt habe es etwa Störungen bei einem im Kartenlesegerät verbauten Chip gegeben. Apotheken brauchen diesen zur Verifizierung. Funktioniert die Technik dahinter nicht, kann die Apotheke das auf der Gesundheitskarte gespeicherte Rezept nicht auslesen.

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Ein anderes Beispiel ist der seit der Einführung des E-Rezepts benötigte Konnektor. Er verbindet die Apotheke mit der technischen Infrastruktur des deutschen Gesundheitswesens, der sogenannten Telematik, und leitet die Daten unter anderem an die Krankenkassen weiter. Auch dieses Gerät bereite immer wieder Probleme und müsse auf Kosten der Leistungserbringer, in dem Fall der Apotheken, aufwendig und teuer repariert werden, schildert Jürgen Sommer.

Noch nicht auf der Karte: Wenn das E-Rezept den Medikamentenbezug verhindert

Leidtragende der vielfachen Störungen sind neben den Apotheken die Kunden. „Da stehen die Patienten in der Apotheke und brauchen ihr Medikament und die Technik der Gematik verhindert, dass wir die entsprechenden E-Rezepte abrufen können“, bringt LAV–Präsidentin Tatjana Zambo es in der Mitteilung auf den Punkt. Die Gematik trägt als nationale Agentur für digitale Medizin die Verantwortung für die Telematikinfrastruktur.

Die Kunden würden verärgert und verständnislos reagieren, berichtet Apotheken-Inhaber Sommer. Teilweise suchen sie den Weg zu einer anderen Apotheke, in der die Technik funktioniert und das Medikament ausgehändigt werden kann. In der Annahme, ihre Apotheke arbeite unzuverlässig, gehen so Kunden verloren. In Summe sei das Ganze letztlich „geschäftsschädigend“, meint Sommer.

E-Rezept in Plankstadt und Eppelheim: Mehr Aufwand als Zeitersparnis für Ärzte

Voraussetzung für das Abrufen des E-Rezepts in der Apotheke ist, dass der Patient es überhaupt erhalten hat. Arztpraxen können das elektronische Rezept über die Gesundheitskarte, eine Handy-App oder per Papierausdruck ausstellen. Hauptsächlich werde die Gesundheitskarte genutzt, berichten die befragten Hausärzte. Was früher händisch auf dem rosa Papierzettel vom Arzt unterschrieben wurde, muss heute digital signiert werden. „Wir müssen jedes Medikament einzeln freigeben“, berichtet Dr. med. Martin Schmitt aus der Arztpraxis Schmitt, die in Plankstadt und Oftersheim zu finden ist. Die digitale Signatur ist allerdings mit mehr Aufwand verbunden als die händische Unterschrift. „Das schaffen wir im Sprechstunden-Alltag nicht“, sagt Schmitt.

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Ärzte nehmen sich deshalb ein Zeitfenster, in dem sie mehrere ausgestellte Rezepte auf einen Schlag signieren. Erst danach wandert das elektronische Rezept auf den Server und kann von den Apotheken abgerufen werden. Die Folge: Der gewohnte Gang vom Hausarzt direkt zur Apotheke ist für Patienten oft nicht möglich.

Im Hausarztzentrum Plankstadt wurde ein Merkblatt erarbeitet, um gerade älteren Patienten die Umstellung auf das E-Rezept zu erklären. Teilweise binden die Erläuterungen aber auch Personal ein. Insgesamt, resümiert Martin Schmitt, sei das E-Rezept in der aktuellen Verfassung für Ärzte „alles andere als eine Zeitersparnis“.

E-Rezept führt zu Patientenverzögerungen und -verwirrungen

Zusätzlich ist die Technik auch in Arztpraxen gelegentlich von Störungen und Ausfällen betroffen. Ohnehin habe sich die technische Ausstattung für den Betrieb einer Arztpraxis in den letzten Jahren vervielfacht, wie Dr. med. Hüseyin Köksal aus Plankstadt sagt. Sie umfasse unter anderem die Notwendigkeit eines IT-Spezialisten, die Gewährleistung der Internetstabilität, regelmäßige Softwareupdates und kompatible Kartenlesegeräte. Das führt dem Hausarzt zufolge entsprechend zu „einer Vielzahl potenzieller Störungs- und Verzögerungsquellen“.

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Zu Verzögerungen kommt es auch bei den Patienten, die die Apotheke erst Stunden nach dem Arztbesuch aufsuchen können. Und sind sie dann dort, wissen sie gar nicht, welches Medikament sie verschrieben bekommen haben. Schließlich steht es nicht mehr auf dem Papierausdruck. Das werde von Patienten beklagt, sagt Dr. Christiane Siefert-Ajai vom Hausarztzentrum Plankstadt. Besonders ältere Kunden, die seit Jahren dieselben Medikamente einnehmen, könnten vielleicht etwas Falsches verschrieben bekommen und bemerken es erst in der Apotheke, so die Erfahrungen von Vera Schuhmacher aus der Rhein-Neckar-Apotheke in Eppelheim.

Für die Patienten bietet das E-Rezept aber gleichzeitig einen der wenigen Vorteile: Um Rezepte abzuholen, müssen sie nicht mehr in die Arztpraxis. Haben die Patienten ihre Medikamente per E-Mail oder Telefon bestellt, kann das Rezept bequem auf die Gesundheitskarte übertragen werden.

Frist bis Ostern: Apothekerverband fordert E-Rezept-Verbesserungen

„Wenn es funktioniert“, betonen die befragten Ärzte und Apotheker immer wieder, könne das E-Rezept Vorteile mit sich bringen: eine effizientere Abwicklung der Rezepterstellung, reduzierter Betrieb an der Anmeldung und weniger Papierverbrauch. Doch in seiner jetzigen Form, da sind sich alle einig, ist das E-Rezept kein Fortschritt.

Funktionieren sollte es übrigens bis Ostern, wie der Deutsche Apothekerverband (DAV) in einer Mitteilung gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium fordert. Die vermehrt flächendeckenden Ausfälle und Fehler seien „ein nicht tragbarer Zustand“, sagt der DAV-Vorsitzende Dr. Hans-Peter Hubmann. Gelinge das nicht, werde die Apothekerschaft sich für ein „zeitweises Ersatzverfahren“ aussprechen. Noch bleibt der Regierung also rund eine Woche Zeit.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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